Vatikan/Österreich: „Differenziert und brüderlich“
Ein brüderlicher Austausch
über den Zustand und den Weg der österreichischen Kirche – das war nach Angaben Kardinal
Christoph Schönborns das intensive zweitägige Treffen österreichischer Bischöfe mit
Papst Benedikt und mehreren Kurienchefs. Papst Benedikt ermutigte die Bischöfe in
der gegenwärtigen Lage dazu, den Glauben zu vertiefen, treu zum Zweiten Vatikanischen
Konzil und dem nachkonziliaren Lehramt zu stehen und dieses auch besser zu verbreiten.
Anlass für das Gesprächstreffen im Vatikan war die „Causa Wagner“, also der Verzicht
des vom Papst ernannten Linzer Weihbischofs Gerhard Wagner auf sein Amt, noch bevor
er es antrat. Die Gespräche gingen aber weit über diesen Anlass hinaus, so Kardinal
Schönborn im Radio Vatikan-Interview:
„Wir waren EINgeladen. Ich betone
das ausdrücklich, denn es war ein sehr herzliches, brüderliches Gespräch, wir sind
nicht nach Rom zitiert, sondern gebeten worden, um uns auszutauschen über die Situation
der Kirche in Österreich und speziell in der Diözese Linz. Es ist kein Geheimnis,
dass es dort große Spannungen gibt, dass es Fraktionen gibt, dass die Ernennung von
Dr. Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof große Kontroversen ausgelöst hat, dass sein
Rückzug bzw. seine Bitte an den Heiligen Vater, vom Amt zurücktreten zu können bzw.
nicht die Weihe empfangen zu müssen, auf der einen Seite willkommen geheißen wurde,
von anderen wiederum sehr bedauert wurde. Das alles sind Fakten, das macht Sorge,
wie sieht es aus in Linz, wie geht es weiter. Und daher wollte der Heilige Vater –
es war seine Initiative - uns einladen.“
Aus Österreich war die Spitze
der Bischofskonferenz angereist, also neben Kardinal Schönborn sein Stellvertreter,
Bischof Egon Kapellari, sowie der Salzburger Metropolit Erzbischof Alois Kothgasser,
ferner der Linzer Bischof Ludwig Schwarz und der Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof
Peter Stephan Zurbriggen. Die Beratungen über die Schwierigkeiten, aber auch die Stärken
der Kirche in Österreich waren thematisch breit gefächert:
„..über das
Priesterseminar, über die theologische Fakultät, über die Situation der Laien, über
die Fragen der Lehre, die anstehen, daher das Treffen an der Glaubenskongregation,
über Fragen der kirchlichen Disziplin. Alles in einer sehr differenzierten, brüderlichen
Weise. Wir hatten keinen Moment das Gefühl, dass wir hier auf einer Anklagebank sitzen,
sondern es war wirklich die gemeinsame Sorge.“
Zwei Aspekte hob Kardinal
Schönborn an den Gesprächen mit der Kurie besonders hervor: die Unersetzlichkeit der
katholischen Laien in der Gesellschaft und die Frage des Zölibats für Priester. Diese
beiden kirchlichen Fragen stellten sich in ganz Europa.
„Der Heilige Vater
hat uns etwas sehr Beeindruckendes zum Thema Zölibat gesagt, weil das natürlich in
Österreich und speziell in Oberösterreich ein heiß diskutiertes Thema ist. Er hat
gesagt: Es geht letztlich um die Frage, ob wir daran glauben, dass es möglich ist,
dass es sinnvoll ist, ein Leben ganz und gar auf dieses eine Fundament zu stellen,
auf Gott. Und im Dienst für Gott und für Jesus Christus diesen Dienst auch in einer
Lebensform gewissermaßen Gestalt werden zu lassen, in der Lebensform der Ehelosigkeit,
wie Jesus sie verstanden hat – um des Himmelreiches willen. Nicht aus Misstrauen gegenüber
der Ehe oder als Missachtung der Ehe, sondern weil das höchste Gut, das uns gegeben
ist, Gott, Jesus Christus, gegenwärtig in der Welt ist und es deshalb möglich und
sinnvoll ist, sein Leben ganz auf Christus zu stellen.“
Einig waren sich
die Österreicher und die Vertreter des Heiligen Stuhles darüber, dass katholische
Laien sich gesellschaftlich mehr einbringen sollten. Schönborn:
„Das spüren
wir in ganz Europa, in Österreich und auch in Linz: Wir haben sehr viele Laien, speziell
in der Diözese Linz, die sich in der Kirche engagieren. Und das ist etwas äußerst
Positives und zu Begrüßendes. Wir brauchen dringend Laien, die sich in der Gesellschaft
engagieren. Mehr und mehr spüren wir an allen Ecken und Enden, dass jetzt die Stunde
der Laien in der Gesellschaft ist - in den Berufen, in der Wirtschaft, im politischen
Leben, in den Medien, in der Öffentlichkeit. Und das ist sicher ein Punkt, um den
es in den kommenden Jahren geht. Thema Mission, Thema Evangelisierung, Neuverkündigung.
In Oberösterreich ist die Zahl der Praktizierenden erstaunlich hoch im Vergleich zum
Rest von Österreich, aber die Zahl derer, die keinen Zugang zur Kirche haben, für
die das Evangelium schon etwas Fremdes geworden ist, ist sehr groß. Und das muss uns
bewegen, das muss uns herausfordern für einen Weg der Neuevangelisierung.“
Am
Rand des Treffens übergab Kardinal Schönborn im Vatikan ein Memorandum der österreichischen
Laieninitiative. Diese Gruppe sorgt sich um den Priestermangel und den Notstand in
der Seelsorge und schlägt Wege vor, die von der Tradition abweichen: die Abschaffung
des Pflichtzölibats und die Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt sowie
von Frauen zum Diakonat.
„Das war nicht direkt Thema dieses Treffens, aber
ich habe ja der Laieninitiative versprochen, dass ich ihr Memorandum persönlich überreichen
werde, das habe ich heute gemacht, ich hab es Kardinal Hummes, dem Präfekten der Kleruskongregation
– der zuständig ist für den Klerus in der ganzen Welt - mit einem persönlichen Begleitschreiben
überreicht und ihn gebeten, das mit Aufmerksamkeit zu lesen. Auch wenn ich mit manchen
Schlussfolgerungen dieser Initiative nicht einverstanden bin, das habe ich ihnen auch
offen gesagt, so glaube ich doch, dass es wichtig ist, dass man in Rom weiß, was ein
Teil unserer Laien zu den Sorgen der Kirche denkt.“
Der Vorgang, dass eine
Gruppe Bischöfe zur Aussprache nach Rom geladen wird, um über aktuelle Herausforderungen
der Ortskirche zu beraten, ist ungewöhnlich. Normalerweise finden solche Gespräche
im Rahmen der Ad Limina-Besuche alle fünf Jahre statt – der letzte für die Österreicher
liegt allerdings schon einige Zeit zurück, er fand im Herbst 2005 statt. Zweimal wurde
die Delegation von Papst Benedikt persönlich empfangen. Schönborn zeigte sich voll
Dankbarkeit über die Möglichkeit zur Aussprache.
„Für uns war es ein sehr
berührendes Erlebnis zu sehen, der Heilige Vater hat wirklich viel zu tun mit einer
weltweiten Kirche, dass er sich für die kleine Ortskirche Österreich doch so viel
Zeit nimmt, um unsere Sorgen zu hören, um die Sorgen Roms uns gegenüber zu artikulieren,
und wir haben gespürt die tiefe Liebe des Heiligen Vaters für Österreich, für die
Kirche in Österreich und sind ihm sehr, sehr dankbar.“ (rv 16.06.2009 gs)