Papst an Priester: „Wir müssen uns völlig mit unserer Aufgabe identifizieren“
Benedikt XVI. hat
einen Brief an die Priester in aller Welt geschrieben. Anlass ist das „Jahr der Priester“,
das er an diesem Freitag feierlich eröffnen wird. In dem Brief, der am Donnerstag
vom Vatikan veröffentlicht wurde, stellt der Papst seinen Mitbrüdern im Priesteramt
eindringlich das Beispiel des heiligen Pfarrers von Ars vor Augen, der im August vor
150 Jahren starb. Priester seien ein „unermessliches Geschenk“ – „nicht nur für die
Kirche, sondern auch für die Menschheit überhaupt“. Sie sollten sich „völlig“ mit
ihrer Aufgabe identifizieren, rät der Papst. Er ermuntert die Priester zur Zusammenarbeit
mit den Laien und zu einer Wiederbelebung des Beichtsakraments.
Hier sind
die Kernsätze aus dem Brief Benedikts XVI.`.
„Liebe Mitbrüder im priesterlichen
Dienst! „Das Priestertum ist die Liebe des Herzens Jesu“, pflegte der heilige Pfarrer
von Ars zu sagen. Wie könnte man die vielen Priester vergessen, die in ihrer Würde
verletzt, in ihrer Sendung behindert, manchmal sogar bis hin zum extremen Zeugnis
der Hingabe des eigenen Lebens verfolgt werden?
Leider gibt es auch Situationen,
die nie genug beklagt werden können, in denen es die Kirche selber ist, die leidet,
und zwar wegen der Untreue einiger ihrer Diener. Die Welt findet dann darin Grund
zu Anstoß und Ablehnung. Was in solchen Fällen der Kirche am hilfreichsten sein kann,
ist weniger die eigensinnige Aufdeckung der Schwächen ihrer Diener, als vielmehr das
erneute und frohe Bewußtsein der Größe des Geschenkes Gottes, das in leuchtender Weise
Gestalt angenommen hat in großherzigen Hirten, in erleuchteten und geduldigen geistlichen
Führern.
Was wir als erstes lernen müssen, ist die völlige Identifizierung
mit der eigenen Aufgabe. In Jesus fallen Person und Sendung im Grunde zusammen: Sein
gesamtes Heilshandeln war und ist Ausdruck seines „Sohn-Ich“, das von Ewigkeit her
vor dem Vater steht in einer Haltung liebevoller Unterwerfung unter dessen Willen.
In bescheidener und doch wahrer Analogie muß auch der Priester diese Identifizierung
anstreben.
(Ich möchte) das Feld der Zusammenarbeit betonen, das immer mehr
auf die gläubigen Laien auszudehnen ist. Priester sollen (so mahnt das Konzil) „gern
auf die Laien hören, ihre Wünsche brüderlich erwägen und ihre Erfahrung und Zuständigkeit
in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Wirkens anerkennen, damit sie gemeinsam
mit ihnen die Zeichen der Zeit erkennen können.“
Die Priester dürften niemals
resignieren, wenn sie ihre Beichtstühle verlassen sehen, noch sich darauf beschränken,
die Abneigung der Gläubigen gegenüber diesem Sakrament festzustellen. Zur Zeit des
heiligen Pfarrers war in Frankreich die Beichte weder einfacher noch häufiger als
in unseren Tagen, da der eisige Sturm der Revolution die religiöse Praxis auf lange
Zeit erstickt hatte. Doch er versuchte auf alle Arten, die Mitglieder seiner Pfarrei
die Bedeutung und die Schönheit der sakramentalen Buße neu entdecken zu lassen, indem
er sie als eine mit der eucharistischen Gegenwart innerlich verbundene Notwendigkeit
darstellte. Auf diese Weise verstand er, einen Kreislauf der Tugend in Gang zu setzen.
Damit in uns nicht eine existenzielle Leere entsteht und die Wirksamkeit unseres
Dienstes nicht gefährdet wird, müssen wir uns immer neu fragen: Sind wir wirklich
durchtränkt vom Wort Gottes? Ist es wirklich die Nahrung, von der wir leben, mehr
als vom Brot und von den Dingen dieser Welt? Kennen wir es wirklich? Lieben wir es?
Gehen wir innerlich damit um, so daß es wirklich unser Leben prägt, unser Denken formt?
Wie Jesus die Zwölf rief, damit sie bei ihm sein sollten (vgl. Mk 3, 14), und sie
erst danach zum Predigen aussandte, so sind auch in unseren Tagen die Priester berufen,
jenen „neuen Lebensstil“ anzunehmen, den Jesus, der Herr, eingeführt hat und den die
Apostel sich zu eigen gemacht haben.
(Ich möchte) die Priester in diesem ihnen
gewidmeten Jahr ganz besonders dazu aufrufen, den neuen Frühling zu nutzen, den der
Geist in unseren Tagen in der Kirche hervorbringt, nicht zuletzt durch die kirchlichen
Bewegungen und die neuen Gemeinschaften.
Es ist nötig, daß die Gemeinschaft
der Priester untereinander und mit ihrem Bischof sich in den verschiedenen konkreten
Formen einer effektiven und affektiven priesterlichen Brüderlichkeit verwirklicht.
Nur so können die Priester die Gabe des Zölibats vollends leben und sind fähig, christliche
Gemeinschaften aufblühen zu lassen, in denen sich die Wunder der ersten Verkündigung
des Evangeliums wiederholen.
Liebe Priester, Christus rechnet mit euch. Nach
dem Beispiel des heiligen Pfarrers von Ars laßt euch von ihm vereinnahmen, dann seid
in der Welt von heute auch ihr Boten der Hoffnung, der Versöhnung und des Friedens!“