D: Gesetz zu Patientenverfügungen – Reaktionen gemischt
Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag ein Gesetz zu Patientenverfügungen beschlossen.
Nach einer – wie die Deutsche Bischofskonferenz urteilt - „langjährigen, ernsthaften
und verantwortungsvollen Debatte“ bekam die Vorlage eines SPD-Abgeordneten eine Mehrheit.
Das neue Gesetz regelt unter anderem den Fall, was passiert, wenn ein Patient nicht
– oder nicht mehr – zu einer deutlichen Willensäußerung fähig ist. In diesem Fall
soll das, was er in seiner Patientenverfügung schriftlich fixiert hat, gelten, als
wäre es auch jetzt sein aktueller Wille.
Die Reaktionen auf das neue Gesetz
sind gemischt; Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) begrüßt die endlich erreichte
„Rechtssicherheit“. Die Deutsche Bischofskonferenz kritisiert hingegen die aus ihrer
Sicht „einseitige Betonung der Selbstbestimmung des Patienten“. Das neue Gesetz berge
die Gefahr eines Automatismus: Ein möglicherweise zu gesunden Zeiten vorab geäußerter
Wille dürfe nicht mit dem Willen eines sterbenskranken und nicht mehr äußerungsfähigen
Menschen gleichgesetzt werden, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof
Robert Zollitsch. Man solle auch künftig genau prüfen, ob die vorab verfasste Patientenverfügung
wirklich dem aktuellen Willen des Schwerstkranken entspreche und seiner individuellen
Krankheits- und Sterbesituation gerecht werde. „Nochmals betonen wir, dass Patienten
im Wachkoma und Patienten mit schwerster Demenz sich nicht in der Sterbephase befinden.“
Der Erzbischof warb aber gleichzeitig für die Abfassung einer Patientenverfügung.
Skeptisch äußerte sich auch die Deutsche Hospiz Stiftung: Ein Gesetz sei besser
als keins, sagte der Geschäftsführende Vorstand Eugen Brysch. Er kritisierte aber
insbesondere, dass keine Beratungspflicht eingeführt wurde.
(kann/rv/pm
19.06.2009 sk)
Wir dokumentieren hier die Stellungnahme des Vorsitzenden der
Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zur Bundestagsentscheidung
Patientenverfügung in vollem Wortlaut. Quelle ist die Deutsche Bischofskonferenz.
„Heute
ist im Bundestag abschließend über eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen
beraten worden: Der von Joachim Stünker (SPD) eingebrachte Entwurf hat dabei nach
einer langjährigen, ernsthaften und verantwortungsvollen Debatte die notwendige Mehrheit
auf sich vereinen können. Von jetzt an wird für den Fall, dass ein Patient aktuell
einwilligungsunfähig ist, der in seiner Patientenverfügung vorab schriftlich erklärte
Wille wie eine aktuelle Willenserklärung gewertet. An eine solche Gleichsetzung von
vorab erklärtem Willen und aktuell entscheidendem Willen im Falle der Nichteinwilligungsfähigkeit
haben wir berechtigte Anfragen. Die Grundlage der Willensäußerung einer Patientenverfügung
ist nicht das existenzielle Erleben, sondern dessen theoretische Vorwegnahme. Den
Unterschied zwischen beidem in Hinblick auf den Willen des Patienten zu bewerten,
macht die besondere Verantwortung der Bezugspersonen und Ärzte des Patienten und ggf.
seines Betreuers oder Bevollmächtigten als seinen rechtlichen Vertretern aus. Die
Diskussion der letzten Jahre über Reichweite und Bindungswirkung von Patientenverfügungen
hat zudem gezeigt, dass verschiedene Aspekte bei Abfassung und Umsetzung zu berücksichtigen
sind: u. a. zu welchem Zeitpunkt eine Willenserklärung abgegeben worden ist, ob der
vorab verfügte Wille mit dem aktuell vorliegenden Krankheitszustand übereinstimmt
und ob von ärztlicher Seite vor der Abfassung einer Patientenverfügung eine Aufklärung
stattgefunden hat. Selbstverständlich sind Patientenverfügungen sinnvoll. Sie entsprechen
dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Wir haben uns auch immer wieder dafür ausgesprochen,
die Selbstbestimmung des Patienten und die Fürsorge für ihn miteinander zu verbinden
und aufeinander zu beziehen, um die Patientenautonomie umfassend zu gewährleisten. Nach
unserem Verständnis muss aber eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen wie
die nun vorliegende, die einseitig die Selbstbestimmung des Patienten betont, genau
daraufhin überprüft werden, ob sie dem vorab verfügten Willen des Patienten und seiner
individuellen Krankheits- und Sterbesituation gerecht wird. Nochmals betonen wir,
dass Patienten im Wachkoma und Patienten mit schwerster Demenz sich nicht in der Sterbephase
befinden. Neben einer Patientenverfügung gibt es noch andere Möglichkeiten, Vorsorge
für die Behandlung am Lebensende zu treffen. Wir haben in der Christlichen Patientenverfügung,
die von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) in Verbindung mit den weiteren Mitglieds- und Gastkirchen der Arbeitsgemeinschaft
Christlicher Kirchen (ACK) herausgegeben wird, auf die Option hingewiesen, eine Person
zu bevollmächtigen, die als rechtliche Vertreterin in Kenntnis des Patienten dessen
Wünsche in Kooperation mit dem Arzt am Lebensende umzusetzen hilft. Unserer Ansicht
nach gewährleistet dieses Zusammenspiel von Selbstbestimmung und Fürsorge das Wohl
eines jeden Patienten am Lebensende am besten.“