2009-05-14 11:51:35

Presseschau vom Donnerstag


RealAudioMP3 Der Papst fuhr durch die Mauer – und damit war er weg. Jedenfalls für die israelische Presse. Bei vielen, etwa dem populären „Jedijot Achronot“, reichte es gerade mal zu einem Foto von Benedikt mit der Sperrmauer im Hintergrund, und das war’s dann auch schon. Anders als an diesem Donnerstag, an dem die Messe von Nazareth auch im israelischen Fernsehen übertragen wird, gab es von der Messe in Bethlehem am Vortag keine Live-Bilder in Israels TV.
„Papst fordert souveränes Territorium für Palästinenser“, titelt die „Jerusalem Post“. Benedikt habe die „Sicherheitsmauer“ „tragisch“ genannt und für ein Ende des Embargos gegen den Gaza-Streifen gebetet. Palästinensische Verantwortliche seien sehr zufrieden mit dem Verlauf der Papstvisite und hofften jetzt auf mehr Pilger in Bethlehem, um der dortigen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen – während christliche Familien hofften, dass künftig weniger von ihren jungen Leuten nach Amerika oder Europa auswandern. Nach dem Urteil der „Post“ haben palästinensische Offizielle den Besuch Benedikts im Flüchtlingslager Aida „ausgenutzt, um ein Recht auf Rückkehr in ihre früheren Dörfer in Israel zu bekräftigen“. Ein weiterer Artikel im Blatt beschäftigt sich mit den Hoffnungen in Nazareth auf einen Pilgeransturm; Benedikts Abstecher in die Stadt habe sich „jetzt schon ausgezahlt, weil Israels Regierung etwa 6 Millionen in die Infrastruktur investiert“ habe. Kurz vor der Ankunft des Papstes in Nazareth wurde dort nach Auskunft der Zeitung ein „Jesus-Wanderweg“ eingeweiht, der 65 Kilometer weit bis zum See Genezareth führt.
Die eher linke „Ha’aretz“ kommt diesmal nicht auf die Papstrede in Yad Vashem zurück, die sie in den letzten zwei Tagen nahezu in Grund und Boden kritisiert hat. Stattdessen berichtet sie kurz und sachlich über den Bethlehem-Tag Benedikts. Schlagzeile: „Papst nennt Westbank-Zaun ein Symbol des Stillstands“. Die Zeitung notiert, dass eigens für den Papst eine neue Straße an der Mauer entlang zur Schule des Flüchtlingscamps Aida gebaut worden war. Palästinensische Sicherheitskräfte hätten die Straßen Bethlehems abgeriegelt, israelische Scharfschützen hätten Stellung auf den Dächern der Geburtsstadt Jesu bezogen. Die meisten Teilnehmer an der Papstmesse waren nach Ansicht von „Ha’aretz“ „Touristen, Journalisten und palästinensische Sicherheitskräfte“. In einem weiteren, eher launigen Artikel fragt sich die Zeitung, „ob Juden ein Jesus-Problem haben“, und bringt dazu einen Witz: „Sie müssen uns Juden verzeihen, wenn wir ein bisschen nervös sind. Zweitausend Jahre christlicher Nächstenliebe haben unsere Nerven etwas zerrüttet.“
Palästinensische Zeitungen berichten natürlich ausführlich und durchgehend enthusiastisch über den Tag des Papstes bei ihnen: Sie sprechen von einer „historischen Visite“ und schildern besonders ausführlich die Begegnung Benedikts mit Palästinenser-Präsident Abu Mazen. Einige Schlagzeilen aus der wichtigen „Al Quds“: „Papst grüßt die Menge im Flüchtlingslager mit der rassistischen Mauer im Hintergrund“ – „Papst ist enttäuscht von der tragischen Mauer, die die Westbank zerschneidet“ – „Benedikt wünscht die Schaffung einer souveränen palästinensischen Nation, Präsident fordert ein Ende der Besatzung“. Abu Mazen habe, so die Zeitung, von einem israelischen Plan gesprochen, der darauf abziele, die christliche und islamische Präsenz in der Heiligen Stadt systematisch zu zerstören.
Al-hayat al-dschadida“ titelt: „Papst fordert sicheren Staat für Palästinenser und ist traurig über die `tragische` Mauer“. Ein Artikel berichtet von einem palästinensischen Mädchen, das auf dem Ölberg in Jerusalem einen Brief auf das Papamobil geworfen habe. Darin drücke es seine Trauer darüber aus, dass die israelischen Behörden ihm das Residenzrecht in Jerusalem entzogen hätten. Ein weiterer Artikel berichtet, dass der palästinensische Franziskaner Ibrahim Faltas aus Bethlehem von vielen solcher Briefe berichtet, die in diesen Wochen an Papst Benedikt geschrieben worden seien. Darin gehe es immer wieder darum, dass Israels Behörden den Palästinensern Schwierigkeiten machten, die die Familien immer mehr unter Druck setzten. „Riesen-Empfang in Bethlehem, Abu Mazen fordert ein Ende des Leidens der Palästinenser“ – so lautet die Überschrift der „Palestine Press“. Die Tageszeitung „Al ayam“ bringt zwei Schlagzeilen auf ihrer Titelseite: „Papst grüßt von Bethlehem aus die Menschen in Gaza und ruft nach einem Ende des Embargos“, und zweitens „Papst wünscht die Schaffung einer souveränen palästinensischen Nation.“ Sympathisch ist eine Karikatur des „Palestine News Network“: Es zeigt Benedikt XVI., der hoch oben auf der Sperrmauer steht und von dort aus hinuntersegnet. Ganz so weit ist es in Bethlehem aber doch nicht gekommen.

(rv 14.05.2009 sk)
 







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