Der Papst fuhr durch
die Mauer – und damit war er weg. Jedenfalls für die israelische Presse. Bei vielen,
etwa dem populären „Jedijot Achronot“, reichte es gerade mal zu einem Foto
von Benedikt mit der Sperrmauer im Hintergrund, und das war’s dann auch schon. Anders
als an diesem Donnerstag, an dem die Messe von Nazareth auch im israelischen Fernsehen
übertragen wird, gab es von der Messe in Bethlehem am Vortag keine Live-Bilder in
Israels TV. „Papst fordert souveränes Territorium für Palästinenser“, titelt die
„Jerusalem Post“. Benedikt habe die „Sicherheitsmauer“ „tragisch“ genannt und
für ein Ende des Embargos gegen den Gaza-Streifen gebetet. Palästinensische Verantwortliche
seien sehr zufrieden mit dem Verlauf der Papstvisite und hofften jetzt auf mehr Pilger
in Bethlehem, um der dortigen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen – während
christliche Familien hofften, dass künftig weniger von ihren jungen Leuten nach Amerika
oder Europa auswandern. Nach dem Urteil der „Post“ haben palästinensische Offizielle
den Besuch Benedikts im Flüchtlingslager Aida „ausgenutzt, um ein Recht auf Rückkehr
in ihre früheren Dörfer in Israel zu bekräftigen“. Ein weiterer Artikel im Blatt beschäftigt
sich mit den Hoffnungen in Nazareth auf einen Pilgeransturm; Benedikts Abstecher in
die Stadt habe sich „jetzt schon ausgezahlt, weil Israels Regierung etwa 6 Millionen
in die Infrastruktur investiert“ habe. Kurz vor der Ankunft des Papstes in Nazareth
wurde dort nach Auskunft der Zeitung ein „Jesus-Wanderweg“ eingeweiht, der 65 Kilometer
weit bis zum See Genezareth führt. Die eher linke „Ha’aretz“ kommt diesmal
nicht auf die Papstrede in Yad Vashem zurück, die sie in den letzten zwei Tagen nahezu
in Grund und Boden kritisiert hat. Stattdessen berichtet sie kurz und sachlich über
den Bethlehem-Tag Benedikts. Schlagzeile: „Papst nennt Westbank-Zaun ein Symbol des
Stillstands“. Die Zeitung notiert, dass eigens für den Papst eine neue Straße an der
Mauer entlang zur Schule des Flüchtlingscamps Aida gebaut worden war. Palästinensische
Sicherheitskräfte hätten die Straßen Bethlehems abgeriegelt, israelische Scharfschützen
hätten Stellung auf den Dächern der Geburtsstadt Jesu bezogen. Die meisten Teilnehmer
an der Papstmesse waren nach Ansicht von „Ha’aretz“ „Touristen, Journalisten und palästinensische
Sicherheitskräfte“. In einem weiteren, eher launigen Artikel fragt sich die Zeitung,
„ob Juden ein Jesus-Problem haben“, und bringt dazu einen Witz: „Sie müssen uns Juden
verzeihen, wenn wir ein bisschen nervös sind. Zweitausend Jahre christlicher Nächstenliebe
haben unsere Nerven etwas zerrüttet.“ Palästinensische Zeitungen berichten natürlich
ausführlich und durchgehend enthusiastisch über den Tag des Papstes bei ihnen: Sie
sprechen von einer „historischen Visite“ und schildern besonders ausführlich die Begegnung
Benedikts mit Palästinenser-Präsident Abu Mazen. Einige Schlagzeilen aus der wichtigen
„Al Quds“: „Papst grüßt die Menge im Flüchtlingslager mit der rassistischen
Mauer im Hintergrund“ – „Papst ist enttäuscht von der tragischen Mauer, die die Westbank
zerschneidet“ – „Benedikt wünscht die Schaffung einer souveränen palästinensischen
Nation, Präsident fordert ein Ende der Besatzung“. Abu Mazen habe, so die Zeitung,
von einem israelischen Plan gesprochen, der darauf abziele, die christliche und islamische
Präsenz in der Heiligen Stadt systematisch zu zerstören. „Al-hayat al-dschadida“
titelt: „Papst fordert sicheren Staat für Palästinenser und ist traurig über die `tragische`
Mauer“. Ein Artikel berichtet von einem palästinensischen Mädchen, das auf dem Ölberg
in Jerusalem einen Brief auf das Papamobil geworfen habe. Darin drücke es seine Trauer
darüber aus, dass die israelischen Behörden ihm das Residenzrecht in Jerusalem entzogen
hätten. Ein weiterer Artikel berichtet, dass der palästinensische Franziskaner Ibrahim
Faltas aus Bethlehem von vielen solcher Briefe berichtet, die in diesen Wochen an
Papst Benedikt geschrieben worden seien. Darin gehe es immer wieder darum, dass Israels
Behörden den Palästinensern Schwierigkeiten machten, die die Familien immer mehr unter
Druck setzten. „Riesen-Empfang in Bethlehem, Abu Mazen fordert ein Ende des Leidens
der Palästinenser“ – so lautet die Überschrift der „Palestine Press“. Die Tageszeitung
„Al ayam“ bringt zwei Schlagzeilen auf ihrer Titelseite: „Papst grüßt von Bethlehem
aus die Menschen in Gaza und ruft nach einem Ende des Embargos“, und zweitens „Papst
wünscht die Schaffung einer souveränen palästinensischen Nation.“ Sympathisch ist
eine Karikatur des „Palestine News Network“: Es zeigt Benedikt XVI., der hoch
oben auf der Sperrmauer steht und von dort aus hinuntersegnet. Ganz so weit ist es
in Bethlehem aber doch nicht gekommen.