Enzyklika „Die Liebe in der Wahrheit" – Zusammenfassung
„Die Liebe in der
Wahrheit, die Jesus Christus mit seinem irdischen Leben und vor allem mit seinem Tod
und seiner Auferstehung bezeugt hat, ist der hauptsächliche Antrieb für die wirkliche
Entwicklung eines jeden Menschen und der gesamten Menschheit.“ So beginnt die neue
Enzyklika von Papst Benedikt. Das Rundschreiben ist an die katholische Welt und an
alle Menschen guten Willens gerichtet. Hier die Zusammenfassung (in Klammern sind
die entsprechenden Absätze):
In der Einleitung erinnert der Papst daran,
dass die Liebe die wahre Lehrmeisterin der Soziallehre der Kirche ist. Auch
schreibt Benedikt, dass die Liebe und die Wahrheit zusammen gehören. Dazu warnt er:
„Ein Christentum der Liebe ohne Wahrheit kann leicht mit einem Vorrat an guten, für
das gesellschaftliche Leben nützlichen, aber nebensächlichen Gefühlen verwechselt
werden“. (1-4) Die Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens braucht die Wahrheit.
Ohne sie – so der Papst – wird das soziale Handeln ein Spiel privater Interessen und
Machtansprüche, mit zerstörerischen Folgen für die Gesellschaft. (5) Benedikt stützt
sich auf zwei Orientierungsmaßstäbe für das moralische Handeln. Diese Maßstäbe sind
die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl. Jeder Christ ist zur Liebe berufen. Das kann
durchaus auch durch einen institutionellen Weg geschehen. Diese Liebe hat nämlich
Einfluss auf das Leben der polis, des sozialen Lebens. (6-7). Die Kirche betont
aber, dass sie keine technischen Lösungen anbietet. Ihre Aufgabe ist es vielmehr,
die „Sendung der Wahrheit zu erfüllen". Das heißt, die Kirche setzt sich für eine
Gesellschaft ein, in der die Menschen als Maß gelten und in der ihre Würde und ihre
Berufung respektiert werden. (8-9)
Das erste Kapitel ist der Botschaft
der Enzyklika „Populorum progressio“ von Papst Paul VI. gewidmet. „Ohne die Aussicht
auf ein ewiges Leben fehlt dem menschlichen Fortschritt in dieser Welt der große Atem.“
Ohne Gott wird die Entwicklung geleugnet, „entmenschlicht“. (10-12) Paul VI. – so
liest man – betonte „die unabdingbare Rolle des Evangeliums für den Aufbau der Gesellschaft
im Sinne von Freiheit und Gerechtigkeit“ (13). In der Enzyklika „Humanae vitae“ zeigt
Papst Montini die „starken Verbindungen auf, die zwischen der Ethik des Lebens und
der Sozialethik“ bestehen. Auch heute betont die Kirche die Kraft dieser Verbindung.
(14-15) Papst Benedikt erklärt den Begriff der Berufung in „Populorum progressio“.
Entwicklung ist Berufung, denn sie geht aus einem „transzendenten Ruf“ hervor. Er
unterstreicht: die Entwicklung ist nur dann wirklich umfassend, wenn sie sich ausrichtet
auf die Förderung jedes Menschen und aller Menschen. Der christliche Glaube – so fügt
er an – „kümmert sich um die Entwicklung, ohne sich auf Privilegien oder auf Machtpositionen“
zu verlassen. „Der Glaube setzt vielmehr einzig auf Christus“ (16-18). Der Papst zeigt
auf: Die Gründe der Unterentwicklung sind nicht primär materieller Art. Sie liegen
vor allem am Denken, mehr noch am „Fehlen des brüderlichen Geistes unter den Menschen
und unter den Völkern“. „Die zunehmend globalisierte Gesellschaft macht uns zu Nachbarn,
aber nicht zu Geschwistern.“ Nötig ist also, dass man sich in Bewegung setzt, damit
„die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse zu wahrhaft menschlichen
Ergebnissen führen“. (19-20)
Im zweiten Kapitel betritt der Papst das
volle Leben der menschlichen Entwicklung unserer Zeit. Die ausschließliche
Ausrichtung auf Profit riskiert, wenn „sein Endzweck nicht das Allgemeinwohl ist,
Vermögen zu zerstören und Armut zu schaffen“. Benedikt zählt einige Verdrehungen der
Entwicklung auf: Eine hauptsächlich spekulative Finanzaktivität, bloß ausgelöste und
dann schlecht gemanagte Migrationsströme, sowie die ungeregelte Ausbeutung der Rohstoffe.
Angesichts solcher untereinander verbundenen Probleme fordert der Papst eine „neue
humanistische Synthese“. „Die Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu zu planen“ (21).
Dabei stellt er fest, dass die Entwicklung heute polyzentrisch ist.
Schaut
man die Weltordnung an, so fällt auf: In absoluten Zahlen wächst der Welt-Reichtum,
aber die Unterschiede mehren sich, es entsteht eine neue Armut. Korruption und ihre
Verurteilung gibt es in reichen und armen Ländern; manchmal respektieren große transnationale
Unternehmen die Rechte der Arbeiter nicht. Andererseits werden internationale Hilfen
oft verantwortungslos durch Geber und Empfänger von ihren Zielen entfremdet. Der Papst
klagt an: Reiche Länder praktizieren „übertriebene Formen des Wissensschutzes“, weil
sie das Recht auf geistiges Eigentum allzu streng auslegen, „speziell im medizinischen
Bereich.“ (22)
Nach dem Fall der Staatenblöcke hatte Papst Johannes Paul II.
eine „globale Neuplanung der Entwicklung“ gefordert. Das sei aber nur teilweise gemacht
worden. Heute haben wir es mit einem neuen internationalen Wirtschaftskontext zu tun,
Kapital und der Produktionsmittel sind mobiler. Deshalb regt der Papst eine „neue
Wertbestimmung der Rolle und der Macht der Staaten“ an. Und er prognostiziert für
diesen Fall eine stärkere Teilnahme derZivilgesellschaft an der nationalen
und internationalen Politik.
Dann richtet Benedikt seine Aufmerksamkeit
darauf, wie die Industrienationen die Produktion von Gütern in ärmere Länder verlagern.
Die Suche nach größeren Wettbewerbsvorteilen auf dem Weltmarkt sei freilich teuer
erkauft, nämlich mit einer „Reduzierung der Netze der sozialen Sicherheit“. Das bringe
„die Rechte der Arbeiter, die fundamentalen Menschenrechte und die in den traditionellen
Formen des Sozialstaates verwirklichte Solidarität in ernste Gefahr“. Und noch andere
Risiken sieht Benedikt für die Bürger: Die Systeme der sozialen Sicherheit „können
die Fähigkeit verlieren, ihre Aufgabe zu erfüllen“, und zwar sogar in den Industrienationen.
Gleichzeitig schränkten die Regierungen „aus Gründen des wirtschaftlichen Nutzens“
oft die gewerkschaftlichen Freiheiten ein.
Der Papst erinnert daher die Regierenden,
dass „das erste zu schützende und zu nutzende Kapital der Mensch ist, die Person in
ihrer Ganzheit.“ (23-25) Auf kultureller Ebene – so fährt er fort – eröffnen die Möglichkeit
der Interaktion neue Perspektiven für den Dialog, aber hier liegt eine doppelte Gefahr.
Zunächst ein kultureller Eklektizismus, in dem die Kulturen „im wesentlichen gleichwertig
und untereinander austauschbar betrachtet“ werden. Die entgegenstehende Gefahr ist
die „kulturelle Verflachung“, die „Vereinheitlichung der Lebensstile“ (26).
So
wendet er sich dem Skandal der Armut und des Hungers zu. Eine „langfristige Perspektive“
sei da gefragt, man müsse die strukturellen Ursachen beseitigen und die landwirtschaftliche
Entwicklung der ärmsten Länder fördern. Benedikt wünscht sich eine Agrarreform in
den Entwicklungsländern. Dabei befürwortet er nicht nur traditionelle Anbaumethoden,
sondern auch „innovativen landwirtschaftliche Produktionstechniken“, vorausgesetzt,
sie sind „zweckmäßig, umweltfreundlich und für die am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen
zuträglich“ (27).
Papst Benedikt unterstreicht, dass der Respekt vor dem Leben
auf keine Weise getrennt werden kann von der Entwicklung der Völker. Er macht darauf
aufmerksam, dass in einigen Teilen der Welt Geburtenkontrollen praktiziert werden,
die dahin führen, dass „die Abtreibung zur Verpflichtung wird“. Industrienationen
würden ihre geburtenfeindliche Mentalität dann gleichsam exportieren, so „als stelle
sie einen kulturellen Fortschritt dar“. Es bestehe auch der Verdacht, dass Entwicklungshilfe
mitunter „an bestimmte Formen der Gesundheitspolitik geknüpft wird, die de facto die
Auferlegung starker Geburtenkontrollen einschließen.“ Sorge erregen auch die „Gesetzgebungen,
die Euthanasie vorsehen.“ Wenn eine Gesellschaft „den Weg der Lebensverweigerung oder
-unterdrückung einschlägt, wird sie schließlich nicht mehr die nötigen Motivationen
und Energien finden, um sich für das wahre Wohl des Menschen einzusetzen“, so seine
Warnung (28).
Ein anderer Aspekt, der mit der Entwicklung zusammenhängt, ist
das Recht auf religiöse Freiheit. Der Papst schreibt: Gewalt bremst echte Entwicklung.
Das gilt besonders für „den Terrorismus auf fundamentalistischem Hintergrund“. Am
anderen Ende des Spektrums: Atheismus. Der schade der Entwicklung der Völker, „indem
er ihnen die geistlichen und humanen Ressourcen entzieht.“ (29) Benedikt fährt fort:
der Entwicklung dient die Interaktion verschiedener Ebenen des Wissens, die von der
Liebe harmonisiert werden. (30-31) Der Papst wünscht daher, dass die wirtschaftlichen
Entscheidungen weiterhin den Zugang zur Arbeit für alle als Priorität verfolgen. Benedikt
warnt vor einer Wirtschaft schneller und manchmal überschneller Ziele, die auf eine
Senkung des Niveaus der Arbeiterrechte hinauslaufen, um dem Land „größere internationale
Wettbewerbsfähigkeit“ zu verschaffen. Daher ermahnt er zu einer Korrektur des derzeitigen
Entwicklungsmodells - auch die „ökologische Gesundheit des Planeten“ rufe danach.
Und über die Globalisierung fügt der Papst an: „Ohne die Führung der Liebe in der
Wahrheit“ kann dieser weltweite Impuls dazu beitragen, „die Gefahr bisher ungekannter
Schäden und neuer Spaltungen in der Menschheitsfamilie heraufzubeschwören.“ Als Gegenmittel
empfiehlt der Papst „ein neues und kreatives Engagement“. Es gehe darum, „die Vernunft
auszuweiten und sie fähig zu machen, diese eindrucksvollen neuen Dynamiken zu erkennen
und auszurichten, indem man sie im Sinn jener „Kultur der Liebe“ beseelt, deren Samen
Gott in jedes Volk und in jede Kultur gelegt hat“. (32-33)
Brüderlichkeit,
wirtschaftliche Entwicklung und zivile Gesellschaft ist das Thema des dritten
Kapitels der Enzyklika. Es wird eröffnet von einem Lob auf die „staunenswerte
Erfahrung des Geschenks“. Zwar sei im Leben eines jeden Menschen die Unentgeltlichkeit
in vielerlei Formen gegenwärtig. Sie gerate aber oft aus dem Blickfeld inmitten einer
Weltsicht, die nur auf Produktion und Nutzen achte. Eine Überzeugung von der Unabhängigkeit
der Wirtschaft von moralischen Einflüssen – so der Papst – hat den Menschen dazu geführt,
das wirtschaftliche Instrument sogar in destruktiver Weise zu missbrauchen. Entwicklung
muss, wenn sie echt menschlich ist „der Logik des Geschenks“ Platz machen. (34) Das
gilt insbesondere für den Markt. Ohne Formen innerer Solidarität und gegenseitigen
Vertrauens, so seine Mahnung – „kann der Markt die ihm eigene wirtschaftliche Funktion
nicht vollkommen erfüllen“. Er unterstreicht: Der Markt kann nicht nur auf sich selbst
zählen, er muss seine moralischen Energien von anderen Subjekten beziehen. Er darf
die Armen nicht als „Last, sondern als Ressource“ sehen. Der Markt darf kein Ort der
Überwältigung des Armen durch den Reichen werden. Er fügt an: Die Marktlogik muss
„das Ziel haben, das Gemeinwohl zu verfolgen, für das auch und vor allem die politische
Gemeinschaft zuständig ist.“
Der Papst präzisiert: Der Markt ist von Natur
aus nichts Negatives. Verantwortlich also ist der Mensch, sein moralisches Gewissen
und seine Verantwortung. „Wie müssen in unserem Denken und Handeln zeigen“, so Benedikt,
dass die traditionellen sozialethischen Prinzipien - Transparenz, Ehrlichkeit, Verantwortung
– „nicht vernachlässigt oder geschwächt werden dürfen.“ Benedikt erinnert daran, dass
die Wirtschaft nicht die Rolle der Staaten eliminiert. „Gerechte Gesetze“ sind notwendig.
Er greift die Enzyklika „Centesimus annus“ auf und weist auf die Notwendigkeit eines
Systems von drei Subjekten hin: Markt, Staat und Zivilgesellschaft. Er ermutigt zu
einer „Zivilisierung der Wirtschaft“. Zwar gebe es „keinen Markt der Unentgeltlichkeit,
und eine Haltung der Unentgeltlichkeit kann nicht per Gesetz verordnet werden“. Dennoch
brauchen sowohl der Markt als auch die Politik „Menschen, die zur Hingabe aneinander
bereit sind“ (35-39). Die aktuelle Krise – so seine Anmerkung – braucht auch tiefgreifende
Änderungen für das Verständnis des Unternehmens. „Alte Formen der Unternehmertätigkeit
gehen ihrem Ende entgegen, dich am Horizont werden neue vielversprechende Formen sichtbar“.
Es darf nicht nur die Interessen der Eigentümer berücksichtigen, „sondern muss auch
auf die von allen anderen eingehen, die zum Leben des Unternehmens beitragen: die
Arbeitnehmer, die Kunden, die Zulieferer, die entsprechende Gemeinde“. Der Papst kritisiert
solche Manager, die nur auf die Wünsche der Aktionäre antworten. Er fordert dazu auf,
finanzielle Ressourcen nicht spekulativ einzusetzen (40-41).
Das Kapitel schließt
mit eine neuen Bewertung des Phänomens der Globalisierung. Sie soll nicht nur als
„sozioökonomischer Prozess“ gesehen werden. „Wir dürfen nicht Opfer sein, sondern
müssen Gestalter werden“, mahnt er, indem wir mit Vernunft vorgehen und „uns von der
Liebe und von der Wahrheit leiten lassen.“ Die Globalisierung mache „auf weltweiter
Ebene eine noch nie dagewesene große Neuverteilung des Reichtums möglich“. Freilich
dürfe die weltweite Ausbreitung des Wohlstands nicht „durch egoistische, protektionistische
und von Einzelinteressen geleitete Projekte gebremst“ werden. (42).
Das
vierte Kapitel entwickelt das Thema Entwicklung der Völker, Rechte und Pflichten,
Umwelt. Beobachtbar ist „die Beanspruchung des Rechts auf Überfluss“ in den reichen
Ländern, während in unterentwickelten Gegenden Nahrung, Trinkwasser, Schulbildung
oder medizinischer Grundversorgung fehlen. Hier werden, beklagt der Papst, Individualrechte
von ihrem Standort verrückt, weil sie „von einem sinngebenden Rahmen von Pflichten
losgelöst sind“. Rechte und Pflichten sind an einen ethischen Rahmen gebunden. Wenn
sie aber „ihr Fundament allein in den Beschlüssen einer Bürgerversammlung finden,
können sie jederzeit geändert werden“. Deshalb dürften Regierungen und internationale
Organisationen nicht vergessen, dass Rechte objektiv und unverfügbar sind (43).
In
diesem Zusammenhang spricht der Papst von den problematischen Verbindungen mit der
demographischen Entwicklung. Es ist unkorrekt – sagt der Papst – „in der Bevölkerungszunahme
die Hauptursache der Unterentwicklung zu sehen“. Er betont, dass man die Sexualität
nicht reduzieren kann „auf hedonistische und spielerische Handlung“. Man kann auch
die Sexualität mit materialistischen Politiken regulieren, mit einer „erzwungenen
Geburtenplanung“. Doch der Papst pocht darauf: „Die moralisch verantwortungsvolle
Offenheit für das Leben ist ein sozialer und wirtschaftlicher Reichtum.“ Heutzutage
sei es zu einer sozialen und sogar ökonomischen Notwendigkeit geworden, „den jungen
Generationen wieder die Schönheit der Familie und der Ehe vor Augen zu stellen“. Deshalb
ruft der Papst die Staaten dazu auf, Familien auch finanziell zu fördern. (44)
„Die
Wirtschaft – so der Papst – braucht für ihr korrektes Funktionieren Ethik, „nicht
irgendeine Ethik, sondern eine menschenfreundliche Ethik“. Die Zentralität der
Person muss Leitprinzip sein in den Maßnahmen für Entwicklung der internationalen
Zusammenarbeit, die immer die Nutznießer einbeziehen müssen. „Die internationalen
Organismen müssten „nach der Wirksamkeit ihrer oft viel zu kostspieligen bürokratischen
Verwaltungsapparate“ fragen. Sie seien oft zu teuer. Es komme vor, dass die Armen
dazu dienen, teure bürokratische Organisationen am Leben zu erhalten. Von daher die
Mahnung zu einer „größeren Transparenz“ über die erhaltenen Mittel (45-47).
Die
letzten Absätze des Kapitels sind der Umwelt gewidmet. Für den Gläubigen ist die
Natur ein Geschenk Gottes, das man verantwortlich nutzen muss. Auf diesem Hintergrund
spricht der Papst dann von den Problemen der Energie. „Das Aufkaufen der nicht erneuerbaren
Energiequellen“ durch Staaten oder Unternehmen ist „ein schwerwiegendes Hindernis
für die Entwicklung der armen Länder“. Die internationale Gemeinschaft muss daher
Wege finden, um die Ausbeutung der nicht erneuerbaren Ressourcen zu zügeln, und zwar
unter Einbeziehung der armen Länder, um mit ihnen gemeinsam die Zukunft zu planen.
Die technologisch fortgeschrittenen Gesellschaften „können und müssen ihren Energiebedarf
verringern“, sagt der Papst. Gleichzeitig muss die Suche nach alternativen Energien
voranschreiten. Die Gesellschaft müsse ernsthaft ihren Lebensstil überprüfen, „der
in vielen Teilen der Welt zum Hedonismus und Konsumismus neigt“, ein „tatsächlicher
Gesinnungswandel“ ist da nötig. Das wirklich entscheidende Problem ist „das moralische
Verhalten der Gesellschaft“. Der Papst schreibt: Wenn man das Lebensrecht und das
Recht auf einen natürlichen Tod nicht respektiert, „wenn Schwangerschaft und Geburt
des Menschen auf künstlichem Weg erfolgen, wenn Embryonen für die Forschung geopfert
werden, verschwindet schließlich der Begriff Humanökologie und mit ihm der Begriff
der Umweltökologie aus dem allgemeinen Bewusstsein.“ (48-52)
Die Zusammenarbeit
der Menschheitsfamilie, also der Völker,ist das Herzstück des fünften
Kapitels. In ihm zeigt Benedikt, dass die Entwicklung der Völker vor allem davon
abhängt, „sich als eine einzige Familie zu erkennen“, die in einer echten Gemeinschaft
zusammenarbeitet und von Subjekten gebildet wird, die nicht einfach nebeneinander
leben.“ Stichwort Religionsfreiheit: Das Christentum und die anderen Religionen könnten
ihren Beitrag zur Entwicklung nur dann leisten, wenn Gott auch im öffentlichen Bereich
Platz findet. Im Laizismus und im Fundamentalismus geht die Möglichkeit eines fruchtbaren
Dialogs zwischen Vernunft und Glauben verloren. Das ist ein Bruch, der einen sehr
hohen Preis für die menschliche Entwicklung bedeutet. (53-56)
Der Papst bezieht
sich dann auf das Prinzip der Subsidiarität. „Die Subsidiarität ist vor allem eine
Hilfe für die Person durch die Autonomie der mittleren Gruppen und Verbände.“ Sie
ist geeignet, die Globalisierung zu humanisieren. Internationale Hilfen können „ein
Volk manchmal in Abhängigkeit halten“, daher müssen die Subjekte der Zivilgesellschaft
einbezogen werden und nicht nur die Regierungen. Allzu häufig würden Hilfen nur gegeben,
um Randmärkte für Produkte von Entwicklungsländern zu schaffen. (57-58) Der Papst
ermahnt dann die reichen Staaten, „höhere Sätze ihres Bruttoinlandprodukts für die
Entwicklungshilfe bereitzustellen.“ Er wünscht einen besseren Zugang zum Unterricht
und noch viel mehr zur umfassenden Heranbildung der Menschen. Er fügt an: „Wenn man
einem solchen Relativismus nachgibt, werden alle ärmer, was negative Auswirkungen
auch auf die Wirksamkeit der Hilfe für die notleidenden Völker hat, die nicht nur
der wirtschaftlichen und technischen Mittel bedürfen, sondern auch pädagogische Möglichkeiten
und Mittel brauchen, die die Personen in ihrer vollen menschlichen Verwirklichung
unterstützen.“ Ein perverses Beispiel dafür ist der Sex-Tourismus. Es ist schmerzlich,
festzustellen, dass dieser sich oft der lokalen Regierungen bedient – unter dem Schweigen
der Regierungen, woher die Touristen kommen und in Mitschuld vieler, die in diesem
Sektor mitarbeiten (59-61)
Der Papst befasst sich dann mit dem Phänomen der
Migration. „Kein Land kann sich allein dazu imstande sehen, den Migrationsproblemen
unserer Zeit zu begegnen. Wir alle sind Zeugen der Last an Leid, Entbehrung und Hoffnung,
die mit den Migrationsströmen einhergeht.“ Der Papst verlangt, dass die auswärtigen
Arbeiter nicht als Ware angesehen werden. Er verdeutlicht den direkten Zusammenhang
zwischen Armut und Arbeitslosigkeit. Er fordert würdige Arbeit für alle und lädt die
Gewerkschaften ein, ihren Blick auf die Arbeiter zu richten, wo die sozialen Rechte
verletzt werden. (62-64)
Die Finanzwirtschaft soll – nach ihrem schlechten
Gebrauch, der die reale Wirtschaft geschadet hat – dahin zurückkehren, ein Instrument
mit dem Ziel der Entwicklung zu sein. Der Papst unterstreicht: „Die Finanzmakler müssen
die eigentlich ethische Grundlage ihrer Tätigkeit wieder entdecken, um nicht jene
hoch entwickelten Instrumente zu missbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer
zu betrügen.“ (65-66)
Den letzten Abschnitt des Kapitels widmet der Papst der
Reform der UNO und der „wirtschaftlichen und finanziellen internationalen Architektur“.
Er verlangt eine „echte politische Weltautorität“, die sich „von den Werten der Liebe
in der Wahrheit inspirieren lässt“. Darüber hinaus muss diese internationale Autorität
„von allen anerkannt sein, über wirksame Macht verfügen, um für jeden Sicherheit,
Wahrung der Gerechtigkeit und Achtung der Rechte zu gewährleisten.“
Das sechste
und letzte Kapitel ist zentriert auf das Thema Entwicklung der Völker und die
Technik. Der Papst warnt vor der prometheischen Annahme. Der zufolge verkommt
die Entwicklung des Menschen, „ wenn er sich anmaßt, sein eigener und einziger Hervorbringer
zu sein.“ Technik kann keine absolute Freiheit haben. (68-72). Zusammen mit der technologischen
Entwicklung sind die Kommunikationsmittel berufen, die Würde der menschlichen Person
und der Völker zu fördern. (73)
Vordringliches Feld des kulturellen Kampfes
zwischen dem Absolutheitsanspruch der Technik und der moralischen Verantwortung des
Menschen ist heute das Feld der Bio-Ethik. Die Embryonenforschung, das Klonen, – so
die Klage des Papstes – werden von der aktuellen Kultur gefördert, die meint, sie
habe jedes Geheimnis gelüftet. Den Papst erschreckt eine „systematische eugenische
Geburtenplanung“ (74-75). Er unterstreicht, dass der Fortschritt nicht beim Materiellen
stehen bleiben darf, sondern ebenso „ein geistig-geistliches Wachstum umfassen muss“,
weil der Mensch eine „Einheit aus Seele und Leib“ ist“. (76-77).
Im Schlussteil
der Enzyklika unterstreicht der Papst, dass die Entwicklung Christen braucht, „die
die Arme zu Gott erheben“ in Liebe und Vergebung, in Selbstverzicht, in Annahme des
Nächsten, in Gerechtigkeit und Frieden (78-79).