2009-07-17 08:39:31

D: Auf Imam studieren in Osnabrück


Die Universität Osnabrück will künftig Imame ausbilden. Dazu will die Direktion ein islamisch-theologisches Institut einrichten – es wäre das erste dieser Art an einer deutschen Hochschule. Ab 2012 soll dort islamische Theologie auf Augenhöhe mit der katholischen oder evangelischen gelehrt werden. Antje Dechert berichtet

„Ich hab vor einigen Monaten an der katholischen Akademie in Stuttgart Innenminister Schäuble gesagt, dass Theologen, insbesondere muslimische Theologen, nicht auf Bäumen wachsen, sondern dass man diesbezüglich entsprechende Einrichtungen schaffen muss.“

 
Das sagt Bülent Ucar. Er ist Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Osnabrück und meint: Imamausbildung in Deutschland – das wäre ein wichtiger Schritt zur weiteren Integration und Anerkennung der fast drei Millionen Muslime als gleichberechtigte Bundesbürger. Auch meint er, der Islam in Deutschland braucht ein lebendiges religionswissenschaftliches Fundament:

„Die Lehre wäre dann um ein Vielfaches reicher und wir hätten dann in Deutschland nicht nur Hans Küngs im islamischen Bereich, sondern auch Ratzingers, so dass dadurch auch letztlich ein innerer wissenschaftlicher Diskurs entstehen könnte und würde, so dass es auch die Muslime auf wissenschaftlicher Ebene in Deutschland voran bringt.“

Momentan werden Imame in der Regel aus den Herkunftsländern nach Deutschland entsandt und, wie etwa im Fall der Türkei, quasi als Staatsbeamte bezahlt. Das Problem: Gesellschaftliches Umfeld und Schwierigkeiten der Muslime in Deutschland sind diesen Geistlichen oft fremd. Die Lösung wäre, religiöse Autoritäten vor Ort auszubilden, sagt Bülent Ucar.

„Die Imame, die dann auch hier ausgebildet werden, können dann auch letztlich, weil sie der deutschen Sprache mächtig sind, die kulturellen Sensibilitäten kennen, die Geschichte des Landes kennen und auch viel besser auf die Situation hier vor Ort reagieren.“

Das neue islamische Institut will die Uni Osnabrück an der erziehungs- und kulturwissenschaftlichen Fakultät einrichten - wie die evangelische und katholische Theologie. Was die zukünftigen Imame inhaltlich eigentlich lernen sollen, dazu sollen alle relevanten islamischen Verbände an einem runden Tisch ihre Meinung einbringen können. Diese vertreten allerdings in vielen Punkten unterschiedliche Positionen. Auch gilt der Islam in Deutschland rechtlich nicht als Religionsgemeinschaft. Argumente, die Politiker oft gegen die Gleichstellung des Islam mit den Kirchen anführen – zu Unrecht, meint Ucar:

„Ich denke, da muss man ein Stück aufeinander zugehen. Das deutsche Religionsverfassungsrecht oder, wenn Sie so wollen, auch das deutsche Staatskirchenrecht, ist ja sehr flexibel und anpassungsfähig. Ich glaube, dass es gar nicht an diesen rechtlichen Problemen liegt, sondern dahinter stecken sehr häufig politische Sensibilitäten, gewisse Ängste im Bezug auf den Islam, weshalb man auch auf politischer Seite sehr vorsichtig agiert.“

Langsam aber scheint Bewegung in die Diskussion zu kommen. Deutsche Politiker erkennen: Die geistliche Beheimatung der Muslime ist wichtig, und zwar gerade dann, wenn man extremistischen Tendenzen entgegenwirken will. Erst in der vergangenen Woche hat das Bundesland NRW angekündigt, einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht einzuführen - eine wichtige Voraussetzung für Austausch und Integration, sagt Ucar:

„Über diesen staatlichen Religionsunterricht haben Sie die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auch auf Jugendliche und Kinder. Damit können Sie letztlich mittelbar und indirekt auch die Zukunft des Islams der Muslime beeinflussen. Und deshalb ist es von größter Bedeutung, dass man einen flächendeckenden, ordentlichen islamischen Religionsunterricht einführt, weil das sehr wichtig ist für die Anerkennung der Muslime in Deutschland, die das, was sie möglicherweise in ihren Familien und Gemeinden erlernen, auch kritisch hinterfragen können, das noch einmal reflektieren und vertiefen können in der staatlichen Schule. Darüber hinaus haben Sie Jugendliche, die sprachfähig sind, ausdrucksfähig sind und daher über ihre Religion kommunizieren können. Ich selbst hatte als Jugendlicher immer das Problem, bestimmte Begrifflichkeiten, die ich in meiner Religion in meiner Muttersprache Türkisch erlernt hatte, im Deutschen nicht übertragen zu können, und entsprechend war ich dann nicht sprachfähig. Sprechen erleichtert aber immer den Umgang miteinander.“
(rv 17.07.2009 ad)








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