Die neue Enzyklika - Eine Einführung von Pater von Gemmingen
Das lang erwartete
dritte Rundschreiben von Papst Benedikt über soziale Fragen steht unter dem Titel
„Caritas in veritate“. Dies bedeutet: Es geht zwar um die Liebe, um Nächstenliebe,
aber keine nur gemütvolle oder gar blinde, sondern um erleuchtete Liebe, das heißt
Gerechtigkeit und Wahrheit. Der Papst spricht damit nicht nur Katholiken an, sondern
alle denkbereiten Menschen guten Willens. Daher heißt es im Titel weiter „über die
ganzheitliche Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit.“ Die
Enzyklika wird absichtlich am Vorabend des G8-Gipfels in L' Aquila veröffentlicht.
Das ist gewollt. Der Papst will gleichsam als Vordenker den Pragmatikern sagen, warum
die Weltwirtschaft ins Trudeln kam. Er sagt: Wenn wir den Menschen nur als Produktions-
und Konsum-Maschine ansehen, geht die Geschichte daneben. Menschen wollen mehr als
Essen und Trinken, sie suchen auch Respekt, Gerechtigkeit, Frieden. Wenn wir unser
Menschenbild korrigieren, dann wird der Marktplatz der Welt wieder funktionieren.
Nur wenn wir Ja zum Leben und zum Menschen sagen, bringen wir die Ökologie des Menschen
in Ordnung und unsere Umwelt. Egoistische Menschen machen Markt und Umwelt kaputt.
Am Gemeinwohl orientierte Menschen bringen auch die Welt in Ordnung. Der Papst
glaubt an die Vernunft des Menschen und zitiert dazu weder Kant noch Hegel, weder
Karl Marx noch Ludwig Erhard, er zitiert ausschließlichSozialschreiben seiner Vorgänger
Johannes XXIII. mit „Pacem in terris“, Paul VI. mit „Populorum progressio“, und vor
allem mehrere Schreiben von Johannes Paul II. Nun geht es um Caritas aber nicht als
Gefühl oder Wohltätigkeit, sondern als Gerechtigkeit in voller Wahrheit. Es geht um
die Wahrheit des Menschen. Caritas in veritate.