Armut und mangelnde
Bildung sind Ursachen der jüngsten Gewaltakte radikaler Islamisten in Nordnigeria.
Das sagte im Interview mit Radio Vatikan der Leiter des „Katholischen Instituts für
Entwicklung, Gerechtigkeit, Frieden und Caritas“ in Enugu, Prälat Obiora Ike. Hinter
den seit Sonntag aufflammenden Angriffen auf Polizeistationen, christliche Kirchen
und Moscheen verberge sich die islamistische Sekte Boko Haram, zu Deutsch „Erziehung
ist Sünde“. Sie fordere die Einführung der Scharia in ganz Nigeria und lehne den westlichen
Lebensstil ab, erklärt Ike: „Die Sektenanhänger wollen keine wirkliche Ausbildung,
keine Schulen, keine Modernisierung. Sie nennen sich die Taliban von Nigeria. Seit
langem beobachtet man diese Gruppe, und die Sicherheitskräfte wissen davon. Aber im
Norden wird nicht viel getan, auch weil die Sicherheitskräfte dort überwiegend Muslime
sind und teilweise mit der Aussage dieser Gruppe sympathisieren, sie wolle ganz Nigeria
islamisieren. Wir haben 36 Bundesländer in Nigeria und 12 Bundesländer haben sich
schon zu Scharia-Staaten erklärt. Die Boko-Haram will den Scharia-Status überall ausbreiten.“ Von
der Gewaltwelle sind die nördlichen Bundesstaaten Bauchi, Kano, Yobe und Borni betroffen.
In der nordnigerianischen Stadt Maidiguro haben sich Armee und Islamisten in der Nacht
zum Mittwoch heftige Gefechte geliefert. Örtlichen Medienberichten zufolge seien seit
Sonntag mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen. Die Islamisten rekrutierten ihre
Anhänger vor allem unter Jugendlichen; viele seien Flüchtlinge aus dem Tschad und
Niger, berichtet Ike: „Die das machen sind Kinder, man führt sie nur an der
Nase herum, sie sind gar nicht Schuld für das, was sie tun. Einmal geht es um Armut,
denn diese Menschen sind wirklich arm. Sie haben nichts zu verlieren. Ein zweites
Problem ist der Analphabetismus, sie gehen nicht zur Schule. Die Millenniums-Entwicklungs-Ziele
sind bisher in Nigeria nicht ausreichend in die Tat umgesetzt worden.“ Die
Regierung müsse daher die sozialen Ursachen der Radikalisierung tatkräftiger angehen,
fordert Ike: „Es geht darum, dass die Regierung eine ,good governance’ ermöglicht
und für Rechtsstaatlichkeit sorgt. Damit hat man dann eine Grundlage, damit solche
Schwierigkeiten gar nicht auftreten. .....Die Regierung müsste dann auch klar stellen,
dass die Scharia in einem pluralen Staat nicht die Verfassung ersetzen kann. Die Muslime
in Nigeria sind nicht die Mehrheit, sie mögen vielleicht 40 Prozent ausmachen, aber
wir haben auch zehn bis 15 Prozent die keiner Religion oder anderen religiösen Minderheiten
angehören, die restlichen 40 Prozent sind Christen aller Konfessionen. Wir wollen
Religion als Friedensbotschaft sehen.“ (rv 29.07.2009 ad)