Die Kirche feiert an diesem Sonntag und Montag die Sendung des Heiligen Geistes, den
Jesus seinen Jüngern verheißen hat: die Vollendung des Christus- und Ostermysteriums.
Das erste Pfingstfest war nach dem Bericht der Apostelgeschichte (Apg 2,1–11) an einem
jüdischen Feiertag, dem Erntedankfest für die Weizenernte, das fünfzig Tage nach dem
Paschafest gefeiert wurde. Aus dem agrarischen Fest ist im Lauf der Zeit ein heilsgeschichtliches
Fest geworden, nämlich der Erinnerungstag an den Bundesschluss auf dem Sinai. Wenn
Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, den Heiligen Geist im Sturm auf die Jünger
herabkommen läßt, dann erinnert das an die Exodus-Erzählung vom Bund Gottes mit seinem
Volk.
Dass die Jünger nach der Herabkunft des Heiligen Geistes in allen Zungen
sprechen, ist wiederum als Umkehrung der Geschichte vom Turmbau zu Babel zu lesen,
als Gott die Sprachen der Menschen verwirrte. Übrigens: Auch wenn Lukas Zuhörer aus
allen möglichen Nationen aufführt, dann handelt es sich dabei doch nach seiner Darstellung
ausdrücklich um Juden. Und die erste große Predigt des Petrus ist denn auch erkennbar
eine judenchristliche Argumentation, die sich auf den Zuhörern Bekanntes, etwa König
David, beruft. Am Anfang der weltweiten Mission der Kirche steht also die Judenmission...
Der
Name des Pfingstfestes, der sich von der griechischen Zahl fünfzig herleitet (50.
Tag = Pentekoste = Pfingsten) sagt, dass Pfingsten kein in sich ruhendes, sondern
ein nach Ostern zurückschauendes, noch zur Osterfeier gehörendes Fest ist, so etwas
wie eine »Schlussfuge«, in der ein Motiv der Osterbotschaft kraftvoll herausgearbeitet
wird: Christus lebt, und wir leben in ihm, d.h. in seinem Heiligen Geist.