Spannungen und Hass zwischen christlichen Gemeinden und Juden lassen sich schon in
der Frühphase des Christentums nachweisen, als sich die Anhänger des Juden Jesus aus
ihrer ursprünglichen Religionsgemeinschaft lösten und zu einer eigenen Glaubensgemeinschaft
wurden. Christen wurden in dieser Phase von Juden verfolgt. Umgekehrt polemisierten
christliche Kirchenväter gegen die Juden. So wurden diese unter Berufung auf das Neue
Testament für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als „Gottesmörder“ beschuldigt.
Judenfeindliche
Haltung von Christen brach vor allem in gesellschaftlichen Krisensituationen wie den
Kreuzzügen oder dem Ausbruch der Pest im 14. Jahrhundert aus. Sie wurde genährt durch
antijüdische Legenden über angebliche Hostienfrevel, Ritualmorde oder die Vergiftung
von Brunnen. Auch wirtschaftliche Ursachen wie die, den Juden, aber nicht den Christen
im Mittelalter erlaubte Geld- und Pfandleihe mündeten in Gewalttaten, Vertreibungen
und Zwangsbekehrungen. Vielerorts mussten in den Städten die Juden in abgesonderten
Judengassen oder Gettos leben.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde dieser
christlich motivierte Antijudaismus von einem Antisemitismus überlagert, der sich
vor allem aus der Rassenideologie und nationalistischen Quellen speiste. Er führte
unter anderem in Russland und Polen zu schweren Pogromen. Seine furchtbarste Ausprägung
erhielt der Antisemitismus in der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die die
völlige Ausrottung des Judentums plante und mehr als sechs Millionen Juden umbrachte.
In
der Folge des Holocaust kam es in den christlichen Großkirchen zu einem Umdenkungsprozess.
Die katholische Kirche räumte ein, dass kirchlicher Antijudaismus und Antisemitismus
zum millionenfachen Mord an Juden beigetragen und eine verbreitete Gleichgültigkeit
vieler Christen gegenüber der Shoah begünstigt hätten. Einen vielbeachteten Wendepunkt
für die katholische Kirche brachte das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), das
die Juden als „unsere von Gott geliebten Brüder und Schwestern“ bezeichnete.
In
einem 1998 veröffentlichten Vatikan-Dokument zum Holocaust äußerte die Kirche zwar
Bedauern über das „Versagen ihrer Söhne und Töchter aller Generationen“ gegenüber
den Juden. Eine Mitschuld der Kirche als Institution wurde aber abgelehnt. Im Jahr
2000 sprach mit Johannes Paul II. erstmals in der Geschichte der Kirche ein Papst
ein umfassendes „Mea culpa“ für die Fehler und Sünden von Christen in den zurückliegenden
2.000 Jahren aus.
In jüngster Zeit kam es wiederholt zu Spannungen zwischen
der Kirche und dem Judentum. Ein Konfliktpunkt ist die erneuerte Karfreitagsfürbitte
und die damit verbundene Frage der Judenmission. Vertreter beider Seiten betonten
jedoch, das inzwischen starke Fundament der gegenseitigen Beziehungen sei durch die
jüngsten Querelen nicht dauerhaft zu erschüttern.