Vatikan/Israel: Botschafter, "Pius XII. kein Held, kein Übeltäter"
Pius XII. als “Hitlers
Papst“ zu bezeichnen, ist historisch falsch. Das sagte Israels Botschafter beim Heiligen
Stuhl, Mordechay Lewy, in einem längeren Interview der US-Zeitung „Boston Globe“.
Allerdings habe die Sorge des Weltkriegs-Papstes in erster Linie dem Heil der Katholiken
gegolten, nicht dem der Juden. Dies sei freilich die Linie der vorkonziliaren Kirche
gewesen, und das Problem sei, dass man Pius XII. heute aus „postkonziliarer Sicht“
betrachte, so der israelische Botschafter.
„Historisch gesehen war der Papst,
denke ich, weder ein Held noch ein Übeltäter“, zitiert die Zeitung den jüdischen Diplomaten.
Fraglos habe sich Pius für verfolgte Juden eingesetzt. „Jeder, der die Geschichte
der römischen Juden kennt, weiß, dass sie sich in Kirchen, Klöstern und im Vatikan
versteckten.“ Gleichzeitig sei Pius „sehr, sehr schüchtern“ gewesen, ein Diplomat
und Befürworter der Neutralität, was für ihn Vertrauen in eine „stille Diplomatie“
bedeutet habe. Schon Papst Benedikt XV., Pacellis politischer Lehrer, habe sich im
Ersten Weltkrieg zur Neutralität bekannt und sei mit allen im Gespräch geblieben,
um in Friedensverhandlungen und humanitäre Hilfsaktionen miteinbezogen zu werden.
Pius habe dieselbe Einstellung für den Zweiten Weltkrieg gewählt. „Er schätzte die
Lage vollkommen verkehrt ein, und dafür kann er nicht verantwortlich gemacht werden“,
sagte der israelische Botschafter.
Die Frage der Seligsprechung des Pacelli-Papstes
sei, so Lewy wörtlich, „nicht unsere Sorge“. Die Kurie befürwortet seiner Einschätzung
nach die Seligsprechung, weil Pacelli Diplomat war. Israel würde sich vielmehr um
die historische Rolle Pius XII. sorgen. Diese Frage ist seiner Meinung nach „vorsätzlich,
aber zu Unrecht, mit der Seligsprechung kombiniert“ worden.
Der Aufhebung
der Exkommunikation für die vier Bischöfe der Piusbruderschaft kann der israelische
Botschafter zum Teil eine positive Seite abgewinnen. „Es wurde klar gesagt, dass jemand,
der den Holocaust leugnet, kein Amt als Bischof in der katholischen Kirche haben kann.
Jetzt sind die Vorgaben klar.“ Den Besuch Papst Benedikts in Israel bewertet Lewy
als „zweifelsfreien Erfolg“. Er würdigte in dem Interview auch die Rede des Papstes
in der Holcaust-Gedenkstätte Yad Vashem.“ (adnkronos 22.06.2009 gs)