Die Universität Osnabrück will künftig Imame ausbilden. Dazu will die Direktion ein
islamisch-theologisches Institut einrichten – es wäre das erste dieser Art an einer
deutschen Hochschule. Ab 2012 soll dort islamische Theologie auf Augenhöhe mit der
katholischen oder evangelischen gelehrt werden. Antje Dechert berichtet
„Ich
hab vor einigen Monaten an der katholischen Akademie in Stuttgart Innenminister Schäuble
gesagt, dass Theologen, insbesondere muslimische Theologen, nicht auf Bäumen wachsen,
sondern dass man diesbezüglich entsprechende Einrichtungen schaffen muss.“
Das
sagt Bülent Ucar. Er ist Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Osnabrück
und meint: Imamausbildung in Deutschland – das wäre ein wichtiger Schritt zur weiteren
Integration und Anerkennung der fast drei Millionen Muslime als gleichberechtigte
Bundesbürger. Auch meint er, der Islam in Deutschland braucht ein lebendiges religionswissenschaftliches
Fundament:
„Die Lehre wäre dann um ein Vielfaches reicher und wir hätten
dann in Deutschland nicht nur Hans Küngs im islamischen Bereich, sondern auch Ratzingers,
so dass dadurch auch letztlich ein innerer wissenschaftlicher Diskurs entstehen könnte
und würde, so dass es auch die Muslime auf wissenschaftlicher Ebene in Deutschland
voran bringt.“
Momentan werden Imame in der Regel aus den Herkunftsländern
nach Deutschland entsandt und, wie etwa im Fall der Türkei, quasi als Staatsbeamte
bezahlt. Das Problem: Gesellschaftliches Umfeld und Schwierigkeiten der Muslime in
Deutschland sind diesen Geistlichen oft fremd. Die Lösung wäre, religiöse Autoritäten
vor Ort auszubilden, sagt Bülent Ucar.
„Die Imame, die dann auch hier ausgebildet
werden, können dann auch letztlich, weil sie der deutschen Sprache mächtig sind, die
kulturellen Sensibilitäten kennen, die Geschichte des Landes kennen und auch viel
besser auf die Situation hier vor Ort reagieren.“
Das neue islamische Institut
will die Uni Osnabrück an der erziehungs- und kulturwissenschaftlichen Fakultät einrichten
- wie die evangelische und katholische Theologie. Was die zukünftigen Imame inhaltlich
eigentlich lernen sollen, dazu sollen alle relevanten islamischen Verbände an einem
runden Tisch ihre Meinung einbringen können. Diese vertreten allerdings in vielen
Punkten unterschiedliche Positionen. Auch gilt der Islam in Deutschland rechtlich
nicht als Religionsgemeinschaft. Argumente, die Politiker oft gegen die Gleichstellung
des Islam mit den Kirchen anführen – zu Unrecht, meint Ucar:
„Ich denke,
da muss man ein Stück aufeinander zugehen. Das deutsche Religionsverfassungsrecht
oder, wenn Sie so wollen, auch das deutsche Staatskirchenrecht, ist ja sehr flexibel
und anpassungsfähig. Ich glaube, dass es gar nicht an diesen rechtlichen Problemen
liegt, sondern dahinter stecken sehr häufig politische Sensibilitäten, gewisse Ängste
im Bezug auf den Islam, weshalb man auch auf politischer Seite sehr vorsichtig agiert.“
Langsam
aber scheint Bewegung in die Diskussion zu kommen. Deutsche Politiker erkennen: Die
geistliche Beheimatung der Muslime ist wichtig, und zwar gerade dann, wenn man extremistischen
Tendenzen entgegenwirken will. Erst in der vergangenen Woche hat das Bundesland NRW
angekündigt, einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht einzuführen
- eine wichtige Voraussetzung für Austausch und Integration, sagt Ucar:
„Über
diesen staatlichen Religionsunterricht haben Sie die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen
auch auf Jugendliche und Kinder. Damit können Sie letztlich mittelbar und indirekt
auch die Zukunft des Islams der Muslime beeinflussen. Und deshalb ist es von größter
Bedeutung, dass man einen flächendeckenden, ordentlichen islamischen Religionsunterricht
einführt, weil das sehr wichtig ist für die Anerkennung der Muslime in Deutschland,
die das, was sie möglicherweise in ihren Familien und Gemeinden erlernen, auch kritisch
hinterfragen können, das noch einmal reflektieren und vertiefen können in der staatlichen
Schule. Darüber hinaus haben Sie Jugendliche, die sprachfähig sind, ausdrucksfähig
sind und daher über ihre Religion kommunizieren können. Ich selbst hatte als Jugendlicher
immer das Problem, bestimmte Begrifflichkeiten, die ich in meiner Religion in meiner
Muttersprache Türkisch erlernt hatte, im Deutschen nicht übertragen zu können, und
entsprechend war ich dann nicht sprachfähig. Sprechen erleichtert aber immer den Umgang
miteinander.“ (rv 17.07.2009 ad)