Peru: Bischof, "nach wie vor Diskriminierung von Indios"
Die Indigenen Lateinamerikas
sind immer noch krass benachteiligt. Daran erinnert Bischof Norbert Strotmann von
Chosica/Peru. Gudrun Sailer bat den deutschen Bischof in Peru anlässlich des Internationalen
Tags der indigenen Völker der UNO, der auf diesen Sonntag fällt, zum Interview. Fakt
ist: Nicht alle Ureinwohner haben heute viel Grund zum feiern: Viele Staaten – unter
ihnen Peru - ignorieren die von ihnen unterzeichneten internationalen Konventionen
zum Schutz indigener Völker. Im Juni kam es zu massiven, auch blutigen Protesten von
Indios gegen die Entscheidung der Regierung, den Amazonas-Regenwald für die Nutzung
durch ausländische Investoren zu öffnen. Präsident Garcia wechselte einen Minister
aus. Was ist der Hintergrund für diesen anhaltenden Konflikt?
„Viele dieser
Ethnien sind seit 20 oder 30 Jahren darum bemüht, Eigentumstitel für ihr Gebiet zu
bekommen. Sie kommen gegen die Verwaltung nicht an, und dann kommt mit einemmal ein
Pool von Investoren und sagt: Was hier mal euer war, ist jetzt meins, ich habe den
Titel. Sie können das nur auf Weltebene heute sehen. Es ist schwierig voranzukommen.
Wir haben zwar Klimawandel und Ökologie-Probleme, aber angesichts der Wirtschaftskrise
scheinen sich eben alternative Investitionen in diesem Bereiche zu lohnen. Denken
Sie daran, dass in Brasilien der Bio-Sprit inzwischen sehr lukrativ ist.“
Da
muss man auch in Lateinamerika die Größenordnungen in Erinnerung rufen. Die sind anders,
als wir uns das von Europa aus vorstellen können.
„Das Amazonasgebiet
in Lateinamerika umfasst sieben Millionen Quadratkilometer, das sind fünf Prozent
der Erdoberfläche und 40 Prozent von Südamerika. Der Amazonasgürtel umfasst 20 Prozent
vom disponiblen Süßwasser, das nicht gefroren ist. Ein Drittel der Weltreserven des
Waldes und unvorstellbare Rohstoffe, die man noch gar nicht entdeckt hat. Die Biodiversität
ist die reichste auf Weltebene, 30 Prozent aller Arten von Fauna und Flora leben hier.
Dass da die wirtschaftlichen Interessen besonders groß sind, erklärt sich von selbst.“
Die
Amazonas-Völker nutzen die natürlichen Ressourcen des Waldes nachhaltig, Garcia propagiert
aber ein neoliberales Modell, das eine privatwirtschaftliche Ausbeutung von Erdöl,
Edelhölzern und Bodenschätzen durch multinationale Konzerne vorsieht. Wo steht die
Kirche in dem Konflikt?
„Die Kirche steht da immer in einer sehr delikaten
Situation. Wir müssen immer für die Menschen eintreten. Nicht nur für die Ökologie
– zunächst für die Menschen, für das Überleben der Menschheit. Da hat man schlechte
Karten, denn oft ist in liberalen Wirtschaftssystemen auch die Presse liberal. Das
bedeutet, wer das Geld hat, hat die Wahrheit auf seiner Seite, was die Informationspolitik
angeht. Da stehen wir als Kirche ziemlich alleine, aber nicht ganz. Denn gerade viele
NGOs von Amnesty bis zu kleineren Organisationen achten sehr wohl auch auf diese Dinge,
auch von der UNO. Aber man hat auf praktische Politik wenig Einfluss. Wir hoffen natürlich
als katholische Bischofskonferenz, dass es da ein Einsehen gibt. Denn die Auseinandersetzung
war doch aus dem Ruder gelaufen, sodass man jetzt nachdenklich werden müsste.“
Wie
sieht die Lebensrealität der peruanischen Indigenen heute aus?
„Wenn man
von Indigenas, also von Eingeborenenbevölkerungen redet, dann redet man in Lateinamerika
von einem sehr differenzierten Lebensraum. Auch in Peru. Es gibt Hochland- und Amazonas-Indios.
Im Urwald gibt es noch Stämme, die kaum Kulturkontakt haben, wohingegen der Austausch
zwischen moderner Welt und Hochlandindios eigentlich problemlos läuft. Man muss natürlich
sagen, wir haben den aus der Kolonialisierung angesammelten politischen Diskriminierungseffekt
nach wie vor, sodass eigentlich nur Minderheiten in der Wirtschaft Spitzenpositionen
haben. Wir haben aber in Peru das Glück, dass während der Militärdiktator des Generals
Velasco einer populistischen Linskdiktatur von 1968 bis 1975 die Diskriminierung heruntergefahren
wurde. Diese Regierung hat viel für die Anerkennung der Indios getan. Aber was man
in der internationalen Politik nicht sieht: der ganze Landbereich in Lateinamerika
ist zur Zeit ins Rutschen gekommen. Das hängt mit dem harten Land-Stadt-Gefälle zusammen.
In den letzten 40 Jahren ist der Großteil in die Städte abgewandert, haben einen Lebensstil
oftmals in bitterer Armut, aber nicht so arm wie die, die im Hochland geblieben sind.“ (rv
09.08.2009 gs)