Tausende Guatemalteken
fordern in Kundgebungen den Rücktritt von Präsident Alvaro Colom und ein Ende der
Drogengewalt im Land. Auslöser für die sozialen Unruhen war vor zwei Wochen der Mord
an einem prominenten Anwalt, Rodrigo Rosenberg. Tags darauf veröffentlichten Guatemalas
Fernsehanstalten ein Video, in dem Rosenberg gleichsam seinen Mord ankündigte und
den Staatspräsidenten und dessen Ehefrau dafür verantwortlich machte. Die Regierung
Colom trat vor zwei Jahren mit dem Versprechen an, für mehr Sicherheit in Guatemala
zu sorgen – bisher ohne sichtbare Erfolge. Unsere Korrespondentin Brigitte Schmitt
erreichte den Vorsitzenden der guatemaltekischen Bischofskonferenz, Gonzalo de Villa
y Vasquez. Hier ihr Bericht. Mit ernster Miene und im Rücken das versammelte
Kabinett, wies Guatemalas Präsident Alvaro Colom im Staatsfernsehen jede Schuld an
der Causa Rosenberg von sich:
„Die Regierung verurteilt aufs schärfste
diesen Mord und spricht den Angehörigen ihr tiefstes Beileid aus. Wir weisen kategorisch
die in dem Video gemachten Anschuldigungen zurück, mit denen man versucht, den Präsidenten,
die Präsidentengattin und meinen Privatsekretär als Verantwortliche dieses Mordes
auszumachen. Wir haben nichts zu verbergen und wir wollen, dass das Geschehen bis
ins Detail aufgeklärt wird.“
Inzwischen sind zwei Wochen seit dem Anwaltsmord
vergangen, und noch ist kein Verdächtiger verhaftet, geschweige denn eine Anklage
erhoben worden. Den Guatemalteken reicht es – so interpretiert Bischof Gonzalo de
Villa y Vasquez, Vorsitzender des Episkopates, ihre Kundgebungen:
„Sicher
war der Mord an dem Anwalt und das Video, in dem er seinen Mord ankündigte, Anlass,
dass eine breite Bevölkerung in Demonstrationen ihren Überdruss über die Gewalt zum
Ausdruck brachte, die das ganze Land überzieht. Die Leute sind es leid. Es gibt soviel
Ungerechtigkeit, weil wir nur sehr selten erfahren, wer hinter einer Gewalttat, einem
Verbrechen steckt. So viele gehen straflos aus.“
Die Demonstranten gegen
die Regierung waren hauptsächlich Städter der Mittelklasse. Die Colom-Regierung stellte
freilich eine Gegenbewegung auf die Beine, indem sie Leute vom Land mobilisierte,
bestätigt der Bischof.
„Man muss auch sagen, so gravierend die Anschuldigungen
von Rosenberg sind, so gibt es keine offenkundigen Beweise. Andererseits war sich
Rosenberg seiner Sache sicher, und gewiss fühlte er sich bedroht, sonst hätte er das
Video nicht aufgenommen.“
Anwalt Rosenberg sah sich zu seiner drastischen
Anklage gezwungen, nachdem einer seiner Klienten, ein bekannter Unternehmer und dessen
Tochter, im März ermordet worden waren. Dieser Unternehmer wollte nicht länger eine
Bestechungsaffäre decken, in die angeblich auch hohe Regierungsvertreter verwickelt
sein sollen. Das Video des 47-jährigen Rosenberg klingt wie der verzweifelte Appell
eines rechtschaffenen Bürgers: „Wir dürfen nicht zulassen, dass
Guatemala in die Hände dieser Leute fällt!!“
Er meint dabei die Drogenmafia
und Politiker, die sich widerstandslos von ihr haben einfangen lassen. Die Gewalt
der „Narcos“, der Drogendealer, regiert das Land, weiß auch Bischof de Villa: „Leider
überschlagen sich in Guatemala jede Woche die Meldungen von schlimmen Ereignissen.
Das ist das Drama, das wir in Guatemala erleben. Diese Ungerechtigkeit, die das ganze
Land trifft und alle sozialen Schichten. Erst vor zwei Wochen wurde auch ein Priester
in der Gegend von Alta Verapaz ermordet. Angeblich ein Raubüberfall. Aber wir bezweifeln,
ob das das Motiv war.“
Der Bischof erfährt immer wieder von seinem Klerus,
dass Priester bedroht würden - oft seien es Konflikte mit sozialem Hintergrund. Von
Todesdrohungen an seine Mitbrüder, wie sie an Bischof Ramazzini von San Marcos gerichtet
wurden, habe er aber nichts gehört. Sicher könne man aber von einem offensichtlich
bewusst gesteuerten Versuch der Destabilisierung der Regierung sprechen, meint de
Villa. Hier dürfe die Kirche nicht schweigen. Anwalt Rosenberg sagte im Video, er
wolle nicht vor seine Kinder hintreten und sagen müssen, er habe nichts getan. Für
Bischof de Villa ist klar:
„Die Kirche muss vor allem die Menschen aufrütteln.
Wir müssen das, was wir wissen, anzeigen, mit klarer und kräftiger Stimme, auch wenn
uns das dann in Schwierigkeiten bringt. Wir müssen die Wahrheit verteidigen, wenn
soviel manipuliert wird und die Leute nicht mehr wissen, wem sie glauben können. Das
wird nicht einfach sein angesichts des Einflusses von mächtigen Leuten.“ (rv
25.05.2009 bs)