Italien/D: G8-Politiker treffen auf „harte Realität“
Die Ärmsten der Armen
sollen beim Treffen der wichtigsten Industrienationen diese Woche nicht vergessen
werden. Dazu haben Kirchen und Hilfsorganisationen aufgerufen. Ursprünglich sollte
der G8-Gipfel vom 8. bis 10. Juli auf der luxuriösen Insel La Maddalena vor Sardinien
stattfinden. Nach dem verheerenden Erdbeben in den mittelitalienischen Abruzzen verlegte
die italienische G8-Präsidentschaft das Politikertreffen nach L’Aquila. Über die Folgen
der Wirtschaftskrise, über Klimawandel und Terrorschutz beraten die wichtigsten Industrienationen
gemeinsam mit UNO-Vertretern und Delegationen aus Afrika und Asien nun in einer Kaserne
der Finanzpolizei. Zeltstädte für die Erdbebenopfer liegen in Sichtweite, auf dem
Exerzierplatz der Kaserne sprach vor rund zwei Monaten der Papst, am Karfreitag feierte
der Kardinalstaatssekretär hier das Requiem für knapp 300 Todesopfer, die Bilder der
aufgereihten Särge gingen um die Welt.
Welchen Einfluss hat dieser Ortswechsel
auf die Beratungen? Der deutsche Botschafter in Italien, Michael Steiner:
„Selbst
wenn das Erdbeben nicht stattgefunden hätte, hätte man sich in der globalen Krise,
die wir gegenwärtig erleben, fragen können: Ein Gipfel auf Luxusschiffen, passt der
eigentlich in eine derartige globale Situation? Jetzt kam dieses Erdbeben hinzu. Ich
glaube, es ist sicherlich sinnvoll, dass man mit der Verlegung des Gipfels nach L’Aquila
nicht nur die Solidarität von außen zum Ausdruck bringt, sondern darüber hinaus die
Chance nutzt, aus diesen Gipfeln, die doch ein bisschen zu glamourös geworden sind,
wirklich wieder nüchterne Arbeitssitzungen zu machen. Ich persönlich glaube, der Gipfel
kann dadurch, dass er hier nahe an der bitteren Realität stattfindet, nur gewinnen.“
In
der Nacht vom 5. auf den 6. April, vor genau drei Monaten also, erschütterte das Beben
der Stärke 6,3 auf der Richterskala Mittelitalien. Das Epizentrum lag im Gebiet nördlich
der Abruzzen-Hauptstadt L'Aquila in etwa fünf Kilometern Tiefe. L’Aquilas Vorort Onna
wurde zum Symbolort der betroffenen Region, zu 95 Prozent zerstört, mehr als 40 Einwohner
starben, rund 300 verloren ihr Zuhause. Das Dorf ist auf tragische Weise mit Deutschland
verbunden. Im Juni 1944 hatte die Wehrmacht im Zuge des Rückzugs in Onna 17 unschuldige
Zivilisten erschossen und mehrere Häuser gesprengt. Deutschland will daher seine Wiederaufbauhilfe
für die Erdbebenregion auf Onna konzentrieren. Drei Millionen für den Aufbau der Kirche
sind bereits vom Bundestag beschlossen. Am Mittwochvormittag, kurz vor der Eröffnung
der Beratungen in L’Aquila, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel Onna besuchen.
„Das
ist eine Botschaft der deutsch-italienischen Solidarität. Frau Merkel hat eine wichtige
Regierungserklärung zum G8-Gipfel in einer Beschreibung dieser Solidarität am Beispiel
von Onna gipfeln lassen. Das finde ich schon bemerkenswert. Sie manifestiert diese
Solidarität. Was wir uns vorgenommen hatten und worauf wir hofften, war, dass wir
es trotz all des Unglücks erreichen können, Geschichte zu verwandeln. Ich glaube,
das kann gelingen. Ich denke, die Kirche ist für die Menschen, die sehr religiös sind,
sowieso notwendig. Aber darüber hinaus ist die Kirche auch ein Symbol dafür, dass
es weiter geht, dass dieser Ort nicht untergeht, dass Onna auch wieder auferstehen
wird – das kann man daran festmachen. Die Kirche wiederaufzubauen, wird viel Geld
und Energie kosten. Das macht nur Sinn, wenn man auch den Ort ringsherum wieder aufbaut.
Das wissen die Menschen. Insofern ist es ein ganz entscheidendes Signal. Die Diözese
Rottweil und die hiesige Diözese werden zusammenarbeiten. Sie sind die eigentlichen
Bauherren und die Bundesregierung wird das Projekt finanzieren. Das Entscheidende
ist aber, wie gesagt, dass dies ein manifestes Zeichen ist. Das brauchen die Menschen,
sie brauchen wieder Vertrauen in die Zukunft.“