Bei den Protesten
im Iran gegen das verfälschte Wahlergebnis kam lang aufgestaute Wut auch religiöser
Minderheiten zum Ausbruch. Das glaubt der Iran-Fachmann des katholischen Hilfswerks
„Kirche in Not“, Berthold Pelster. Dass es tatsächlich zu Unregelmäßigkeiten bei der
Wahl kam, hat der mächtige iranische „Wächterrat“ nun eingeräumt. In 50 Städten habe
es mehr Wähler als Wahlberechtigte gegeben, es gehe um drei Millionen Stimmen. Nach
den Ausschreitungen vom Wochenende ist die Lage derzeit gespannt, aber nach außen
hin ruhig. Mindestens zehn Menschen starben am Samstag, Hunderte weitere wurden verletzt
und mehr als 450 festgenommen. Die Menschen in Teheran und anderen iranischen Städten
demonstrierten unter Lebensgefahr für Reformen in ihrem Land, in die auch die dort
lebenden Minderheiten große Hoffnungen setzen. Berthold Pelster:
"Der Iran
ist ja im Grund ein Vielvölkerstaat. In den letzten Jahren unter Ahmadinedschad ist
versucht worden, diesen Staat umzuformen in einen religiösen Staat, in eine Theokratie.
Leitlinie dafür ist der schiitische Islam. Aber wenn man weiß, dass es eine sunnitische
Minderheit im Iran gibt, dass es christliche Minderheiten gibt, dass es die große
Minderheit der Bahai gibt, die alle mehr oder weniger benachteiligt oder zum Teil
auch blutig unterdrückt und verfolgt werden, wird klar, dass die Minderheiten mit
dieser Islamisierungspolitik nicht einverstanden sein können."
In den Ausschreitungen
zeigt sich, dass der Wächterrat im Moment das Sagen im Land hat. Eine Einrichtung,
die schon in der Vergangenheit ein Übel für Minderheiten war.
„Der Wächterrat
ist ein schönes Beispiel, dass es um einen religiösen Staat geht. Genauer gesagt um
einen religiösen Überwachungsstaat. Es gibt zwar demokratische Strukturen, es gibt
Wahlen, aber das oberste Sagen hat der Wächterrat. In ihm sitzen muslimische Richter
und zum Teil auch einige weltliche Richter. Sie haben darüber zu bestimmen, welche
Gesetze Wirkung erlangen und welche nicht. Alle Gesetze, die das iranische Parlament
beschließt, müssen den islamischen Grundsätzen genügen. Das hat natürlich Auswirkungen
für die Christen.“
Ein scharfer Verstoß gegen die Religionsfreiheit ist
beispielsweise die alarmierende Gesetzesinitiative vom vergangenen September, die
eine Abwendung vom schiitischen Islam mit schwersten Strafen ahndet. Kirche in Not
zweifelt nicht daran, dass der Wächterrat diese Gesetzesinitiative durchwinken wird.
„Religionswechsel soll vom Staat unterbunden werden. Die Strafen für die
Abwendung vom Islam soll verschärft werden, nämlich mit dem Tod für Männer, und für
Frauen mit lebenslanger Haft. Dieses Gesetz ist bisher vom Wächterrat noch nicht abgesegnet
worden, aber es ist damit zu rechnen, dass das geschehen wird.“ (rv 22.06.2009
gs)