2009-06-17 12:44:50

Vatikan/Österreich: „Differenziert und brüderlich“


RealAudioMP3 Ein brüderlicher Austausch über den Zustand und den Weg der österreichischen Kirche – das war nach Angaben Kardinal Christoph Schönborns das intensive zweitägige Treffen österreichischer Bischöfe mit Papst Benedikt und mehreren Kurienchefs. Papst Benedikt ermutigte die Bischöfe in der gegenwärtigen Lage dazu, den Glauben zu vertiefen, treu zum Zweiten Vatikanischen Konzil und dem nachkonziliaren Lehramt zu stehen und dieses auch besser zu verbreiten. Anlass für das Gesprächstreffen im Vatikan war die „Causa Wagner“, also der Verzicht des vom Papst ernannten Linzer Weihbischofs Gerhard Wagner auf sein Amt, noch bevor er es antrat. Die Gespräche gingen aber weit über diesen Anlass hinaus, so Kardinal Schönborn im Radio Vatikan-Interview:

„Wir waren EINgeladen. Ich betone das ausdrücklich, denn es war ein sehr herzliches, brüderliches Gespräch, wir sind nicht nach Rom zitiert, sondern gebeten worden, um uns auszutauschen über die Situation der Kirche in Österreich und speziell in der Diözese Linz. Es ist kein Geheimnis, dass es dort große Spannungen gibt, dass es Fraktionen gibt, dass die Ernennung von Dr. Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof große Kontroversen ausgelöst hat, dass sein Rückzug bzw. seine Bitte an den Heiligen Vater, vom Amt zurücktreten zu können bzw. nicht die Weihe empfangen zu müssen, auf der einen Seite willkommen geheißen wurde, von anderen wiederum sehr bedauert wurde. Das alles sind Fakten, das macht Sorge, wie sieht es aus in Linz, wie geht es weiter. Und daher wollte der Heilige Vater – es war seine Initiative - uns einladen.“

Aus Österreich war die Spitze der Bischofskonferenz angereist, also neben Kardinal Schönborn sein Stellvertreter, Bischof Egon Kapellari, sowie der Salzburger Metropolit Erzbischof Alois Kothgasser, ferner der Linzer Bischof Ludwig Schwarz und der Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen. Die Beratungen über die Schwierigkeiten, aber auch die Stärken der Kirche in Österreich waren thematisch breit gefächert:

„..über das Priesterseminar, über die theologische Fakultät, über die Situation der Laien, über die Fragen der Lehre, die anstehen, daher das Treffen an der Glaubenskongregation, über Fragen der kirchlichen Disziplin. Alles in einer sehr differenzierten, brüderlichen Weise. Wir hatten keinen Moment das Gefühl, dass wir hier auf einer Anklagebank sitzen, sondern es war wirklich die gemeinsame Sorge.“

Zwei Aspekte hob Kardinal Schönborn an den Gesprächen mit der Kurie besonders hervor: die Unersetzlichkeit der katholischen Laien in der Gesellschaft und die Frage des Zölibats für Priester. Diese beiden kirchlichen Fragen stellten sich in ganz Europa.

„Der Heilige Vater hat uns etwas sehr Beeindruckendes zum Thema Zölibat gesagt, weil das natürlich in Österreich und speziell in Oberösterreich ein heiß diskutiertes Thema ist. Er hat gesagt: Es geht letztlich um die Frage, ob wir daran glauben, dass es möglich ist, dass es sinnvoll ist, ein Leben ganz und gar auf dieses eine Fundament zu stellen, auf Gott. Und im Dienst für Gott und für Jesus Christus diesen Dienst auch in einer Lebensform gewissermaßen Gestalt werden zu lassen, in der Lebensform der Ehelosigkeit, wie Jesus sie verstanden hat – um des Himmelreiches willen. Nicht aus Misstrauen gegenüber der Ehe oder als Missachtung der Ehe, sondern weil das höchste Gut, das uns gegeben ist, Gott, Jesus Christus, gegenwärtig in der Welt ist und es deshalb möglich und sinnvoll ist, sein Leben ganz auf Christus zu stellen.“

Einig waren sich die Österreicher und die Vertreter des Heiligen Stuhles darüber, dass katholische Laien sich gesellschaftlich mehr einbringen sollten. Schönborn:

„Das spüren wir in ganz Europa, in Österreich und auch in Linz: Wir haben sehr viele Laien, speziell in der Diözese Linz, die sich in der Kirche engagieren. Und das ist etwas äußerst Positives und zu Begrüßendes. Wir brauchen dringend Laien, die sich in der Gesellschaft engagieren. Mehr und mehr spüren wir an allen Ecken und Enden, dass jetzt die Stunde der Laien in der Gesellschaft ist - in den Berufen, in der Wirtschaft, im politischen Leben, in den Medien, in der Öffentlichkeit. Und das ist sicher ein Punkt, um den es in den kommenden Jahren geht. Thema Mission, Thema Evangelisierung, Neuverkündigung. In Oberösterreich ist die Zahl der Praktizierenden erstaunlich hoch im Vergleich zum Rest von Österreich, aber die Zahl derer, die keinen Zugang zur Kirche haben, für die das Evangelium schon etwas Fremdes geworden ist, ist sehr groß. Und das muss uns bewegen, das muss uns herausfordern für einen Weg der Neuevangelisierung.“

Am Rand des Treffens übergab Kardinal Schönborn im Vatikan ein Memorandum der österreichischen Laieninitiative. Diese Gruppe sorgt sich um den Priestermangel und den Notstand in der Seelsorge und schlägt Wege vor, die von der Tradition abweichen: die Abschaffung des Pflichtzölibats und die Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt sowie von Frauen zum Diakonat.

„Das war nicht direkt Thema dieses Treffens, aber ich habe ja der Laieninitiative versprochen, dass ich ihr Memorandum persönlich überreichen werde, das habe ich heute gemacht, ich hab es Kardinal Hummes, dem Präfekten der Kleruskongregation – der zuständig ist für den Klerus in der ganzen Welt - mit einem persönlichen Begleitschreiben überreicht und ihn gebeten, das mit Aufmerksamkeit zu lesen. Auch wenn ich mit manchen Schlussfolgerungen dieser Initiative nicht einverstanden bin, das habe ich ihnen auch offen gesagt, so glaube ich doch, dass es wichtig ist, dass man in Rom weiß, was ein Teil unserer Laien zu den Sorgen der Kirche denkt.“

Der Vorgang, dass eine Gruppe Bischöfe zur Aussprache nach Rom geladen wird, um über aktuelle Herausforderungen der Ortskirche zu beraten, ist ungewöhnlich. Normalerweise finden solche Gespräche im Rahmen der Ad Limina-Besuche alle fünf Jahre statt – der letzte für die Österreicher liegt allerdings schon einige Zeit zurück, er fand im Herbst 2005 statt. Zweimal wurde die Delegation von Papst Benedikt persönlich empfangen. Schönborn zeigte sich voll Dankbarkeit über die Möglichkeit zur Aussprache.

„Für uns war es ein sehr berührendes Erlebnis zu sehen, der Heilige Vater hat wirklich viel zu tun mit einer weltweiten Kirche, dass er sich für die kleine Ortskirche Österreich doch so viel Zeit nimmt, um unsere Sorgen zu hören, um die Sorgen Roms uns gegenüber zu artikulieren, und wir haben gespürt die tiefe Liebe des Heiligen Vaters für Österreich, für die Kirche in Österreich und sind ihm sehr, sehr dankbar.“
(rv 16.06.2009 gs)








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