Erzbischof Tutu: „Versöhungsprozess in Südafrika braucht Zeit“
Der Versöhnungsprozess
zwischen Schwarzen und Weißen in Südafrika wird noch viel Zeit brauchen. Das sagte
der südafrikanische anglikanische Alterzbischof und Friedensnobelpreisträger, Desmond
Tutu, am Freitag in einem Gespräch mit „Kathpress“. Durch die Apartheid seien die
Menschen in Südafrika mehr als 300 Jahre lang getrennt worden. Zu glauben, dass es
schon nach so kurzer Zeit eine vollständige Versöhnung geben könne, sei unrealistisch,
so Tutu.
„Versöhnung ist nicht einfach eine einzelne Handlung oder ein
einmaliges Ereignis, sie ist ein Prozess. Gemessen an der Ausgangslage ist es aber
erstaunlich, welche Stabilität und Fortschritte wir inzwischen erreicht haben.“
Seinen
persönlichen Einsatz für die Menschen bezeichnete Tutu als Konsequenz seines Christseins.
Jeder sollte mit seinen Möglichkeiten gegen Ungerechtigkeit auftreten, appellierte
der anglikanische Alterzbischof.
„Eine Person ist nur Person durch die Beziehung
zu Anderen. In der Isolation kann man nicht menschlich sein. Man lernt das Menschsein
von anderen Menschen. Das hat auch Martin Luther King gemeint als er sagte: „Wenn
wir nicht lernen als Schwestern und Brüder zu leben, dann werden wir gemeinsam als
Dummköpfe sterben.“
Es freue ihn zu sehen, dass schwarze und weiße Kinder
in dieselben Schulen gehen oder es gemischte Ehepaare gibt. Das sei vor wenigen Jahren
noch undenkbar gewesen, erinnert Tutu:
„Schwarze und Weiße, die zusammen
in denselben Vororten leben. Das hätte es damals nicht gegeben. Als ich Erzbischof
von Kapstadt wurde, war es eine Straftat, dass ich in meiner offiziellen Residenz
gewohnt habe, weil diese in einem ‚weißen‘ Gebiet lag. Ich hatte der Regierung damals
gesagt: ‚Ich bin der Erzbischof, das ist die Residenz, wo ich wohnen werde und ich
werde nicht um Eure Erlaubnis fragen‘.“
Erzbischof Tutu hält sich derzeit
im Rahmen einer Europareise in Österreich auf. Am Freitag wurde er von der Universität
Wien für seine international beachteten Leistungen um die Entwicklung der Befreiungstheologie
mit einem Ehrendoktorat ausgezeichnet.
Desmond Tutu wurde 1931 in Südafrika
geboren. Er wuchs in Johannesburg auf und wurde Lehrer. Als das Apartheid-Regime das
Unterrichtssystem immer mehr seiner Ideologie untertan machte, gab er den Lehrberuf
auf und wurde 1961 anglikanischer Priester. 1976 wurde Desmond Tutu Bischof von Lesotho,
1978 Generalsekretär des ‚South African Council of Churches‘. Für sein Engagement
gegen die Apartheid erhielt er 1984 den Friedensnobelpreis verliehen. 1985 wurde er
Bischof von Johannesburg und 1986 Erzbischof von Kapstadt. Seit 1996 ist er emeritiert.
Aktuell kämpft Desmond Tutu vor allem gegen die Ausbreitung von AIDS in Südafrika.