Vatikan: Nachforschungen zu jüdischen Holocaust-Waisen?
Der Vatikan hat offenbar Ermittlungen zum Schicksal von jüdischen Holocaust-Waisen
aufgenommen. Das teilte die israelische Vereinigung Jad l'Achim am Mittwoch in Jerusalem
mit. Die orthodoxe Organisation beruft sich dabei auf einen Brief des apostolischen
Nuntius in Israel, Erzbischof Antonio Franco. In dem von Jad l'Achim veröffentlichten
und auf den 4. Juni datierten Schreiben sagt Franco Informationen zu jüdischen Kindern
zu, die während des Zweiten Weltkriegs in kirchlichen Einrichtungen aufgenommen wurden
und dadurch den Holocaust überlebten.
Der Nuntius reagierte auf eine schriftliche
Anfrage des Jad l'Achim-Vorsitzenden Rabbi Schalom Dov Lifshitz an Papst Benedikt
XVI. vor dessen Israelreise. Darin forderte der Rabbiner das Kirchenoberhaupt auf,
die Namen der Holocaust-Waisen freizugeben. Während der NS-Diktatur hätten jüdische
Familien „Tausende“ Kinder in die Obhut christlicher Familien gegeben, um deren Leben
zu retten, so Lifshitz. In vielen Fällen seien die Kinder getauft worden, ohne sie
über ihre jüdische Identität zu unterrichten. Nach dem Krieg habe Papst Pius XII.
„verboten“, Namen und Adressen dieser Kinder an jüdische Organisationen weiterzugeben.
Der Vorwurf ist nach derzeitigem Forschungsstand nicht gedeckt. Nach Angaben
von Kirchenhistorikern ist das angebliche Verbot Pius XII. Ergebnis sinnentstellender
Kürzungen bei einer französischen Kurzfassung des entsprechenden Originaldokuments.
In seinem Antwortschreiben bezeichnet Franco die Frage nach dem Schicksal der jüdischen
Kinder als „sehr delikat und komplex“. Der Vatikan sei in dieser Angelegenheit aktiv
geworden. Sobald genauere Informationen vorlägen, werde er diese weiterleiten. (kna
18.06.2009 gs)