Pünktlich zum Abschluss
des Paulusjahres wurde die Paulinische Kapelle im Apostolischen Palast frisch restauriert
der Öffentlichkeit präsentiert. Errichtet von Papst Paul III., ist sie eine der drei
Privatkapellen der Päpste, und künstlerisch herausragend daran sind zwei große Fresken
von Michelangelo – die letzten, die der Meister malte. Michelangelo stellte in der
Cappella Paolina die Bekehrung des Paulus und die Kreuzigung des Petrus dar. Erst
kurz davor hatte der Künstler in der Sixtina, die nur wenige Schritte entfernt liegt,
das Jüngste Gericht vollendet. Die Fresken in den beiden Kapellen unterscheiden sich
sehr voneinander, erklärt Arnold Nesselrath, Abteilungsleiter an den Vatikanischen
Museen und künstlerischer Verantwortlicher für die Restaurierung,
„In der
Sixtina haben wir die diese Vision, die in den Himmel schaut, und hier haben wir zwei
Geschichten, die illustriert werden. Wir schauen auf diese beiden Hügel, das ist vom
Kompositorischen her ganz anders, und das geht bis hin in die Technik, bis in die
Benutzung der secco-Technik. Dann ist es eine Zeit, in der Michelangelos Leben sehr
bewegt ist, sei es durch die Unwilligkeit, hier zu malen, sei es durch die Krankheit,
die ihn befällt und die ihm den Tod sehr nahe bringt, sei es durch die anderen Aufträge,
die er bekommt – sodass die Fresken in sich technisch sehr heterogen ausgeführt sind.
Das alles hat natürlich zur Schwierigkeit der Restaurierung beigetragen.“
Bis
zu 20 Restaurateure arbeiteten in den vergangenen fünf Jahren Seite an Seite in der
Paulinischen Kapelle. Es war es eine der umfangreichsten und schwierigsten Restaurierungen,
die im Vatikan jemals durchgeführt wurden – schwieriger als damals bei der Sixtina,
erklärt Nesselrath:
„weil vom Originalzustand von Paul III., der die Kapelle
ja errichtet hat, nur die beiden Michelangelo-Fresken noch übrig sind. Alles andere
ist verändert worden, selbst die Pilaster sind stuckiert und kannelliert worden, es
gibt ein neues Gewölbe. Die Kapelle ist eine Geschichte der Päpste, und wir mussten
einen Raum präsentieren, der historisch glaubwürdig ist, technisch korrekt bearbeitet
und ästhetisch den Anforderungen standhält, denn der Heilige Vater wird die Kapelle
ja als eine der drei Papstkapellen jetzt wieder benutzen.“
Am kommenden
Samstag wird Benedikt XVI. mit einem Vespergottesdienst die Paulinische Kapelle nach
ihrer Restaurierung wieder ihrer liturgischen Bestimmung übergeben. Der Altar, an
dem er feiern wird, ist nicht mehr der moderne von Paul VI., der ab 1975 in der Kapelle
stand. In der Frage des Altars und der Zelebrationsrichtung kam es zu einem Kompromiss,
erklärt Bischof Paolo de Nicolo von der Präfektur des Päpstlichen Hauses – auf ihn
geht die Lösung zurück, die Benedikt XVI. letztlich wählte:
„Diese Kapelle
ist zur Verehrung der Eucharistie gemacht. Hätten wir den Altar nun ganz an die Wand
gerückt, so wäre der Zugang zum Tabernakel mühsam gewesen, denn der Altar, der den
Priester vom Tabernakel trennt, ist ziemlich breit. Als der Heilige Vater das bei
einem Lokalaugenschein im Februar des Jahres sah, sagte er, da müssen wir vorrangig
für die Zugänglichkeit des Tabernakels sorgen. Und er sagte: nun, wir können die Heilige
Messe zum Kreuz hin zelebrieren, versus populum. Außerdem, sagte der Papst, muss der
Altar umschreitbar sein, damit man ihn bei der Ehrung mit Weihrauch umkreisen kann.“
Der Altar in der Paulinischen Kapelle hat insgesamt eine wechselvolle
Vergangenheit. Der Kunsthistoriker Arnold Nesselrath:
„Die Apsis ist bereits
nicht mehr ursprünglich, sondern Anfang des 17. Jahrhunderts erneuert worden, folglich
auch der Altar. Wir können also nur von einem Altar des Pontifikates von Paul V. ausgehen,
der aber Elemente aus dem abgebrochenen Altar aus der Zeit Gregors XIII. – also von
der Zeit rund um 1775 -1580, wiederverwendet hat. Dieser Altar ist aber auch nicht
auf uns gekommen. Was wir heute sehen, stammt aus der Zeit von Gregor XVI., also vom
beginn des 19. Jahrhunderts. Die Mensa ist dann unter Leo XIII. und nochmals unter
Pius XII. verändert worden. Dann hat Paul VI. hier einen ganz modernen Altar eingebaut,
der jetzt wieder entfernt worden ist. Der Papst hat entschieden, dass die Mensa, die
hier bis 1975 gestanden hat, wieder aufgestellt werden sollte, aber nicht an der Wand,
sondern abgerückt, sodass man um den Altar herumgehen kann und er für jede Liturgie
offen ist.“
Die Michelangelo-Fresken mit den Sujets der Apostel Petrus
und Paulus wurden der „düsteren Patina des 19. Jahrhunderts“ entkleidet. Nach der
gründlichen Reinigung zeigen sich die für Michelangelo typischen kräftigen Farben
und die enorme Ausdruckskraft seiner Gesichter und Gestalten. Auf der linken Seite
der Kapelle ist Paulus dargestellt, der vom Strahl Gottes getroffen vom sich aufbäumenden
Pferd stürzt. Rechts nageln Henker unter Aufsicht römischer Soldaten den Apostel Petrus
auf sein kopfstehendes Kreuz. Petrus sieht den Betrachter mit einem gequälten und
fragenden Blick von unten an. Es ist schwierig, in diesen Fresken den „unzufriedenen
Michelangelo“ zu erkennen, als der er selbst sich in einem Brief jener Zeit darstellte,
sagt Maurizio de Luca, der erfahrenste Restaurator der Vatikanischen Museen.
„Ich
kann Papst Paul nichts abschlagen, aber ich mache die Sachen unzufrieden, schreibt
er – aber das ist nicht wahr. Michelangelo erreicht immer Außergewöhnliches. Er nutzt
die ganze Bandbreite der Wandmalerei - Fresco, Halbfresko, Secco. Wir sehen, dass
einige giornate, also Tagwerke, seltsam sind. Normalerweise folgen giornate den Konturen
der Figuren. Hier nicht! Hier sind sie kreuz und quer. Michelangelo brauchte vier
Jahre für das erste und vier Jahre für das zweite Fresko. In der Sixtina hatte er
einzelne Lünetten in drei TAGEN gemalt, und eine Lünette ist halb so groß wie diese
beiden Fresken!“
Michelangelo war bereits 67 Jahre alt, als er Fresken
in der Cappella Paolina in Angriff nahm. Aber sein langsames Arbeitstempo war nicht
bloß eine Frage des Alters, glaubt de Luca, der Michelangelo in den vergangenen fünf
Jahren buchstäblich unter den Händen hatte.
„Ich habe einen neuen Michelangelo
vorgefunden, nicht neu in der Technik, sondern neu im Impetus, in der Komposition,
in der Freiheit. Wir haben die Tagewerke genau studiert und auf diese Art die letzten
Pinselstriche Michelangelos entdeckt. Es sind die Wundpunkte an den Füßen des Petrus.“
3.250.000 Euro kostete die Restaurierung der Paulinischen
Kapelle. Ein erklecklicher Teil davon stammt von den „Patrons of the Arts“, einem
1982 gegründeten Freundeskreis der Vatikanischen Museen, der sich in erster Linie
aus US-amerikanischen Sponsoren rekrutiert. Den „Patrons“ und dem Interesse des vatikanischen
Governatorates ist es auch zu danken, dass die Restaurierung zeitgerecht abgeschlossen
werden konnte. (rv 30.06.2009 gs)