2009-08-02 10:34:24

UNO: Gegen den Hunger kämpfen


RealAudioMP3 Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, kurz WFP, schlägt Alarm: Viele Geberländer hielten ihre Finanzzusagen nicht ein und das WFP müsse seine Hilfen wegen Geldmangels kürzen. Bereits jetzt müssten die Lebensmittelrationen in mehreren Ländern verringert werden, erklärte die UNO-Organisation Mitte dieser Woche. Die Staatengemeinschaft habe für 2009 lediglich 3,7 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern versprochen und damit weniger als die Hälfte des eigentlich benötigten Budgets, um den am stärksten unter Hunger leidenden Menschen zu helfen, so Sheeran. Von den versprochenen Geldern seien bisher nur 1,8 Milliarden Dollar eingetroffen. Wie viele Menschen derzeit auf die Hilfen angewiesen sind, hat Antje Dechert den Leiter des Berliner WFP-Büros gefragt. Ralf Südhoff sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:
Wir müssen in diesem Jahr, wenn es irgend geht, über 100 Millionen Hungernde unterstützen. Den Auftrag haben wir bekommen von der Staatengemeinschaft. Das ist zum Einen aber auch nur rund zehn Prozent der Menschen, die weltweit hungern, weil der Hunger massiv zunimmt im Zuge der Hochpreiskrise. Zum Anderen haben wir große Befürchtungen, dass wir noch nicht einmal diese zehn Prozent, diese 100 Millionen Menschen wirklich erreichen können, weil wir dafür auch nicht die nötigen Mittel bekommen. 
Wie sieht Ihr Etat denn aktuell aus?

Unser Etat ist veranschlagt worden von den Staaten, die das für uns beschließen, auf ein Niveau von 6,7 Milliarden Dollar für 2009. Von dieser Summe haben wir aber bis heute nur ein Viertel bekommen, obwohl wir schon Anfang August haben. Und deswegen haben wir große Befürchtungen, dass wir kaum mehr als vielleicht die Hälfte der Mittel wirklich bekommen bis Ende des Jahres, die wir bräuchten, um unseren Auftrag zu erfüllen, sprich: über 100 Millionen Menschen in Not auch wirklich helfen zu können. 
Die Gelder bleiben aus. Ist das denn wirklich „nur“ die Finanzkrise, die daran schuld ist, oder gab es vorher auch schon nicht eingehaltene Versprechen?

Es sind glaube ich zwei Aspekte: Zum Einen ist es schon seit vielen Jahren so, dass die Mittel insbesondere für den Kampf gegen den Hunger und auch für die Agrarentwicklung in den Entwicklungsländern deutlich zurückgegangen sind. Der Anteil der Entwicklungshilfe, die in den ländlichen Raum ging, aber auch die Investition in die Entwicklungsländer selbst, in die Landwirtschaft und in die Menschen auf dem Land, ist dramatisch zurückgegangen in den letzten zwanzig Jahren um rund drei Viertel im Vergleich zu Anfang der achtizger Jahre. Das heißt, wir sind ohnehin auf einem quasi historischen Tief. Das hat sich ganz kurzzeitg etwas gebessert im vergangenen Jahr, als plötzlich so viel Aufmerksamkeit zu Recht darauf verwandt wurde, dass wir uns in einer Welternährungskrise befinden. Nun befürchten wir sozusagen, das man in den alten Trott wieder zurückverfällt und nachdem man einmal kurzfristig geholfen hat, nicht weiter die nötigen Mittel zur Verfügung stellt. Und dann spielt natürlich ein große Rolle, dass viele Staaten jetzt reflexartig glauben, sie müssten sich jetzt erstmal um ihre eigenen Probleme kümmern und könnten an diesem Ende sparen.
 
Was sind denn die Folgen dieses Rückgangs im Bezug auf Ihre Projekte?

Da gibt es ganz konkrete Beispiele. Es wir immer klarer, wo wir alles unsere Hilfe kürzen oder sogar einstellen müssen. In einem Land wie Bangladesch können wir hunderttausende von Schulkindern, die nur zur Schule gehen können und nur dort ein Essen bekommen, wenn wir ihnen helfen, diese Schulspeisung nicht mehr anbieten. Dies wird dazu führen, dass sehr, sehr viele von ihren Eltern aus der Schule genommen werden, dass sie wieder arbeiten müssen, dass sie betteln müssen und dass sie keine Ausbildung kriegen, um dem Hunger dann letztendlich auch entfliehen zu können. In einem Land wie Uganda können wir über 600.000 Flüchtlinge in Norden des Landes überhaupt nicht mehr unterstützen, in einem Land wie Äthiopien können wir fast fünf Millionen Menschen in Not durch Dürren, durch hohe Preise usw. nur noch eine halbe Essensration geben. Das heißt sie bekommen nur noch rund 1.000 Kalorien, während selbst der Mindestbedarf, um gesund zu leben, um zu überleben, auf mindestens 2.100 Kalorien pro Mensch geschätzt wird. Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele, es betrifft wirklich viele, viele Operationen und Millionen von Menschen. 
Mit etwa 40 Prozent machen Naturalspenden fast die Hälfte der Unterstützung des WFP aus. Diese kommen zum Beispiel aus den USA. Wäre es nicht sinnvoller, die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern durch Geldspenden, Agrarhilfen oder Konzepte zur Selbsthilfe zu fördern?

Das eine schließt das andere ja nicht aus. Zum Einen ist der Anteil dieser Naturalspenden immer niedriger. Die Gründungsidee in den sechziger Jahren des Welternährungsprogramms war in der Tat, dass es damals so große Überschüsse gab in Europa und Amerika, dass man sagte: Wo Menschen in Not sind und hungern und sich ohnehin auf den einheimischen Märkten nicht selbst versorgen können, könnte man ihnen doch mit diesen Überschüssen helfen. Das spielt aber heute nur noch eine untergeordnete Rolle, rund ein Drittel dieser Spenden kommen jedes Jahr noch insbesondere aus den USA. Weite Teile der anderen Hilfe kaufen wir aber mit Bargeld, was wir zum Beispiel auch von der Bundesregierung oder der EU bekommen, zum allergrößten Teil in den Ländern selbst auch auf. Insofern ist es tatsächlich so, dass wir zum Beispiel im vergangenen Jahr für über eine Milliarde Dollar Nahrungsmittel in den Entwicklungsländern gekauft haben und damit dort auch in die Landwirtschaft investiert haben und so diese kurzfristige Nothilfe, die dringend nötig ist, gleichzeitig auch eine Investition ist in eine bessere, eigenständige Versorgung der Länder und der Menschen selbst. 
Ein Blick in die Zukunft: Die Zahl der Hungernden wächst, die Hilfsleistungen sinken. Ist es denn überhaupt noch realistisch, dass die Millenniumsziele bis 2015 erreicht werden? Was muss jetzt passieren, dass diese Welternährungskrise gelöst wird?

Das Millenniumsziel, den Anteil der Hungernden weltweit zu halbieren, ist natürlcih in weite Ferne gerückt. Allein in diesem Jahr sind weitere 100 Millionen Menschen vom Hunger bedroht oder hungern schon, das heißt es wird extrem schwierig, dass in ein paar Jahren nun wieder umzukehren. Umso dringender ist, dass wir jetzt die Chance, die die aktuellen hohen Nahrungsmittelpreise auch bieten, nutzen, denn drei Viertel der Armen und Hungernden leben ja auf dem Land. Es sind vielfach Kleinbauern, Landlose, Landarbeiter. Wenn wir denen nur ganz geringe Mittel und Beratung und Hilfe an die Hand geben, wie sie von hohen Nahrungsmittelpreisen als Anbieter, als Produzenten auch profitieren können, dann könnten sie zu Gewinnern der höheren Preise werden, dann könnten sie mehr investieren, dann könnten sie auf den lokalen Märkten auch mehr und mehr Nahrungsmittel anbieten und ihre Gemeinden auch besser versorgen. Diese Chance müssen wir aber jetzt ergreifen, sonst ist sie verspielt und diese Menschen werden ganz im Gegenteil noch stärker in die Armut verfallen. 
Ganz ähnliche Forderungen hat auch der Papst in seiner neuen Sozialenzyklika gestellt: In der Globalisierung muss mehr an das gesamte Wohl der Gesellschaft gedacht werden es muss mit Fairness gehandelt werden. Haben Sie die Enzyklika gelesen und wie fanden Sie sie?

Ich habe von der Forderung des Papstes gehört und wir freuen uns natürlich über jede Unterstützung, die in den Mittelpunkt stellt, dass in der Tat wir alle Möglichkeiten haben, diesen Menschen ihre Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen, ihnen etwas an die Hand zu geben. Dass sie einen Anschub, eine Unterstützung am Anfang kriegen, aber sich dann selbst auch versorgen können und ein menschenwürdiges Leben leben. Da haben wir alle Möglichkeiten, wenn wir denn nur etwas dafür tun wollen. Und deswegen freuen wir uns natürlich, dass wir dort auch von dieser Seite so eine klare Unterstützung bekommen. 







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