am kommenden Hochfest des Heiligsten
Herzens Jesu, Freitag, dem 19. Juni 2009 – dem Tag, der traditionsgemäß dem Gebet
um die Heiligung der Priester gewidmet ist – möchte ich anläßlich des 150. Jahrestags
des „dies natalis“ von Johannes Maria Vianney, dem Schutzheiligen aller Pfarrer der
Welt, offiziell ein „Jahr der Priester“ ausrufen. Dieses Jahr, das dazu beitragen
möchte, das Engagement einer inneren Erneuerung aller Priester für ein noch stärkeres
und wirksameres Zeugnis für das Evangelium in der Welt von heute zu fördern, wird
2010 wiederum an diesem Hochfest seinen Abschluß finden. „Das Priestertum ist die
Liebe des Herzens Jesu“, pflegte der heilige Pfarrer von Ars zu sagen. Diese bewegende
Formulierung veranlaßt uns vor allem, uns innerlich angerührt und dankbar bewußt zu
werden, welch unermeßliches Geschenk die Priester nicht nur für die Kirche, sondern
auch für die Menschheit überhaupt sind. Ich denke an all die Priester, die in Demut
Tag für Tag den Christgläubigen und der ganzen Welt die Worte und Taten Christi nahebringen,
indem sie versuchen, mit ihren Gedanken, ihrem Willen, ihren Gefühlen und ihrem gesamten
Lebensstil mit ihm übereinzustimmen. Wie könnte man es versäumen, ihre apostolischen
Mühen, ihren unermüdlichen und verborgenen Dienst und ihre im Grunde allumfassende
Liebe zu unterstreichen? Und was soll man zu der mutigen Treue so vieler Priester
sagen, die – wenn auch inmitten von Schwierigkeiten und Unverständnis – ihrer Berufung
treu bleiben, „Freunde Christi“ zu sein, die von ihm in besonderer Weise gerufen,
erwählt und ausgesandt sind? Ich selbst trage noch die Erinnerung an den ersten
Pfarrer im Herzen, an dessen Seite ich meinen Dienst als junger Priester ausübte:
Er hinterließ mir das Beispiel einer rückhaltlosen Hingabe an seine seelsorgliche
Aufgabe bis zu seinem Tod, der ihn ereilte, als er einem Schwerkranken das Sakrament
der Wegzehrung brachte. Und dann kommen mir die unzähligen Mitbrüder in den Sinn,
denen ich begegnet bin und immer noch begegne, auch während meiner Pastoralreisen
in die verschiedenen Nationen – Mitbrüder, die großherzig in der täglichen Ausübung
ihres priesterlichen Dienstes aufgehen. Aber die vom heiligen Pfarrer von Ars gebrauchte
Formulierung ruft auch die Erinnerung an das durchbohrte Herz Christi und an die Dornenkrone
auf seinem Haupt wach. Folglich gehen die Gedanken zu den unzähligen Situationen des
Leidens, in die viele Priester hineingezogen sind, sei es weil sie Anteil nehmen an
den menschlichen Erfahrungen von Schmerz in der Vielfalt seiner Ausdrucksformen, sei
es weil sie bei denjenigen, denen ihr Dienst gilt, auf Unverständnis stoßen: Wie könnte
man die vielen Priester vergessen, die in ihrer Würde verletzt, in ihrer Sendung behindert,
manchmal sogar bis hin zum extremen Zeugnis der Hingabe des eigenen Lebens verfolgt
werden? Leider gibt es auch Situationen, die nie genug beklagt werden können, in
denen es die Kirche selber ist, die leidet, und zwar wegen der Untreue einiger ihrer
Diener. Die Welt findet dann darin Grund zu Anstoß und Ablehnung. Was in solchen Fällen
der Kirche am hilfreichsten sein kann, ist weniger die eigensinnige Aufdeckung der
Schwächen ihrer Diener, als vielmehr das erneute und frohe Bewußtsein der Größe des
Geschenkes Gottes, das in leuchtender Weise Gestalt angenommen hat in großherzigen
Hirten, in von brennender Liebe zu Gott und den Menschen erfüllten Ordensleuten, in
erleuchteten und geduldigen geistlichen Führern. In diesem Zusammenhang können die
Lehren und die Beispiele des heiligen Johannes Maria Vianney allen einen bedeutsamen
Anhaltspunkt bieten: Der Pfarrer von Ars war äußerst demütig, doch er wußte, daß er
als Priester ein unermeßliches Geschenk für seine Leute war: „Ein guter Hirte, ein
Hirte nach dem Herzen Gottes, ist der größte Schatz, den der liebe Gott einer Pfarrei
gewähren kann, und eines der wertvollsten Geschenke der göttlichen Barmherzigkeit.“
Er sprach vom Priestertum, als könne er die Größe der dem Geschöpf Mensch anvertrauten
Gabe und Aufgabe einfach nicht fassen: „Oh, wie groß ist der Priester! … Wenn er sich
selbst verstünde, würde er sterben … Gott gehorcht ihm: Er spricht zwei Sätze aus,
und auf sein Wort hin steigt der Herr vom Himmel herab und schließt sich in eine kleine
Hostie ein…“ Und als er seinen Gläubigen die Bedeutsamkeit der Sakramente erklärte,
sagte er: „Ohne das Sakrament der Weihe hätten wir den Herrn nicht. Wer hat ihn da
in den Tabernakel gesetzt? Der Priester. Wer hat Eure Seele beim ersten Eintritt in
das Leben aufgenommen? Der Priester. Wer nährt sie, um ihr die Kraft zu geben, ihre
Pilgerschaft zu vollenden? Der Priester. Wer wird sie darauf vorbereiten, vor Gott
zu erscheinen, indem er sie zum letzten Mal im Blut Jesu Christi wäscht? Der Priester,
immer der Priester. Und wenn diese Seele [durch die Sünde] stirbt, wer wird sie auferwecken,
wer wird ihr die Ruhe und den Frieden geben? Wieder der Priester … Nach Gott ist der
Priester alles! … Erst im Himmel wird er sich selbst recht verstehen.“ Diese Aussagen,
die aus dem priesterlichen Herzen eines heiligen Priesters hervorgegangen sind, mögen
übertrieben erscheinen. Doch in ihnen offenbart sich die außerordentliche Achtung,
die er dem Sakrament des Priestertums entgegenbrachte. Er schien überwältigt von einem
grenzenlosen Verantwortungsbewußtsein: „Wenn wir recht begreifen würden, was ein Priester
auf Erden ist, würden wir sterben: nicht vor Schreck, sondern aus Liebe … Ohne den
Priester würden der Tod und das Leiden unseres Herrn zu nichts nützen. Der Priester
ist es, der das Werk der Erlösung auf Erden fortführt … Was nützte uns ein Haus voller
Gold, wenn es niemanden gäbe, der uns die Tür dazu öffnet? Der Priester besitzt den
Schlüssel zu den himmlischen Schätzen: Er ist es, der die Tür öffnet; er ist der Haushälter
des lieben Gottes; der Verwalter seiner Güter … Laßt eine Pfarrei zwanzig Jahre lang
ohne Priester, und man wird dort die Tiere anbeten … Der Priester ist nicht Priester
für sich selbst, er ist es für euch.“ Als er nach Ars, einem kleinen Dorf mit 230
Einwohnern, kam, war er vom Bischof bereits vorgewarnt worden, daß er eine religiös
prekäre Situation vorfinden werde: „Es gibt in dieser Pfarrei nicht viel Liebe zu
Gott; Sie werden sie dort einführen.“ Folglich war er sich völlig bewußt, daß er dorthin
gehen mußte, um die Gegenwart Christi zu verkörpern, indem er dessen heilbringende
Sanftmut bezeugte. „[Mein Gott,] gewährt mir die Bekehrung meiner Pfarrei; ich will
dafür alles erleiden, was Ihr wollt, mein ganzes Leben lang!“ – mit diesem Gebet begann
er seine Mission. Der Bekehrung seiner Pfarrei widmete sich der heilige Pfarrer mit
all seinen Kräften und stellte die christliche Bildung des ihm anvertrauten Volkes
in all seinem Denken an erste Stelle. Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, erbitten
wir vom Herrn Jesus die Gnade, daß auch wir die pastorale Methode des Johannes Maria
Vianney erlernen können! Was wir als erstes lernen müssen, ist die völlige Identifizierung
mit der eigenen Aufgabe. In Jesus fallen Person und Sendung im Grunde zusammen: Sein
gesamtes Heilshandeln war und ist Ausdruck seines „Sohn-Ich“, das von Ewigkeit her
vor dem Vater steht in einer Haltung liebevoller Unterwerfung unter dessen Willen.
In bescheidener und doch wahrer Analogie muß auch der Priester diese Identifizierung
anstreben. Natürlich geht es nicht darum zu vergessen, daß die substanzielle Wirksamkeit
des Dienstes von der Heiligkeit des Priesters unabhängig bleibt; doch man darf auch
die außerordentliche Fruchtbarkeit nicht außer Acht lassen, die aus dem Zusammentreffen
der objektiven Heiligkeit des Dienstes und der subjektiven des Priesters hervorgeht.
Der Pfarrer von Ars begann sofort mit dieser demütigen und geduldigen Arbeit, sein
Leben als Priester mit der Heiligkeit des ihm anvertrauten Dienstes in Einklang zu
bringen und sagte, daß er sogar materiell in seiner Pfarrkirche „wohne“: „Kaum war
er angekommen, wählte er die Kirche zu seinem Wohnsitz … Vor dem Morgenrot betrat
er die Kirche und kam erst nach dem abendlichen Angelus wieder heraus. Dort mußte
man ihn suchen, wenn man ihn brauchte“, heißt es in seiner ersten Biographie. Die
fromme Übertreibung des ehrfurchtsvollen Hagiographen darf uns nicht veranlassen zu
übersehen, daß der heilige Pfarrer auch aktiv im gesamten Gebiet seiner Pfarrei zu
„wohnen“ verstand: Er besuchte systematisch die Kranken und die Familien; er organisierte
Volksmissionen und Patronatsfeste; er sammelte und verwaltete Geld für seine karitativen
und missionarischen Werke; er verschönerte seine Kirche und stattete sie mit Kirchengerät
aus; er kümmerte sich um die Waisenmädchen der „Providence“ (einer von ihm gegründeten
Einrichtung) und ihre Erzieherinnen; er kümmerte sich um die Schulausbildung der Kinder;
er gründete Bruderschaften und forderte die Laien zur Zusammenarbeit mit ihm auf. Sein
Beispiel veranlaßt mich, das Feld der Zusammenarbeit zu betonen, das immer mehr auf
die gläubigen Laien auszudehnen ist, mit denen die Priester das eine priesterliche
Volk bilden und in deren Mitte sie leben, um kraft des Weihepriestertums „alle zur
Einheit in der Liebe zu führen, 'indem sie in Bruderliebe einander herzlich zugetan
sind, in Ehrerbietung einander übertreffen' (Röm 12, 10)“. In diesem Zusammenhang
ist an die lebhafte Aufforderung zu erinnern, mit der das Zweite Vatikanische Konzil
die Priester ermutigt, „die Würde der Laien und die bestimmte Funktion, die den Laien
für die Sendung der Kirche zukommt, wahrhaft [zu] erkennen und [zu] fördern … Sie
sollen gern auf die Laien hören, ihre Wünsche brüderlich erwägen und ihre Erfahrung
und Zuständigkeit in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Wirkens anerkennen,
damit sie gemeinsam mit ihnen die Zeichen der Zeit erkennen können.“ Seine Pfarreimitglieder
belehrte der heilige Pfarrer vor allem mit dem Zeugnis seines Lebens. Durch sein Vorbild
lernten die Gläubigen zu beten und für einen Besuch beim eucharistischen Jesus gern
vor dem Tabernakel zu verharren. „Es ist nicht nötig, viel zu sprechen, um gut zu
beten“, erklärte ihnen der Pfarrer. „Man weiß, daß Jesus dort ist, im heiligen Tabernakel:
Öffnen wir ihm unser Herz, freuen wir uns über seine heilige Gegenwart. Das ist das
beste Gebet.“ Und er ermunterte sie: „Kommt zur Kommunion, meine Brüder, kommt zu
Jesus. Kommt, um von ihm zu leben, damit ihr mit ihm leben könnt…“ „Es stimmt, daß
ihr dessen nicht würdig seid, aber ihr habt es nötig!“ Diese Erziehung der Gläubigen
zur eucharistischen Gegenwart und zum Kommunionempfang wurde besonders wirkkräftig,
wenn die Gläubigen ihn das heilige Meßopfer zelebrieren sahen. Wer ihm beiwohnte,
sagte, daß „es nicht möglich war, eine Gestalt zu finden, welche die Anbetung besser
ausgedrückt hätte … Er betrachtete die Hostie liebevoll“. „Alle guten Werke zusammen
wiegen das Meßopfer nicht auf, denn sie sind Werke von Menschen, während die heilige
Messe Werk Gottes ist“, sagte er. Er war überzeugt, daß von der Messe der ganze Eifer
eines Priesterlebens abhängt: „Die Ursache der Erschlaffung des Priesters liegt darin,
daß er bei der Messe nicht aufmerksam ist! Mein Gott, wie ist ein Priester zu beklagen,
der so zelebriert, als ob er etwas Gewöhnliches täte!“ Und er hatte es sich zur Gewohnheit
gemacht, bei der Zelebration immer auch das eigene Leben aufzuopfern: „Wie gut tut
ein Priester, wenn er Gott allmorgendlich sich selbst als Opfer darbringt!“ Dieses
persönliche Sicheinfühlen in das Kreuzesopfer führte ihn – in einer einzigen inneren
Bewegung – vom Altar zum Beichtstuhl. Die Priester dürften niemals resignieren, wenn
sie ihre Beichtstühle verlassen sehen, noch sich darauf beschränken, die Abneigung
der Gläubigen gegenüber diesem Sakrament festzustellen. Zur Zeit des heiligen Pfarrers
war in Frankreich die Beichte weder einfacher, noch häufiger als in unseren Tagen,
da der eisige Sturm der Revolution die religiöse Praxis auf lange Zeit erstickt hatte.
Doch er versuchte auf alle Arten, durch Predigt und überzeugenden Ratschlag, die Mitglieder
seiner Pfarrei die Bedeutung und die Schönheit der sakramentalen Buße neu entdecken
zu lassen, indem er sie als eine mit der eucharistischen Gegenwart innerlich verbundene
Notwendigkeit darstellte. Auf diese Weise verstand er, einen Kreislauf der Tugend
in Gang zu setzen. Durch seine langen Aufenthalte in der Kirche vor dem Tabernakel
erreichte er, daß die Gläubigen begannen, es ihm nachzutun; sie begaben sich dorthin,
um Jesus zu besuchen, und waren zugleich sicher, den Pfarrer anzutreffen, der bereit
war zum Hören und zum Vergeben. Später war es dann die wachsende Menge der Bußfertigen
aus ganz Frankreich, die ihn bis zu 16 Stunden täglich im Beichtstuhl hielt. Man sagte
damals, Ars sei „das große Krankenhaus der Seelen“ geworden. „Die Gnade, die er empfing
[für die Bekehrung der Sünder], war so stark, daß sie ihnen nachging, ohne ihnen einen
Moment der Ruhe zu lassen“, sagt der erste Biograph. Der heilige Pfarrer sah das nicht
anders, wenn er sagte: „Nicht der Sünder ist es, der zu Gott zurückkehrt, um ihn um
Vergebung zu bitten, sondern Gott selbst läuft dem Sünder nach und läßt ihn zu sich
zurückkehren.“ „Dieser gute Heiland ist so von Liebe erfüllt, daß er uns überall sucht.“ Wir
Priester müßten alle spüren, daß jene Worte, die er Christus in den Mund legte, uns
persönlich angehen: „Ich beauftrage meine Diener, den Sündern zu verkünden, daß ich
immer bereit bin, sie zu empfangen, daß meine Barmherzigkeit unbegrenzt ist.“ Vom
heiligen Pfarrer von Ars können wir Priester nicht nur ein unerschöpfliches Vertrauen
in das Bußsakrament lernen, das uns drängt, es wieder ins Zentrum unserer pastoralen
Sorge zu setzen, sondern auch die Methode des „Dialogs des Heils“, der sich darin
vollziehen muß. Der Pfarrer von Ars hatte gegenüber den verschiedenen Büßern eine
jeweils unterschiedliche Verhaltensweise. Wer zu seinem Beichtstuhl kam, weil er von
einem inneren und demütigen Bedürfnis nach der Vergebung Gottes angezogen war, fand
bei ihm die Ermutigung, in den „Strom der göttlichen Barmherzigkeit“ einzutauchen,
der in seiner Wucht alles mit sich fortreißt. Und wenn jemand niedergeschlagen war
beim Gedanken an seine Schwäche und Unbeständigkeit und sich vor zukünftigen Rückfällen
fürchtete, offenbarte der Pfarrer ihm das Geheimnis Gottes mit einem Ausspruch von
rührender Schönheit: „Der liebe Gott weiß alles. Noch bevor ihr sündigt, weiß er schon,
daß ihr wieder sündigen werdet, und trotzdem vergibt er euch. Wie groß ist die Liebe
unseres Gottes, der so weit geht, freiwillig die Zukunft zu vergessen, nur damit er
uns vergeben kann!“ Wer sich dagegen lau und fast gleichgültig anklagte, dem bot er
durch seine eigenen Tränen die ernste und erlittene deutliche Einsicht, wie „abscheulich“
diese Haltung sei: „Ich weine, weil ihr nicht weint“, sagte er. „Wenn der Herr bloß
nicht so gut wäre! Aber er ist so gut! Man muß ein Barbar sei, um sich einem so guten
Vater gegenüber so zu verhalten!“ Er ließ die Reue im Herzen der Lauen aufkommen,
indem er sie zwang, das im Gesicht des Beichtvaters gleichsam „verkörperte“ Leiden
Gottes wegen der Sünden mit eigenen Augen zu sehen. Wer sich dagegen voll Verlangen
und fähig zu einem tieferen geistlichen Leben zeigte, dem öffnete er weit die Tiefen
der Liebe, indem er ihm erklärte, wie unbeschreiblich schön es ist, mit Gott vereint
und in seiner Gegenwart zu leben: „Alles unter den Augen Gottes, alles mit Gott, alles,
um Gott zu gefallen … Wie schön ist das!“ Und er lehrte sie zu beten: „Mein Gott,
erweise mir die Gnade, dich so sehr wie nur möglich zu lieben.“ Der Pfarrer von
Ars hat in seiner Zeit das Herz und das Leben so vieler Menschen zu verwandeln vermocht,
weil es ihm gelungen ist, sie die barmherzige Liebe des Herrn wahrnehmen zu lassen.
Auch in unserer Zeit ist eine solche Verkündigung und ein solches Zeugnis der Wahrheit
der Liebe dringend: Deus caritas est (1 Joh 4, 8). Mit dem Wort und den Sakramenten
seines Jesus wußte Johannes Maria Vianney sein Volk aufzubauen, auch wenn er, überzeugt
von seiner persönlichen Unzulänglichkeit, oft schauderte, so daß er mehrmals wünschte,
sich der Verantwortung des Dienstes in der Pfarrei zu entziehen, dessen er sich unwürdig
fühlte. Trotzdem blieb er in vorbildlichem Gehorsam stets an seinem Posten, denn die
apostolische Leidenschaft für das Heil der Seelen verzehrte ihn. Durch eine strenge
Askese versuchte er, seiner Berufung völlig nachzukommen: „Das große Unglück für uns
Pfarrer“, beklagte der Heilige, „besteht darin, daß die Seele abstumpft“, und er meinte
damit ein gefährliches Sich-Gewöhnen des Hirten an den Zustand der Sünde oder der
Gleichgültigkeit, in der viele seiner Schafe leben. Mit Wachen und Fasten zügelte
er den Leib, um zu vermeiden, daß dieser sich seiner priesterlichen Seele widersetzte.
Und er schreckte nicht davor zurück, sich selbst zu kasteien zum Wohl der ihm anvertrauten
Seelen und um zur Sühne all der Sünden beizutragen, die er in der Beichte gehört hatte.
Einem priesterlichen Mitbruder erklärte er: „Ich verrate Euch mein Rezept: Ich gebe
den Sündern eine kleine Buße auf, und den Rest tue ich an ihrer Stelle.“ Jenseits
der konkreten Bußübungen, denen der Pfarrer von Ars sich unterzog, bleibt in jedem
Fall der Kern seiner Lehre für alle gültig: die Seelen sind mit dem Blut Jesu erkauft,
und der Priester kann sich nicht ihrer Rettung widmen, wenn er sich weigert, sich
persönlich an dem „teuren Preis“ ihrer Erlösung zu beteiligen. In der Welt von
heute ist es ebenso nötig wie in den schwierigen Zeiten des Pfarrers von Ars, daß
die Priester sich in ihrem Leben und Handeln durch ein starkes Zeugnis für das Evangelium
auszeichnen. Paul VI. hat zu Recht bemerkt: „Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen
als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind.“
Damit in uns nicht eine existenzielle Leere entsteht und die Wirksamkeit unseres Dienstes
nicht gefährdet wird, müssen wir uns immer neu fragen: „Sind wir wirklich durchtränkt
vom Wort Gottes? Ist es wirklich die Nahrung, von der wir leben, mehr als vom Brot
und von den Dingen dieser Welt? Kennen wir es wirklich? Lieben wir es? Gehen wir innerlich
damit um, so daß es wirklich unser Leben prägt, unser Denken formt?“ Wie Jesus die
Zwölf rief, damit sie bei ihm sein sollten (vgl. Mk 3, 14), und sie erst danach zum
Predigen aussandte, so sind auch in unseren Tagen die Priester berufen, jenen „neuen
Lebensstil“ anzunehmen, den Jesus, der Herr, eingeführt hat und den die Apostel sich
zu eigen gemacht haben. Gerade die rückhaltlose Annahme dieses „neuen Lebensstils“
war ein Merkmal des priesterlichen Einsatzes des Pfarrers von Ars. In der Enzyklika
Sacerdotii nostri primordia, die 1959, hundert Jahre nach dem Tod von Johannes Maria
Vianney, publiziert wurde, stellte Johannes XXIII. dessen asketische Wesensart unter
besonderer Bezugnahme auf das Thema der „drei evangelischen Räte“ dar, die er auch
für die Priester als notwendig erachtete: „Auch wenn dem Priester zur Erlangung dieser
Heiligkeit des Lebens die Verwirklichung der evangelischen Räte nicht aufgrund seines
klerikalen Standes auferlegt ist, bietet sie sich ihm wie allen Jüngern des Herrn
doch als der normale Weg der christlichen Heiligung an.“ Der Pfarrer von Ars verstand
es, die „evangelischen Räte“ in der seiner Situation als Priester angemessenen Weise
zu leben. Seine Armut war nämlich nicht die eines Ordensmannes bzw. eines Mönches,
sondern die, welche von einem Weltpriester erwartet wird: Obwohl er mit viel Geld
wirtschaftete (da die wohlhabenderen Pilger nicht versäumten, sich seiner karitativen
Werke anzunehmen), wußte er, daß alles seiner Kirche, seinen Armen, seinen Waisen,
den Mädchen seiner „Providence“, den am meisten notleidenden Familien zugedacht war.
Darum war er „reich, um den anderen zu geben, und sehr arm für sich selbst“. Er erklärte:
„Mein Geheimnis ist einfach: Alles geben und nichts behalten.“ Wenn er mit leeren
Händen dastand, sagte er zufrieden zu den Armen, die sich an ihn wendeten: „Heute
bin ich arm wie ihr, bin einer von euch.“ So konnte er am Ende seines Lebens in aller
Ruhe sagen: „Ich habe nichts mehr. Nun kann der liebe Gott mich rufen, wann er will!“
Auch seine Keuschheit war so, wie sie für den Dienst eines Priesters nötig ist. Man
kann sagen, es war die angemessene Keuschheit dessen, der gewöhnlich die Eucharistie
berühren muß und der sie gewöhnlich mit der ganzen Begeisterung seines Herzens betrachtet
und sie mit derselben Begeisterung seinen Gläubigen reicht. Man sagte von ihm, „die
Keuschheit strahle in seinem Blick“, und die Gläubigen bemerkten es, wenn er mit den
Augen eines Verliebten zum Tabernakel schaute. Auch der Gehorsam von Johannes Maria
Vianney war ganz und gar verkörpert in der leidvoll errungenen inneren Einwilligung
in die täglichen Anforderungen seines Amtes. Es ist bekannt, wie sehr ihn der Gedanke
an seine Unzulänglichkeit für den Dienst des Pfarrers quälte und wie sehr ihn der
Wunsch umtrieb, zu fliehen „um in Einsamkeit sein armes Leben zu beweinen“. Nur der
Gehorsam und seine Leidenschaft für die Seelen konnten ihn überzeugen, an seinem Platz
zu bleiben. Sich selbst und seinen Gläubigen erklärte er: „Es gibt nicht zwei gute
Arten, Gott zu dienen. Es gibt nur eine einzige: ihm so zu dienen, wie er es will.“
Die goldene Regel für ein Leben im Gehorsam schien ihm diese zu sein: „Nur das tun,
was dem lieben Gott dargebracht werden kann.“ Im Zusammenhang mit der Spiritualität,
die durch die Übung der evangelischen Räte gefördert wird, möchte ich die Priester
in diesem ihnen gewidmeten Jahr gern ganz besonders dazu aufrufen, den neuen Frühling
zu nutzen, den der Geist in unseren Tagen in der Kirche hervorbringt, nicht zuletzt
durch die kirchlichen Bewegungen und die neuen Gemeinschaften. „Der Geist ist vielfältig
in seinen Gaben … Er weht, wo er will. Er tut es auf unerwartete Weise, an unerwarteten
Orten und in vorher nicht ausgedachten Formen … aber er zeigt uns auch, daß er auf
den einen Leib hin und in der Einheit des einen Leibes wirkt.“ In diesem Zusammenhang
gilt die Anweisung des Dekretes Presbyterorum ordinis: „Sie [die Priester] sollen
die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind, und die vielfältigen Charismen der Laien,
schlichte und bedeutendere, mit Glaubenssinn aufspüren, freudig anerkennen und mit
Sorgfalt hegen.“ Diese Gaben, die viele zu einem höheren geistlichen Leben drängen,
können nicht nur den gläubigen Laien, sondern den Priestern selbst hilfreich sein.
Aus dem Miteinander von geweihten Amtsträgern und Charismen kann nämlich „ein gesunder
Impuls für ein neues Engagement der Kirche in der Verkündigung und im Zeugnis des
Evangeliums der Hoffnung und der Liebe in allen Teilen der Welt“ entspringen. Außerdem
möchte ich in Bezugnahme auf das Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis von Papst
Johannes Paul II. ergänzen, daß das geweihte Amt eine radikale „Gemeinschaftsform“
hat und nur in der Gemeinschaft der Presbyter mit ihrem Bischof erfüllt werden kann.
Es ist nötig, daß diese im Weihesakrament begründete und in der Konzelebration ausgedrückte
Gemeinschaft der Priester untereinander und mit ihrem Bischof sich in den verschiedenen
konkreten Formen einer effektiven und affektiven priesterlichen Brüderlichkeit verwirklicht.
Nur so können die Priester die Gabe des Zölibats vollends leben und sind fähig, christliche
Gemeinschaften aufblühen zu lassen, in denen sich die Wunder der ersten Verkündigung
des Evangeliums wiederholen. Das Paulusjahr, das sich seinem Ende zuneigt, richtet
unsere Gedanken auch auf den Völkerapostel, in dem vor unseren Augen ein glänzendes
Beispiel eines ganz und gar seinem Dienst „hingegebenen“ Priesters aufleuchtet. „Die
Liebe Christi hat uns in Besitz genommen“, schreibt er, „da wir erkannt haben: Einer
ist für alle gestorben, also sind alle gestorben“ (vgl. 2 Kor 5, 14). Und er fügt
hinzu: „Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben,
sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5, 15). Gibt es ein
besseres Programm, das man einem Priester vorschlagen könnte, der damit beschäftigt
ist, auf dem Weg der christlichen Vollkommenheit voranzuschreiten? Liebe Priester,
die Feier des 150. Todestags des heiligen Johannes Maria Vianney (1859) schließt sich
unmittelbar an die kaum abgeschlossenen Feiern zum 150. Jahrestag der Erscheinungen
von Lourdes (1858) an. Schon 1959 hatte der selige Papst Johannes XXIII. bemerkt:
„Kurz bevor der Pfarrer von Ars seine lange verdienstvolle Laufbahn beendet hatte,
war in einem anderen Teil Franreichs die Unbefleckte Jungfrau einem demütigen und
reinen Mädchen erschienen, um ihm eine Botschaft des Gebetes und der Buße zu übermitteln,
deren enorme geistliche Resonanz seit einem Jahrhundert wohlbekannt ist. Tatsächlich
war das Leben des heiligen Priesters, dessen Gedenken wir feiern, im voraus eine lebendige
Darstellung der großen übernatürlichen Wahrheiten, die der Seherin von Massabielle
vermittelt wurden. Er selbst hegte für die Unbefleckte Empfängnis der Allerseligsten
Jungfrau eine glühende Verehrung – er, der 1836 seine Pfarrei der ohne Sünde empfangenen
Maria geweiht hatte und dann die dogmatische Definition von 1854 mit so viel Glauben
und Freude aufnehmen sollte.“ Der heilige Pfarrer erinnerte seine Gläubigen immer
daran, daß „Jesus Christus, nachdem er uns alles gegeben hatte, was er uns geben konnte,
uns noch das Wertvollste als Erbe hinterlassen wollte, das er besitzt, nämlich seine
Mutter“. Der Allerseligsten Jungfrau vertraue ich dieses Jahr der Priester an und
bitte sie, im Innern jedes Priesters eine großherzige Wiederbelebung jener Ideale
der völligen Hingabe an Christus und an die Kirche auszulösen, die das Denken und
Handeln des heiligen Pfarrers von Ars bestimmten. Mit seinem eifrigen Gebetsleben
und seiner leidenschaftlichen Liebe zum gekreuzigten Jesus nährte Johannes Maria Vianney
seine tägliche rückhaltlose Hingabe an Gott und an die Kirche. Möge sein Beispiel
die Priester zu jenem Zeugnis der Einheit mit dem Bischof, untereinander und mit den
Laien bewegen, das heute wie immer so notwendig ist. Trotz des Übels, das es in der
Welt gibt, sind die Worte Christi an seine Apostel im Abendmahlssaal stets aktuell:
„In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh
16, 33). Der Glaube an den göttlichen Meister gibt uns die Kraft, vertrauensvoll in
die Zukunft zu schauen. Liebe Priester, Christus rechnet mit euch. Nach dem Beispiel
des heiligen Pfarrers von Ars laßt euch von ihm vereinnahmen, dann seid in der Welt
von heute auch ihr Boten der Hoffnung, der Versöhnung und des Friedens!