Das Welternährungsprogramm
der Vereinten Nationen, kurz WFP, schlägt Alarm: Viele Geberländer hielten ihre Finanzzusagen
nicht ein und das WFP müsse seine Hilfen wegen Geldmangels kürzen. Bereits jetzt müssten
die Lebensmittelrationen in mehreren Ländern verringert werden, erklärte die UNO-Organisation
Mitte dieser Woche. Die Staatengemeinschaft habe für 2009 lediglich 3,7 Milliarden
Dollar an Hilfsgeldern versprochen und damit weniger als die Hälfte des eigentlich
benötigten Budgets, um den am stärksten unter Hunger leidenden Menschen zu helfen,
so Sheeran. Von den versprochenen Geldern seien bisher nur 1,8 Milliarden Dollar eingetroffen.
Wie viele Menschen derzeit auf die Hilfen angewiesen sind, hat Antje Dechert den Leiter
des Berliner WFP-Büros gefragt. Ralf Südhoff sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:
Wir müssen in diesem Jahr, wenn es irgend geht, über 100 Millionen Hungernde
unterstützen. Den Auftrag haben wir bekommen von der Staatengemeinschaft. Das ist
zum Einen aber auch nur rund zehn Prozent der Menschen, die weltweit hungern, weil
der Hunger massiv zunimmt im Zuge der Hochpreiskrise. Zum Anderen haben wir große
Befürchtungen, dass wir noch nicht einmal diese zehn Prozent, diese 100 Millionen
Menschen wirklich erreichen können, weil wir dafür auch nicht die nötigen Mittel bekommen. Wie
sieht Ihr Etat denn aktuell aus?
Unser Etat ist veranschlagt worden von
den Staaten, die das für uns beschließen, auf ein Niveau von 6,7 Milliarden Dollar
für 2009. Von dieser Summe haben wir aber bis heute nur ein Viertel bekommen, obwohl
wir schon Anfang August haben. Und deswegen haben wir große Befürchtungen, dass wir
kaum mehr als vielleicht die Hälfte der Mittel wirklich bekommen bis Ende des Jahres,
die wir bräuchten, um unseren Auftrag zu erfüllen, sprich: über 100 Millionen Menschen
in Not auch wirklich helfen zu können. Die Gelder bleiben aus. Ist das denn
wirklich „nur“ die Finanzkrise, die daran schuld ist, oder gab es vorher auch schon
nicht eingehaltene Versprechen?
Es sind glaube ich zwei Aspekte: Zum Einen
ist es schon seit vielen Jahren so, dass die Mittel insbesondere für den Kampf gegen
den Hunger und auch für die Agrarentwicklung in den Entwicklungsländern deutlich zurückgegangen
sind. Der Anteil der Entwicklungshilfe, die in den ländlichen Raum ging, aber auch
die Investition in die Entwicklungsländer selbst, in die Landwirtschaft und in die
Menschen auf dem Land, ist dramatisch zurückgegangen in den letzten zwanzig Jahren
um rund drei Viertel im Vergleich zu Anfang der achtizger Jahre. Das heißt, wir sind
ohnehin auf einem quasi historischen Tief. Das hat sich ganz kurzzeitg etwas gebessert
im vergangenen Jahr, als plötzlich so viel Aufmerksamkeit zu Recht darauf verwandt
wurde, dass wir uns in einer Welternährungskrise befinden. Nun befürchten wir sozusagen,
das man in den alten Trott wieder zurückverfällt und nachdem man einmal kurzfristig
geholfen hat, nicht weiter die nötigen Mittel zur Verfügung stellt. Und dann spielt
natürlich ein große Rolle, dass viele Staaten jetzt reflexartig glauben, sie müssten
sich jetzt erstmal um ihre eigenen Probleme kümmern und könnten an diesem Ende sparen. Was
sind denn die Folgen dieses Rückgangs im Bezug auf Ihre Projekte?
Da gibt
es ganz konkrete Beispiele. Es wir immer klarer, wo wir alles unsere Hilfe kürzen
oder sogar einstellen müssen. In einem Land wie Bangladesch können wir hunderttausende
von Schulkindern, die nur zur Schule gehen können und nur dort ein Essen bekommen,
wenn wir ihnen helfen, diese Schulspeisung nicht mehr anbieten. Dies wird dazu führen,
dass sehr, sehr viele von ihren Eltern aus der Schule genommen werden, dass sie wieder
arbeiten müssen, dass sie betteln müssen und dass sie keine Ausbildung kriegen, um
dem Hunger dann letztendlich auch entfliehen zu können. In einem Land wie Uganda können
wir über 600.000 Flüchtlinge in Norden des Landes überhaupt nicht mehr unterstützen,
in einem Land wie Äthiopien können wir fast fünf Millionen Menschen in Not durch Dürren,
durch hohe Preise usw. nur noch eine halbe Essensration geben. Das heißt sie bekommen
nur noch rund 1.000 Kalorien, während selbst der Mindestbedarf, um gesund zu leben,
um zu überleben, auf mindestens 2.100 Kalorien pro Mensch geschätzt wird. Es gibt
noch zahlreiche weitere Beispiele, es betrifft wirklich viele, viele Operationen und
Millionen von Menschen. Mit etwa 40 Prozent machen Naturalspenden fast die
Hälfte der Unterstützung des WFP aus. Diese kommen zum Beispiel aus den USA. Wäre
es nicht sinnvoller, die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern durch Geldspenden,
Agrarhilfen oder Konzepte zur Selbsthilfe zu fördern?
Das eine schließt
das andere ja nicht aus. Zum Einen ist der Anteil dieser Naturalspenden immer niedriger.
Die Gründungsidee in den sechziger Jahren des Welternährungsprogramms war in der Tat,
dass es damals so große Überschüsse gab in Europa und Amerika, dass man sagte: Wo
Menschen in Not sind und hungern und sich ohnehin auf den einheimischen Märkten nicht
selbst versorgen können, könnte man ihnen doch mit diesen Überschüssen helfen. Das
spielt aber heute nur noch eine untergeordnete Rolle, rund ein Drittel dieser Spenden
kommen jedes Jahr noch insbesondere aus den USA. Weite Teile der anderen Hilfe kaufen
wir aber mit Bargeld, was wir zum Beispiel auch von der Bundesregierung oder der EU
bekommen, zum allergrößten Teil in den Ländern selbst auch auf. Insofern ist es tatsächlich
so, dass wir zum Beispiel im vergangenen Jahr für über eine Milliarde Dollar Nahrungsmittel
in den Entwicklungsländern gekauft haben und damit dort auch in die Landwirtschaft
investiert haben und so diese kurzfristige Nothilfe, die dringend nötig ist, gleichzeitig
auch eine Investition ist in eine bessere, eigenständige Versorgung der Länder und
der Menschen selbst. Ein Blick in die Zukunft: Die Zahl der Hungernden wächst,
die Hilfsleistungen sinken. Ist es denn überhaupt noch realistisch, dass die Millenniumsziele
bis 2015 erreicht werden? Was muss jetzt passieren, dass diese Welternährungskrise
gelöst wird?
Das Millenniumsziel, den Anteil der Hungernden weltweit zu
halbieren, ist natürlcih in weite Ferne gerückt. Allein in diesem Jahr sind weitere
100 Millionen Menschen vom Hunger bedroht oder hungern schon, das heißt es wird extrem
schwierig, dass in ein paar Jahren nun wieder umzukehren. Umso dringender ist, dass
wir jetzt die Chance, die die aktuellen hohen Nahrungsmittelpreise auch bieten, nutzen,
denn drei Viertel der Armen und Hungernden leben ja auf dem Land. Es sind vielfach
Kleinbauern, Landlose, Landarbeiter. Wenn wir denen nur ganz geringe Mittel und Beratung
und Hilfe an die Hand geben, wie sie von hohen Nahrungsmittelpreisen als Anbieter,
als Produzenten auch profitieren können, dann könnten sie zu Gewinnern der höheren
Preise werden, dann könnten sie mehr investieren, dann könnten sie auf den lokalen
Märkten auch mehr und mehr Nahrungsmittel anbieten und ihre Gemeinden auch besser
versorgen. Diese Chance müssen wir aber jetzt ergreifen, sonst ist sie verspielt und
diese Menschen werden ganz im Gegenteil noch stärker in die Armut verfallen. Ganz
ähnliche Forderungen hat auch der Papst in seiner neuen Sozialenzyklika gestellt:
In der Globalisierung muss mehr an das gesamte Wohl der Gesellschaft gedacht werden
es muss mit Fairness gehandelt werden. Haben Sie die Enzyklika gelesen und wie fanden
Sie sie?
Ich habe von der Forderung des Papstes gehört und wir freuen uns
natürlich über jede Unterstützung, die in den Mittelpunkt stellt, dass in der Tat
wir alle Möglichkeiten haben, diesen Menschen ihre Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen,
ihnen etwas an die Hand zu geben. Dass sie einen Anschub, eine Unterstützung am Anfang
kriegen, aber sich dann selbst auch versorgen können und ein menschenwürdiges Leben
leben. Da haben wir alle Möglichkeiten, wenn wir denn nur etwas dafür tun wollen.
Und deswegen freuen wir uns natürlich, dass wir dort auch von dieser Seite so eine
klare Unterstützung bekommen.