Bischof Müller: „Pius-Weihen im Widerspruch zum Kirchenrecht“ – „Wir haben hervorragende
Laienarbeit“
Illegale Weihen der
Piusbruderschaft und neue Querelen mit der Laienbewegung „Wir sind Kirche“ – dem Bistum
Regensburg bleiben in jüngster Zeit Auseinandersetzungen nicht erspart, weder in die
eine noch in die andere Richtung. Radio Vatikan sprach darüber mit dem Regensburger
Bischof, Gerhard Ludwig Müller.
Herr Bischof Müller, in Ihrer Diözese liegt
der deutsche Sitz der Priesterbruderschaft St. Pius X.. Wie jetzt bekannt wurde, wird
die Bruderschaft Ende Juni in Zaitzkofen neue Diakone und Priester weihen, obwohl
ihr das kirchenrechtlich nicht erlaubt ist. Sehen Sie darin einen neuerlichen Akt
des Widerstands gegen Rom, entgegen der barmherzigen Geste des Papstes, die Exkommunikation
der Bischöfe aufzuheben? „Ich habe jetzt gerade gelesen,
dass man die Diakonatsweihe woanders halten möchte, aber an der Priesterweihe am 27.
Juni festhalten will. Ich habe dort mit einem Verantwortlichen gesprochen. Ich habe
auch Vertreter der Bruderschaft eingeladen, nachdem sie darum gebeten haben, und sie
dann darauf hingewiesen, dass das ja im Widerspruch steht zum Kirchenrecht und dass
in einer solchen prekären Situation, man sich doch jetzt die Regeln vorgeben lässt
von Rom, wie jetzt in der nächsten Zeit vorzugehen ist. Einerseits sagt man (d.h.
die Piusbrüder, A.d.R.), man erkennt den Papst und den Bischof an und fügt sich ein
in das Kirchenrecht der katholischen Kirche, andererseits aber begeht man dann solche
Akte, die natürlich als Provokation angesehen werden müssen. Man muss es einfach so
lange suspendieren, bis auch die kirchenrechtliche Position dieser Priesterbruderschaft
klargestellt ist.“ Die Bruderschaft spricht davon,
dass es mit Ihnen am 13. Mai zu einem Gespräch kam, bei dem „in freundschaftlicher
Atmosphäre Argumente ausgetauscht und Missverständnisse ausgeräumt“ werden konnten.
Um welche Fragen ging es dabei? „Man hat mich informiert
von Seiten der Priesterbruderschaft, dass die Priesterbruderschaft Zaitzkofen und
anderswo betet, dass sie in der Gemeinschaft in der Heiligen Messe, in Gemeinschaft
mit dem Papst und dem konkreten Bischof steht. Das hat mich eigentlich gewundert -
angesichts sonstiger Äußerungen, die von dorther gekommen sind. Und ich habe ihnen
deutlich gemacht, dass man daraus auch die entsprechenden Folgerungen ziehen muss:
Wenn man in der Gemeinschaft mit dem Ortsbischof stehen möchte, dann muss man sich
eben auch an die Prinzipien der katholischen Dogmatik und der Moral, aber auch der
Disziplin halten.“ Sie sind Vorsitzender der Ökumene-Kommission
der Deutschen Bischofskonferenz und daher Debatten über abweichende theologische Auffassungen
gewohnt. Sind die Piusbrüder, Ihrer Wahrnehmung nach, eher unnachgiebige Verfechter
ihrer eigenen Haltung, oder sehen Sie bei ihnen noch Verhandlungsspielraum? „Die
Piusbrüder wollen ja keine eigene Kirche und kein eigenes Bekenntnis neben der katholischen
Kirche sein. Das unterscheidet sie also doch von anderen kirchlichen Gemeinschaften
und Gruppierungen, die sich von der katholischen Kirche eben auch organisatorisch
und im sakramentalen Verständnis getrennt haben. Aber wenn sie demnach für sich beanspruchen,
katholisch zu sein, dann müssen sie eben auch alle katholischen Prinzipien anerkennen.
Und da wundere ich mich über Schwierigkeiten, das Lehramt des Papstes anzuerkennen.
Die Bruderschaft hat ja auch in dem Brief, den sie im Januar an den Papst geschrieben
ha, zum Ausdruck gebracht, dass sie voll und ganz den Primat bejaht. Mir ist einfach
unverständlich, dass man nicht bereit ist, daraus auch die Konsequenzen für sich selbst
zu ziehen.“ Sie sagen selbst, das Verhalten der Piusbrüder
ist widersprüchlich. Ist es denn überhaupt vorstellbar, dass die Bruderschaft eines
Tages eventuell wieder einen Platz innerhalb der katholischen Kirche einnehmen kann?
Und wenn ja, welcher wäre das? „Ja, man könnte sich vorstellen,
dass sie als eine Bruderschaft existiert, innerhalb der Kirche, mit einem eigenen
Vorsitzenden oder Prälaten, der für sie zuständig ist. Wir haben ja auch andere Bruderschaften
oder Ordensgemeinschaften. Denn es ist innerhalb der Kirche legitim, dass sich Gruppierungen
zusammentun und einen Verein gründen oder eine Bruderschaft - aber es muss natürlich
auch anerkannt werden, dass man sich nicht einfach in eine abgeschottete Gemeinschaft
hineinbegibt, sondern dass man auch mit dem Ganzen der Kirche kommuniziert, und dass
hier die Lebenszusammenhänge nicht unterbrochen werden. Das bezieht sich auf die Lehre
der Kirche, auf die sakramentale Gemeinschaft und auf ihre sakramentale Grundordnung.
Wir wollen keine Kirche in der Kirche haben, aber Vereinigungen sind innerhalb der
Kirche möglich, wie wir es ja auch seit vielen Jahrhunderten gewohnt sind.“ Welche
Veränderung hat sich für ihr Bistum ergeben seit der Aufhebung der Exkommunikation:
Gibt es Interesse, Neugier oder Sorge der Katholiken bezüglich der Piusbruderschaft? „Ja,
natürlich war die Aufregung zunächst groß und auch die Beunruhigungen unserer Diözese
in Regensburg..., aber ich habe jetzt nicht den Eindruck, dass sich die Gläubigen
im Bistum besonders für die Piusbruderschaft interessieren und diese deshalb einen
großen Zulauf bekommen hat. Bei uns sind die Leute sehr zufrieden und auch gewöhnt
an die Form der erneuerten Liturgie. Und die Vorwürfe, die da manchmal (seitens der
Piusbruderschaft, A.d.R.) erhoben werden, dass es da Missbräuche gäbe oder dass der
Opfercharakter der Messfeier quasi geleugnet und ins Dunkel gesetzt würde, die sind
ja völlig aus der Luft gegriffen. Ich glaube, bei uns im Bistum Regensburg und in
vielen anderen Orten in Deutschland gibt es eine große Sorgfalt in der Feier der
Liturgie und ihrer Vermittlung, die dem Grundgedanken der erneuerten Liturgie Rechnung
trägt. Diese ist ja eine Gemeinschaftsfeier der Gläubigen mit dem Priester, der dieser
Feier vorsteht. An der Substanz der Eucharistiefeier vor und nach dem Konzil hat sich
nichts geändert. Das Konzil wollte ja gerade, dass die Gläubigen aktiv und tätig mitfeiern
können, dass Barrieren wie die unterschiedliche Sprache, also Latein, überwunden werden,
indem der jeweiligen Muttersprache ein größerer Anteil an der Messfeier gewährt wird.
Jedoch hat sich in der dogmatischen Substanz der Eucharistie- und Messfeier nichts
geändert, und deshalb gehen auch diese Vorwürfe, die hier zum Teil erhoben werden,
auch aus Kreisen der Piusbruderschaft, an der Realität vorbei.“ Dann
wenden wir den Blick von rechts außerhalb der Kirche auch einmal nach links. Vor kurzem
wurde ja ein neues Dekret der Apostolischen Signatur publik. Beschlossen wurde es
bereits am 15. März, und es bezieht sich auf einen konkreten Rechtsstreit im Bistum
Regensburg. Genauer geht es um eine Auseinandersetzungt zwischen Ihnen und dem ehemaligen
Diözesanratsvorsitzenden, Fritz Wallner. Könnten Sie noch einmal rekapitulieren, um
was es da im Kern ging? „Ja, Fritz Wallner und das mit
ihm befreundete Ehepaar Grabmeier sind Aktivisten einer bestimmten Richtung. Es ist
schon sehr viel darüber geschrieben worden, und es ist ja auch schon sehr viel darüber
bekannt, dass sie da ziemlich üble Kampagnen gegen meine Person ins Leben gerufen
haben. Das kann man alles auf deren Homepage nachlesen, was es da für unsägliche persönliche
Angriffe auf meine Person gab. Und es ist jetzt auch noch einmal bestätigt worden,
dass die dort verbreiteten eklkesiologischen Anschauungen, also die Vorstellung, was
Kirche ist, doch der katholischen Lehre in vielem widerspricht - gerade auch dem Zweiten
Vatikanum, auf das sie sich auch so ungerechtfertigt berufen wie die Piusbrüder. Herr
Wallner und Grabmeier sind eben den Rechtsweg gegangen, haben sich über die Entscheidung
des Bischofs beschwert und sind dann in allen Instanzen in Rom gescheitert. Die Signatur
hat ganz klar gesagt, dass diese Verhaltensweisen, die zum Ausschluss von Herrn Wallner
aus den Verwaltungsratswahlen geführt haben, rechtmäßig gewesen sind.“ Wie
beurteilen Sie das Dekret, und was bedeutet es für das Bistum Regensburg? „Es
ist ja ein asbchließendes Dekret, auf einen ganz konkreten Rechtsstreit bezogen. Das
bedeutet für das Bistum Regensburg nichts besonders Neues. Herr Wallner und Grabmeier
sind absolute Randfiguren, die vielleicht in den Medien große Resonanz finden, weil
man da meint, mit diesen gegen die Kirche Stimmung machen zu können. Aber man muss
sich auch einmal die Zahlenverhältnisse anschauen: Diese Gruppe „Laienverantwortung“,
der sie angehören, ist eine absolute Splittergruppe mit zwei Händen voller Leute und
ganz wenigen Aktivisten. Und diese Leute haben in keiner Weise eine Legitimation,
für die Laien im Bistum Regensburg zu sprechen. Wir haben unsere legitimen Gremien,
den Pastoralrat und das von den Laien selbst gegründete Diözesanratskommitee, also
der Katholikenrat. Die Arbeit für die katholische Kirche ist hier hervorragend. Wir
haben gerade gemeinsam die große Stadtmission in Regensburg gemacht. Die Zusammenarbeit
mit dem Bischof und den Pfarrern vor Ort läuft wunderbar. Wir haben eine ganz hervorragende
Laienarbeit. In vielen Verbänden, wie dem Frauenverband, haben wir die größten Gruppierungen
in ganz Deutschland. Jeder Vierte im Bistum Regensburg gehört einem kirchlichen Verein
an. Man muss sich einfach mal anschauen, was die Realität ist im Vergleich zu dem,
was die Medien an Diffamierungen gegen das Bistum Regensburg vorbringen.“ Das
Dekret geht konkret auf die Verbindung Wallners zur Laienbewegung „Wir sind Kirche“
ein. In den Medien wurde deshalb spekuliert, ob das Dekret nun als Rundumschlag gegen
Mitglieder von „Wir sind Kirche“ zu verstehen ist. Betrachten wir das Ganze mal kirchenrechtlich:
Würden Sie dem Text eine solche allgemeine Bedeutung zuschreiben oder als spezifische
Entscheidung in der Causa Wallner? „Die sich selbst anmaßend
als „Wir sind Kirche“ bezeichnende Gruppierung hat eigentlich real im religiösen und
karitativen Leben in Deutschland überhaupt keine Bedeutung... Bei uns sind sie völlig
bedeutungslos und bringen keinen einzigen positiven, aufbauenden Beitrag für das Leben
der Kirche... Es ist ja mehrmals vom Lehramt deutlich gemacht worden, dass viele dieser
so genannten Positionen der „Wir-sind-Kirche“-Grüppchen im Gegensatz zur katholischen
Lehre stehen, und man kann es diesen Gruppen nicht erlauben, dass sie sich selbst
als Kirche definieren und - vielleicht auch wie die entgegengesetzten extremen Gruppen
– der Kirche vorschreiben wollen, in welche Richtung sie ihre Lehre und sakramentales
Leben zu richten hat. Auch hier muss man sagen: Wer das Lehramt des Papstes und der
Bischöfe nicht anerkennt, der muss damit rechnen, dass er von den Bischöfen, vom Papst
oder den entsprechenden römischen Stellen zur Verantwortung gezogen wird.“ Ich
muss noch einmal einhaken: Beschließt das Dekret konkret, wer „Wir sind Kirche“ angehört,
kann nicht in einem kirchlichen Gremium sitzen? „Das ist
eine Entscheidung in einem konkreten Rechtsvorgang, den der Herr Wallner eingebracht
hat. Das ist abschlägig entschieden worden. Aber bei uns im Bistum Regensburg gilt
seit langem aufgrund dieser üblen Erfahrung, die ich mit dieser Gruppierung machen
musste, dass solche Leute, die sich in dieser unchristlichen Weise verhalten, nicht
in unseren Räten sein können... Es ist ja so, dass dieses Dekret sich auf einen bestimmten
Rechtsakt des Bischofs oder des Bistums bezieht. Eine Diözese wird ja nicht von Rom
aus regiert, sondern eben vom Bischof, der hier die „potestas ordinaria“ hat. Insofern
brauche ich als Bischof nicht darauf zu warten, was Rom sagt, um zu wissen, wie ich
mein Hirtenamt wahrzunehmen habe. Das ist eben auch die konziliare Lehre! Es ist klar,
welche die Amktskompetenzen eines Bischofs sind, und entsprechend handelt auch jeder
Bischof. Unter anderem hat er dafür zu sorgen, dass spalterische Tendenzen zurückgewiesen
werden beziehungsweise bestimmte Lehren oder Aktionen von Gruppen, die ihre eigene
Kirche gründen wollen. Diese Leute müssen zur Rechenschaft gezogen werden, indem man
ihnen sagt: ,Ihr bekommt hier keine Auftrittsfläche für Eure falschen Sichtweisen.‛
Da wird offiziell davon geredet, dass sie das Bischofsamt respektieren, aber die konkreten
Vertreter des Bischofsamtes werden dann mit einer menschlichen Abschätzigkeit und
Häme bedacht, dass es wirklich menschlich wie christlich unerträglich ist. Es geht
keineswegs darum, dass diese Leute andere Meinungen haben, sondern es geht um ihr
konkretes Verhalten, das zerstörerisch und verleumderisch ist und das in dieser Weise
nicht akzeptiert werden kann, weil es nicht aufbauend für die Kirche ist.“ Was
wünschen Sie sich für die Zukunft ihrer Diözese? „Wir
haben jetzt gerade in unserer Stadtmission gezeigt, wie die Arbeit bestens verläuft,
wenn hier 300 Laien von der Gemeinschaft Emmanuel kommen und vielleicht tausend Leute
aus den Pfarrgemeinderäten, die zusammenarbeiten und innerhalb von nur zehn Tagen
400 Veranstaltungen plus 150 Hauskreise organisieren. Das hatte eine große positive
Resonanz in der Stadt. Da brauche ich mir nichts Neues zu wünschen. Ich bin eigentlich
dankbar für das, was hier in den letzten Wochen, Monaten und Jahren im Bistum Regensburg
geschehen ist, gerade aufgrund der Zusammenarbeit mit den Laien.“ Das
Interview führte Antje Dechert.