Vatikan: Papst betet für Flüchtlinge und verfolgte Christen
Papst Benedikt XVI.
hat zum Gebet für Flüchtlinge und verfolgte Christen aufgerufen. In „nicht wenigen
Ländern“ würden Christen diskriminiert, ihre Menschenrechte auf Gleichheit und Religionsfreiheit
müssten anerkannt werden und „sie ihren Glauben frei leben und bekennen können“, heißt
es in der so genannten „Gebetsmeinung des Heiligen Vaters“ für den Monat August. Der
Vatikan veröffentlichte den Text an diesem Montag.
Beispiel 1: Christenverfolgung
in Indien - „Ursachen nicht gelöst“ Ein Land, in dem Christen in den vergangenen
Monaten massiver Verfolgung ausgesetzt waren, ist Indien. Anlässlich des Jahrestages
der Gewalt gegen Christen in Kandhamal hatten Vertreter christlicher Kirchen im indischen
Bundesstaat Orissa jüngst zum Schutz verfolgter Christen und zu einem nationalen „Tag
von Frieden und Harmonie“ aufgerufen. Nach der Ermordung eines radikalen Hindu-Führers
im August 2008 waren tausende Christen Opfer von Übergriffen durch radikale Hindus
geworden. Die Ursachen des Konfliktes seien bis heute nicht behoben, meint Anna Dirksmeier,
Indien-Referentin beim katholischen Hilfswerk Misereor, im Gespräch mit Radio Vatikan.
Dirksmeier: „Ein
Jahr nach der letzten großen Christenverfolgung sind sehr viel Flüchtlinge nun zurückgekehrt.
Zuerst waren sie in Lagern untergebracht. Diese werden aber inzwischen auch aufgelöst,
weil die Regierung diese nicht mehr unterhalten kann oder möchte - vor allem, weil
sehr viel Polizeischutz notwendig ist, um die Lager vor weiteren Übergriffen zu schützen.
Das zeigt, dass die Ursachen des Konfliktes überhaupt nicht behoben sind. Denn es
ist nicht nur ein einmaliger punktueller Konflikt, sondern die Verfolgung von christlichen
Minderheiten hat auch wirtschaftliche und soziale Ursachen, die nicht beseitigt sind.“
Christen
haben in Orissa in den letzten Jahren, unter anderem auch durch kirchliche Hilfsprojekte,
Auftrieb erhalten. Das habe zu Spannungen und Vorurteilen geführt, so Dirksmeier,
und radikalen Hindus den Weg bereitet. Religiöse Zugehörigkeit werde von den fundamentalistischen
Hetzern oft als Vorwand benutzt, um den erstarkenden Minderheiten zu schaden – und
nicht nur den Christen. Dirksmeier:
„Es geht den Hindu-Fundamentalisten
nicht nur um die Christen, in anderen Bundesstaaten sind sie zum Beispiel auch gegen
Muslime vorgegangen, es geht ihnen um die Errichtung eines hindufundamentalistischen
Staates.“
In der größten Demokratie der Welt Indien wolle die „schweigende
Mehrheit“ der Hindus jedoch ein friedliches Zusammenleben, so Dirksmeier. Wesentlich
für die Christen im Land seien nicht nur internationale Solidarität und spirituelle
Unterstützung, sondern auch Verbündete vor Ort. Dirksmeier:
„Die Solidarität
erreicht die Betroffenen immer. Es ist für sie ein ganz wichtiges Moment zu erfahren,
dass es internationale Solidarität gibt, dass sie nicht völlig alleingelassen sind
in diesem Konflikt. Diese Gewalt ist ja zum Teil von außen hinein getragen worden,
wobei die Religion instrumentalisiert wurde. Die langfristige Aufgabe ist, dass sich
diese Minderheiten organisieren und dass sie auch Verbündete unter den Hindus suchen,
die eben nicht fundamentalistisch sind. Die Mehrheit der Hindus bekennt sich ja zur
Demokratie und zum Rechtsstaat und verurteilt gewalttätige Exzesse in den eigenen
Reihen. Da ist es sehr wichtig, dass man über die eigenen Religionsgrenzen hinwegschaut
und sich Verbündete sucht. Diese schweigende Mehrheit gibt es, man muss jetzt sehr
aktiv aufeinander zugehen und den Kontakt suchen. Und da sind Ermutigung und Gebet
sehr wichtig für die Bevölkerung, damit sie sich nicht allein fühlt.“
Erst
nach der exzessiven Christenverfolgung von 2008 und auf Drängen der internationalen
Gemeinschaft hin habe die indische Regierung damit begonnen, Maßnahmen zum Schutz
verfolgter Christen zu treffen, so Dirksmeier. Mit knapp zwei Prozent gegenüber gut
80 Prozent Hindus bilden die Christen in Indien eine absolute Minderheit. Die Christen
in Orissa sind oftmals kastenlose Tagelöhner, die dort als niederste gesellschaftliche
Gruppe angesehen werden.
Beispiel 2: Bootsflüchtlinge im Mittelmeer
- „zu viele Menschen“ „Das Problem der Millionen Heimatlosen und Flüchtlinge“
müsse von der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden und für ihre „oft tragische
Situation“ müssten „konkrete Lösungen“ gefunden werden - so lautet die Forderung des
Papstes in der Gebetsmeinung für den Monat August.
„Tragisch“, wohl besser
„unerträglich“ ist nicht nur die aktuelle Situation vieler Flüchtlinge in Orissa und
dem Kongo, sondern direkt vor der europäischen Haustür: Fast täglich stranden an den
Mittelmeerinseln afrikanische Flüchtlinge - sofern sie das vermeintlich gelobte Land
überhaupt erreichen.
Gabriele Santi, Mitglied der Hilfsorganisation „Ärzte
ohne Grenzen“ und Koordinator eines Hilfsprojektes für Flüchtlinge auf Malta, berichtet
von den menschenunwürdigen Zuständen, unter denen die Menschen in den Auffanglagern
der Insel zu leiden haben. Santi:
„In den Zentren dort
sind einfach zu viele Menschen untergebracht. Die hygienischen Verhältnisse sind sehr
schlecht. Nach der Untersuchung kann man ihnen keine Medizin geben. Dann gibt es noch
nicht einmal Platz für die Isolation, wenn es sich um Infektionskrankheiten handelt:
Schwangere, Erwachsene und Kinder müssen alle zusammen ausharren.“
Nach
dem neuen italienischen Ausländerrecht können Migranten nun sechs Monate in solchen
Auffanglagern festgehalten werden – vier Monate länger als bisher. Einige Flüchtlinge
kommen aber erst gar nicht soweit, obwohl sie politisches Asyl bitter nötig hätten.
Santi:
„Was die nach Libyen abgeschoben Boote betrifft:
Libyen erkennt die Genfer Konvention nicht an, es wird also grundsätzlich kein Flüchtlingsstatus
anerkannt. Viele der von Libyen aus gestarteten Flüchtlinge kommen aber direkt aus
dem Krieg, zum Beispiel die Menschen aus Somalia, die gerade jetzt humanitären Schutz
brauchen. Und viele andere, zum Beispiel Flüchtlinge aus Eritrea oder anderswo, riskieren
ihr Leben, um in andere Länder zu gelangen.“
Italien
hatte zuletzt Bootsflüchtlinge im Mittelmeer nach Libyen zurück geschickt. Die italienischen
Bischöfe hatten die Verschärfung des italienischen Ausländerrechts als mangelhaft
kritisiert, da das Thema der Integration komplett übergangen werde. Nach dem neuen
„Sicherheitspaket“ ist illegaler Aufenthalt in Italien ein Straftatbestand, der mit
bis zu 10.000 Euro geahndet wird. Die Gewährung und Erneuerung von Aufenthaltsgenehmigungen
erfolgt nur gegen eine Gebühr von bis zu 200 Euro. Berlusconis Regierung wird für
die harte Haltung auch von der UNO und verschiedenen Menschenrechtsorganisationen
scharf kritisiert.