2009-08-03 14:57:13

Ukraine: Verschiedene Reaktionen auf Kyrills Besuch


RealAudioMP3 Aus Furcht vor Protesten von ukrainischen Nationalisten hat der Moskauer Patriarch Kyrill I. überraschend auf den Besuch der westukrainischen Stadt Riwne verzichtet. Der Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche, Wladimir Legoida, teilte am Sonntagabend, mit, auf dringende Empfehlung der ukrainischen Präsidentenkanzlei habe das orthodoxe Kirchenoberhaupt den Besuch der Stadt abgesagt. Von der Halbinsel Krim sei Kyrill I. deshalb nach Kiew statt nach Riwne geflogen. In der Ukraine gebe es verschiedene Reaktionen auf den zehntägigen Besuch des Moskauer Patriarchen. Das erklärt gegenüber Radio Vatikan der ukrainische Kirchenhistoriker, Oleg Turiy. Er doziert an der Katholischen Universität in Lemberg.

„Unser Land besteht aus verschiedenen Regionen, die sehr verschiedene historische Schicksale erlebt haben. Deshalb ist die Positionierung der Menschen zu allen wichtigen Fragen wie politische Orientierungen oder nationale Identität verschieden. Für mich ist bei diesem Besuch ein Aspekt wichtig, der vielleicht bei vielen westlichen Beobachtern nicht bekannt ist, und zwar hat sich Patriarch Kyrill I. für die Rehabilitierung des Stalinismus ausgesprochen. Er hat nämlich gesagt, dass Nationalsozialismus eine schlimme Sache gewesen sei und auch der Stalinismus sei nicht gut gewesen, aber man dürfe die beiden totalitären Regimes nicht vergleichen. Diese Stellungnahme beweist eine enge Beziehung zur aktuellen russischen Staatspolitik. Denn in Russland ist ein Prozess der Wiederherstellung des sowjetischen Modells im Gange.“ 
In der Ukraine gibt es drei orthodoxe Kirchen. Die eine ist mit dem Moskauer Patriarchat verbunden, zwei weitere haben sich von ihr abgespalten und möchten selbstständig sein. Turiy:

„Die Haltung gegenüber dem Besuch Kyrills in der Ukraine hängt sehr stark davon ab, wie sich die Verhältnisse zwischen diesen Kirchen in den vergangenen Jahren gestaltet haben und weiterentwickeln sollen. Für mich persönlich ist diese ganze Phraseologie über das Verständnis der Orthodoxie als etwas, was dem Katholizismus gegenübersteht, nicht verständlich. Das ist aber ein altes Konfessionsmodell, das noch in vielen Köpfen vorherrscht. Dieser Besuch richtet sich danach. Die Ideologie dieser Reise soll dazu dienen, der Welt zu zeigen, dass die Orthodoxen in der Ukraine Teil der großen russischen Zivilisation seien. Deshalb kann man diese Visite nicht nur als Pastoralbesuch sondern auch als politisches Unternehmen betrachten.“ 
Der Moskauer Patriarch Kyrill I. hat in der Ukraine zur Wiedervereinigung der orthodoxen Kirche im Land aufgerufen. Die Anhänger der beiden vom Moskauer Patriarchat abgespaltenen Kirchen sollten zur russisch-orthodoxen Kirche zurückkehren, sagte er bei einem Gottesdienst auf dem Platz vor dem berühmten Höhlenkloster von Kiew. Die ukrainische Hauptstadt sei das „Jerusalem“ der Orthodoxen, so Kyrill.

„Patriarch Kyrill spricht oft über solche Parallelen. Wenn wir das historisch überprüfen wollen, dann zeigt sich, dass solche Beispiele nicht ganz stimmen. Denn er bezieht sich auf das Pentarchiemodell, was aber nur für römisch-byzantinische Reichskirchen galt. Doch das Moskauer Patriarchat ist viele Jahrhunderte später entstanden – und das auf sehr fragwürdige Weise. Deshalb sind solche Parallelen nicht möglich. Hinter solchen Sätzen stehen im Grunde genommen sehr wichtige und, meiner Meinung nach, sehr konsequente Ideen Kyrills und zwar, dass für ihn das ganze Gebiet des ehemaligen russischen Imperiums und der späteren Sowjetunion das kanonische Territorium abdeckt. Das soll eine Basis für die Wiederherstellung einer neuen Großmacht sein, die man „Heiliges Russland“ oder „Orthodoxe Zivilisation“ nennt, es geht darum, ein altes Modell für das Verständnis der Kirche zu übernehmen.“ (rv/kipa)
(rv/kipa 03.08.2009 mg)







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