Bilanz der Papstreise – „Bild-Zeitung” und „Welt” im Streitgespräch
Hätte sich Benedikt
XVI. bei seinem Besuch in Yad Vashem besser entschuldigen sollen? Und was wird bleiben
von dieser zwölften Auslandsreise des Papstes aus Deutschland? Das fragte Stefan Kempis
zwei deutsche Journalisten: Andreas Englisch von der „Bild-Zeitung“ und Paul Badde
von „Die Welt“. Letzte Stunden des Papstbesuchs – was ist Ihre Bilanz?
Badde:
„Er hat sich übertroffen; er hat alle Erwartungen übertroffen; und er ist keinen Erwartungen
nachgekommen.“
Englisch: „Ich glaube, dass es im allgemeinen eine positive
Reise war; ich glaube aber auch, dass mehr möglich gewesen wäre. In dieser Stunde
in Yad Vashem hätte ich geglaubt, dass es besser gewesen wäre, eine klare Entschuldigung
zu sagen!“
Badde: „Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht. Nach meiner
Meinung musste er sich überhaupt nicht entschuldigen – er ist als Papst und als Priester
gekommen, nicht als Politiker, und er wollte sich nicht instrumentalisieren lassen.
Genau diesen Erwartungen wollte er sich nicht beugen!“ Das Bild,
das von dieser Reise bleiben wird?
Englisch: „Sicher der Papst an
der Klagemauer… und auch das Bild des Papstes in Yad Vashem, weil es das Bild einer
verpassten Gelegenheit ist. Es ist das einzige Mal in der Geschichte, dass ein Papst
aus Deutschland, der den Nazi-Terror noch gesehen und erlebt hat, in Yad Vashem war
– und er hat kein einziges persönliches Wort darüber verloren! Das wird als eine Enttäuschung
in die Geschichte eingehen.“
Badde: „Es wird auf gar keinen Fall als
eine Enttäuschung in die Geschichte eingehen – er hat darüber gesprochen, was den
Horror übersteigt: das Ewige Leben und Gott. Er hat im Grunde Hiob zitiert: „Ich weiß,
dass mein Erlöser lebt…“, er hat im Grunde gesagt: Selbst dieser Horror war nicht
das Ende – das hat er durchbrochen. – Ein anderes Bild, das bleiben wird: Er und der
König in Amman. Er hat da drei Jahre nach Regensburg mit der Welt des Islam ein Tor
auf die Zukunft hin geöffnet.“ Hat diese Papstreise nach Israel
den Eindruck von vorher in Jordanien verwischt?
Englisch: „Nein,
das würde ich nicht sagen. Der Jordanien-Teil war sehr, sehr erfolgreich, das war
sehr wichtig… also, diese ganze Geschichte von Regensburg ist in Amman sehr erfolgreich
vom Tisch gewischt worden. Das würde ich ganz klar als einen Sieg werten! – Israel
war sicher auch wichtig, weil es ein unheimlich schwieriger Boden ist: Hier keine
Fehler zu machen, ist schon ein klarer Erfolg, und das ist ihm gelungen.“
Badde:
„Egal, was er in Yad Vashem gemacht hätte – es wäre nie genug (gewesen). In Yad Vashem
ist alles nie genug! Darum war es kein Fehler… Dass er jetzt aber zwei Klagemauern
besucht hat, die Klagemauer in Jerusalem und die Klagemauer in Bethlehem, ist ein
neues Meisterstück in der Geschichte der Päpste!“