Das neue Lehrschreiben
Papst Benedikts geht weit über Sachprobleme hinaus – es bezieht sich wie keine Sozialenzyklika
vor ihr auf den Menschen. Diese Analyse trifft der deutsche Vatikan-Kardinal Paul
Josef Cordes. Er ist Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ und damit etwas wie
„Caritas-Minister“ des Heiligen Stuhles. Papst Benedikt hebe sehr nachdrücklich hervor,
dass die Gesellschaft sich nur über „neue Menschen“ ändern kann, sagte Kardinal Cordes
dem Kölner Domradio.
„Es ist das erste Mal, dass eine Sozialenzyklika so
deutlich die Akteure, also die Menschen, die verändern sollen, in den Blick nimmt.
Es geht nicht nur um Veränderungen der Strukturen – diese Strukturen können ja nur
durch neue Menschen verändert werden. Früher hat die Soziallehre der Kirche immer
sehr die Sachprobleme in den Vordergrund gestellt, aber der Papst ist realistischer:
Wenn die Sachprobleme, wenn Armut, Krieg und Probleme der Bioethik inzwischen erkannt
sind, können sie nur bewältigt werden, wenn sich Menschen daran machen. Dieses Neue
ist ganz nachdrücklich der Appell an die Menschen guten Willens, diese Probleme in
Angriff zu nehmen.“
Dieser Appell stehe ganz klar unter dem Stichwort der
Caritas, der christlichen Nächstenliebe, so Cordes.
„Das bedeutet aber,
dass der Mensch diese Wahrheit nur erkennen und leben kann, wenn er sich erleuchten
lässt von der Liebe, die von Gott kommt. Die Enzyklika hat, vielleicht verstehen das
viele draußen in der Welt nicht, einen sehr geistlichen, sehr theologischen Aspekt.
Manchmal kommt es einem vor, dass hier eine Moraltheologie gemacht wird. Und das scheint
mir sehr realistisch. Man sollte nicht sagen, das hilft ja nichts, sondern man muss
im Gegenteil sagen: Erst dann, wenn Menschen andere Perspektiven und andere Impulse
bekommen, kann auch die Gesellschaft sich ändern. Das ist ein Appell an die Manager,
an die Politiker und auch an die Männer und Frauen der Kirche.“