2009-07-22 17:48:42

D: Merkel zitiert Benedikt und Paulus


RealAudioMP3 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts der anhaltenden Weltwirtschaftskrise eine Rückbesinnung auf das christliche Menschenbild gefordert. Gemeinsame Werte und Grundsätze seien unabdingbar für verantwortliches politisches Handeln, sagte Merkel bei einem Vortrag in der Katholischen Akademie Bayern in München. Ein Beitrag von Birgit Pottler:

Innerer Kompass für die Politik
„Ohne Grundsätze, Werte, Leitbilder, ohne dass wir Halt und Orientierung haben, werden wir diese Fragen nicht beantworten können. Wir werden keine Lösungen finden und wir werden auch unsere Interessen nicht vertreten können. Wer im Meer der verschiedensten Interessen nicht orientierungslos hin und her getrieben werden will, der braucht einen verlässlichen inneren Kompass.“

Merkel übte scharfe Kritik an „Maßlosigkeit, Gier und der Durchsetzung von Eigeninteressen“ - dies habe erst zur Wirtschaftskrise geführt - und plädierte stattdessen für eine Balance zwischen „Gewinnstreben und Gemeinnützigkeit“. Die Politik alleine könne die derzeitige Krise jedoch nicht bewältigen, betonte die Kanzlerin, sprach von „Gottvertrauen“ und einer breiten gesellschaftlichen Diskussion:
„Es geht darum, eine Gesellschaft mit einem menschlichen Gesicht zu schaffen, in der auch die Wirtschaft dem Menschen dient und nicht der Eindruck entsteht, die Menschen laufen irrationalen Mechanismen hinterher.“

Der Mensch ist das Kapital
„Politisches Handeln aus christlicher Verantwortung“ war die Veranstaltung in der renommierten Münchner Akademie überschrieben. Die Rednerin - begrüßt vom Münchner Erzbischof Reinhard Marx - bediente Politiker und Kirchenvertreter gleichermaßen: Die Menschenwürde und die zentrale Rolle des Menschen seien letztendlich der Schlüssel für alle Herausforderungen, auch für eine verantwortliche Politik, mahnte Merkel. Die evangelische Christin fühlt sich bestärkt durch die Sozialenzyklika Papst Benedikts XVI.:
„Das erste zu schützende und zu nutzende Kapital ist der Mensch, die Person in ihrer Ganzheit. Das ist das Zitat, das mir insbesondere aus dem Blickwinkel des christlichen Menschenbildes in dieser Enzyklika so wunderbar erscheint.“
Das christliche Menschenbild liefere per se keine konkreten politischen Handlungsweisen, so Merkel, doch auch für die Politik gelte die „verantwortete Freiheit“ als Maxime. Der Mensch sei berufen, sich nach seinen eigenen Fähigkeiten zu entfalten, doch dies dürfe nicht zu „rücksichtsloser Freiheit“ führen.

Globale Verantwortung
Was bedeute „verantworte Freiheit leben“ für die Wirtschafts- und Sozialpolitik? Merkels Antwort: den Blick für andere nicht verlieren.
„Wir leben in einer globalen Krise, und es gehört vielleicht zu den politisch am schwierigsten durchzusetzenden Aufgaben, gerade in dieser Zeit unsere Verantwortung für die gesamte Welt auch immer wieder zu betonen.“

In der Krise seien seitens des Staates Maßnahmen ergriffen worden, von denen sie nach Ende des Sozialismus nicht geglaubt hatte, dass diese noch möglich seien, so die CDU-Politikerin mit Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft - erwachsen aus der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik - sei für die Zukunft viel versprechender.
„Wenn die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft weltweit angewandt worden wären, wäre es zu dieser tiefen Krise nicht gekommen.“

Die Krise als „entscheidende Wendung“
Gottvertrauen, Merkel spricht in ihrem 45-minütigen Vortrag mehrmals davon, und Demut bräuchten alle Beteiligten, um die aktuelle kritische Lage zu überwinden. Die Lösung liege vielleicht in der Krise selbst:
Krisis bedeutet soviel wie Entscheidung oder entscheidende Wendung. Und damit haben wir auch einen Schlüssel in der Hand, aus dieser schwierigen Situation mit einer eigenen Vergewisserung, wo wir hinwollen, auch etwas zu machen.“

Merkel sprach sich für eine weltweite „Charta des nachhaltigen Wirtschaftens“ aus; ähnlich wie mit der Charta der Menschenrechte nach dem Zweiten Weltkrieg könnten die Staaten so die Lehren aus der Krise ziehen. Der nächste G20-Gipfel in Pittsburgh könnte erste Schritte unternehmen:
„Mir liegt sehr daran, dass wir dies zustande bringen; damit wir das Eisen schmieden, solange es heiß ist.“

Kämpferisch in die Zukunft
Dass die Kirchen sich „als kritisches Korrektiv“ immer wieder einmischten, müssten Politiker akzeptieren; europaweit gelte es auch in der Politik, sich für die gemeinsamen christlich-abendländischen Werte einzusetzen:

„Wir müssen kämpferischer werden. Das ist meine feste Überzeugung. Nicht überheblich, aber kämpferischer. Es ist kein Selbstläufer, dass unsere Art zu leben, unsere Prägung sich in der Welt durchsetzt. Im Gegenteil: Es gibt viel mehr, die auch anders denken.“

Sola scriptura - auf die Schrift allein kann die Pastorentochter in der Politik nicht bauen; auch gute Werke sind gefragt. Doch ihren Vortrag vor katholischem wie evangelischem Publikum aus Politik und Kirche beendete Angela Merkel mit einem Pauluszitat:
„Apostel Paulus schrieb in seinem Brief an die Galater: Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Diese Freiheit, richtig verstanden im christlichen Menschenbild, kann uns befreien, auch die schwersten Probleme anzugehen - mit fröhlichem Herzen und dem von mir schon beschriebenen Gottvertrauen.“

(rv 22.07.2009 bp)








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