2009-05-20 18:17:57

Grüne Gentechnik-Debatte im Vatikan


Umweltschützer hatten keine Freude damit: Die päpstliche Akademie der Wissenschaften beschäftigte sich in ihrer eben zu ende gegangenen Vollversammlung mit grüner Gentechnik. Die Frage, die der Heilige Stuhl prüfen will, lautet: Kann der Anbau genetisch modifizierter Pflanzen das Problem des Hungers auf der Welt eindämmen?

Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften ist ein Forum ohne Scheuklappen. Obwohl „päpstlich“ sozusagen drauf steht, sind nicht nur Katholiken drin, sondern auch Andersgläubige oder Agnostiker. Was zählt, ist die wissenschaftliche Qualifikation – die meisten der ernannten Mitglieder können einen Nobelpreis vorweisen. So auch der Schweizer Mikrobiologe Werner Arber, Vorstandsmitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Er rückt zunächst einmal den Vorwurf zurecht, der Vatikan habe zu dieser Sitzung ausschließlich Befürworter der grünen Gentechnik eingeladen und auf Kritiker verzichtet. Wahr ist, so Arber, dass die Akademie…

„vornehmlich Leute eingeladen hat, die eher in privaten Institutionen und Universitäten als bei großen Firmen arbeiten. Man kann nicht alle gleichstellen, aber es geht uns darum, einmal zu sehen, was das Potential ist, ob und was für Risiken zu erwarten sind, und wie man diese Risiken behandeln soll.“

In den Lebenswissenschaften spielen Pflanzen eine zentrale Rolle, erklärt der Mikrobiologe.

„Pflanzen sind ja der Hintergrund unserer täglichen Ernährung. Es geht hier darum, in dieser Tagung sich Gedanken zu machen: Wie kann man gewisse Pflanzen nicht nur ertragreicher machen, sondern reichhaltiger und so, dass die Pflanzen auch fähig sind, gegen äußere Stresssituationen der Umwelt, zum Beispiel Trockenheit oder Insektenfraß, genügen Resistenz zu haben, dass sie darunter nicht leiden.“

Gerade für schwierige Anbaugebiete könnte also die grüne Gentechnik in Zukunft interessante Lösungen bieten. Doch regen sich da – auch in katholischen Kreisen – sofort Bedenken ethischer Art. So sagte uns der Kameruner Bischof George Nkuo von Kumbo, er betrachte die „neuartigen Pflanzen“ mit Sorge, weil ihr Anbau die ohnehin schon armen Bauern der Dritten Welt schädigen würde:

„In ganz Afrika ist es sehr wichtig, herkömmliche Agrarpraktiken beizubehalten und wieder auf diese zurückzukommen. Die Menschen müssen in der Lage sein, das Land so zu bewirtschaften, wie es sich traditionell als gut herausgestellt hat. Meine Sorge ist die, dass herkömmliche Bauern aussterben, wenn wir diese massiven Einwirkungen der Gentechnik auf Afrika – und auch andere Entwicklungsländer – zulassen.“

 
Auch die zahlreichen Nebeneffekte der grünen Gentechnik seien ethisch auf Herz und Nieren zu prüfen, sagt der Bischof aus Kamerun. Nebeneffekte etwa…

auf die gesundheitliche Verfassung der Menschen, auf die Umwelt insgesamt und auch Nebeneffekte wirtschaftlicher Natur. Hierzu bin ich kein Experte. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns von den Wissenschaftlern darüber aufklären lassen. Ich selbst kann nur die armen Bauern und Feldarbeiter dazu aufrufen, stark zu bleiben, herkömmlich zu produzieren und eine Interessensgemeinschaft zu den Umweltfragen zu bilden.“

Der Heilige Stuhl hat bisher noch keine offizielle Stellungnahme zur Genmanipulation von Pflanzen und Lebensmitteln abgegeben. Und wenn nun im Vatikan Fachleute zum Thema „Genfood“ zusammentreten, heißt das noch lange nicht, dass der Heilige Stuhl ihre Anschauungen teilt. Werner Arber:

„Die Päpstliche Akademie greift im Auftrag der Kirche Problemstellungen auf. In diesem Fall hat die Akademie dieses Thema ausgewählt, weil wir erwarten, dass längerfristig gesehen – also in einigen Jahrzehnten – die Methode der Gentechnik (in der Landwirtschaft) von großer Bedeutung sein wird. Es geht darum, unsere tägliche Ernährung besser zu gestalten und zu verbessern. Man bedenke, dass die Bevölkerungszahl ständig steigen wird. Ernährung ist somit ein humanitäres Problem. Deshalb erwarte ich als Wissenschaftler, dass sich die Kirche längerfristig mit diesen Fragen befassen sollte. Daher ist es gut, dass sie wissenschaftliche Grundlagen kennt.“
(rv 20.05.2009 gs)







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