Vatikan: „Theologie muss sich noch das Konzil aneignen“
Das kirchliche Lehramt bezieht sich „in vielen seiner Dokumente auf das Konzil“ –
„von der Theologie hingegen kann dies keineswegs angenommen werden“. Das sagt der
vatikanische „Chefhistoriker“, der bayrische Priester Walter Brandmüller. In einem
Interview mit der „Tagespost“ meint der Präsident des Päpstlichen Komitess für Geschichtswissenschaften,
„dass das päpstliche postkonziliare Lehramt die authentische Interpretation beziehungsweise
Entfaltung der Lehren des Konzils darstellt“. Jetzt müssten sich auch noch die Theologen
das Konzil zu eigen machen. Es genüge etwa, „die Werke der meisten zeitgenössischen
katholischen Neutestamentler mit der Konzilskonstitution „Dei verbum" über die göttliche
Offenbarung zu vergleichen, um zwischen beiden große Widersprüche festzustellen“,
so Brandmüller. Und wörtlich: „Eine nicht geringe Anzahl von Neutestamentlern ist
davon überzeugt, dass Joseph der Vater Jesu ist und dass das leere Grab des Ostermorgens
ein Interpretament und keineswegs eine historische Tatsache ist. Gleiches gilt von
den im Neuen Testament berichteten Wundern Jesu. Und nach der wesenhaften Gottessohnschaft
Jesu Christi befragt, würden nicht wenige ausweichende Antworten geben. All das widerspricht
fundamental der Konstitution „Dei verbum", in der die historische Glaubwürdigkeit
der Evangelien mit Nachdruck festgehalten wird.“ Auch auf dem Gebiet der Moraltheologie
und der Dogmatik harrten viele Lehren des Konzils noch ihrer wirklichen Akzeptanz.
(tagespost 14.06.2009 sk)