2009-07-08 13:43:21

Vielfältige Reaktionen auf Sozial-Enzyklika


Aus aller Welt treffen in diesen Stunden Reaktionen auf die Sozial-Enzyklika von Papst Benedikt ein. Die US-Bischöfe sehen in dem Text, der am Dienstag veröffentlicht wurde, „eine Herausforderung an Unternehmen, Regierungen, Gewerkschaften und einzelne, ihre wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten neu zu ordnen“. Benedikt verweigere sich dem „üblichen Rechts-Links-Lagerdenken“ und fordere eine „neue Art, zu denken und zu handeln“, sagt der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Francis George. Die französischen Bischöfe lesen „Caritas in veritate“ als eine deutliche „Botschaft der Hoffnung“. „Die Menschheit hat die Aufgabe und auch die Mittel, um die Welt, in der wir leben, zu beherrschen“, so bringt es Kardinal André Vingt-Trois von Paris auf den Punkt. „Die Menschen sind nicht einer Fatalität ausgeliefert, sondern können diese Welt verändern und in den menschlichen Beziehungen Gerechtigkeit und Liebe voranbringen.“
Katholische Verbände für Entwicklungshilfe loben die Enzyklika als „starkes Signal“, dass „Wirtschaft sich nicht von moralischen und politischen Rahmenbedingungen loslösen darf“. Das schreibt der Dachverband der Organisationen, kurz CIDSE. „Profit ohne Moral, nur aufs Einzelinteresse gerichtet, hat zu furchtbaren Folgen geführt.“

Die Katholische Sozialakademie Österreichs in Wien würdigt die positive Grundstimmung der Enzyklika. Das Lehrschreiben bedeute auch „eine wichtige Bestätigung zivilgesellschaftlichen und ortskirchlichen Engagements“. Professoren der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München würdigen ein „wichtiges Dokument“ zur Globalisierung, sehen allerdings „thematische Lücken“. Die Enzyklika gehe zwar auf die Umweltzerstörung oder die Energieproblematik ein, erwähne den Klimawandel aber nur in einem Nebensatz. Dabei sei dieser für die Verbindung von Entwicklung und Gerechtigkeit doch von zentraler Bedeutung. Auch die Frage der „Gender-Gerechtigkeit“ komme in dem Papier nur indirekt vor: Dabei sei es entwicklungspolitisch sehr wichtig, die Rolle der Frauen zu stärken.

In Berlin sprach CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla von einem „sehr guten und wichtigen Beitrag in der Debatte über die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise“. Als weltumspannende Institution mit großer moralischer Autorität sei das Wort der Kirche „hierbei von großem Gewicht“. Er wünsche sich „eine breite Diskussion über die Enzyklika“.

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek Zeul (SPD) nennt die Sozialenzyklika „wichtig und bedeutungsvoll“. Sie sei dankbar für das Schreiben, das die zentralen Anliegen der Entwicklungspolitik aufnehme. Der Aufbau weise den Text als „entwicklungspolitische Enzyklika“ aus, die entscheidend zur Globalisierungs- und Gerechtigkeitsdebatte beitrage. Sie freue sich über diesen „entwicklungspolitischen Weckruf im Interesse der Menschen dieser Welt“.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, spricht von einem wegweisenden Dokument. Als Christ und Wirtschaftswissenschaftler freue ihn besonders „die äußerst
scharfsichtige und informierte Charakterisierung der Globalisierung“, sagte Walter in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur am Mittwoch. Anstatt diesen Prozess „wie andere zu verteufeln und sich in einer Einstellung a la 'Zugbrücke hoch' zu verbarrikadieren“, rufe der Papst zu einer aktiven Teilnahme auf. Er entwickele die katholische Soziallehre weiter, indem er die Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität etwa auf die Ausrichtung der Entwicklungshilfe übertrage, so Walter. Der Ruf nach einer „ethischen Erneuerung des Finanzwesens“ und einer Reform der Vereinten Nationen unterstreiche zudem den Anspruch der Kirche, auch weltliche Belange mitzugestalten.

Als erster leitender Geistlicher der evangelischen Kirche Deutschlands hat der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber die neue Papst-Enzyklika gewürdigt. Das Dokument besteche durch eine differenzierte Sicht auf die gegenwärtigen Herausforderungen und sei von einem Geist der Aufgeschlossenheit geprägt. Das erklärte der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Hannover. Das Papier könne als eine Kritik des Systems verstanden werden, das Entwicklungen wie die gegenwärtige Wirtschaftskrise nicht verhindere, so Weber. Es bestätige auch den Eindruck, dass die lutherische und die katholische Kirche mehr eine als trenne. Bedauerlich findet Weber hingegen, dass konkrete Hinweise zur Lösung der Probleme auf den Finanzmärkten fehlten. Zudem wäre vor dem Hintergrund des Streits um die Piusbrüder eine explizite Würdigung des Zweiten Vaticanums ein „politisch wünschenswertes Signal“ gewesen.
Der katholische Bischof von Limburg lobt das Timing der Enzyklika: Sie kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, glaubt Franz-Peter Tebartz-van Eltst. Auch am Finanzmarkt in Frankfurt – das zu seinem Bistum gehört - sei die Gefahr spürbar, im Vertrauen auf die Selbstregulierungskräfte der Märkte bereits das Ende der Krise auszurufen und „zur Tagesordnung überzugehen“.
„Ein Meilenstein zur rechten Zeit“ ist das Lehrschreiben aus Rom für den katholischen Sozialverband KKV. Es enthalte „viele Rezepte für eine bessere und machbare Weltwirtschaftsordnung“ und sei „eine Goldgrube der Wertvorstellungen, eine Lektüre, die in allen Chefetagen, in Manager-Lounges dieser Welt und in den Konferenzsälen des G8-Gipfels gelesen werden sollte." Papst und Kirche hätten damit eine Führungsposition in der dringend notwendigen Wertedebatte übernommen.

Nach Ansicht der Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano“ widerlegt „Caritas in veritate“ das Bild vom weltfremden Theologenpapst. Sie bestätige vielmehr, dass Benedikt XVI. als Theologe und Seelsorger die Gegenwart aufmerksam beobachte, schreibt Chefredakteur Giovanni Maria Vian in der Mittwochsausgabe des Blattes. Die Enzyklika sei ein hellhöriges soziales Kompendium, das sich auf der Höhe der Zeit befinde. Vian wendet sich gegen den Vorwurf, die Einstellung des Papstes gegenüber Globalisierung und Technisierung sei von vornherein pessimistisch. Benedikt XVI. teile allerdings auch keineswegs einen unverantwortlichen Optimismus.

Im Vatikan wurde am Mittwoch bekräftigt, dass der Papst dringend eine Reform der UNO wünscht. Allerdings gehe es ihm in seiner Enzyklika nicht darum, für eine solche Reform irgendwelche Vorgaben zu machen, betonte der Sekretär des Päpstlichen Friedensrates, Giampaolo Crepaldi, vor Journalisten. Dass die Vereinten Nationen eine Reform brauchten, werde übrigens von der Völkervereinigung selbst immer wieder gesagt.

(rv/kna/pm 08.07.2009 sk)







All the contents on this site are copyrighted ©.