2009-05-12 09:53:01

Reportage: „Erbittet für Jerusalem Frieden“


RealAudioMP3 20 Minuten - „ein historischer Moment“: Stefan von Kempis berichtet vom Besuch Benedikts XVI. an der Klagemauer.

Kurz vor zehn Uhr Jerusalemer Zeit: das Gefolge des Papstes kommt über eine Brücke vom Tempelberg direkt hinunter zur Klagemauer hinunter. Es ist heiß vor der „Western Wall“; der Platz, wo sonst Juden beten und singen, ist geräumt und wirkt auf einmal sehr leer, überall sieht man nur Journalisten und Sicherheitsbeamte. Kardinal Bertone und der New Yorker Rabbiner Schneier unterhalten sich angeregt; einige aus dem Papst-Gefolge wirken etwas nervös, alle tragen aus Respekt eine jüdische Kippa auf dem Kopf; zwischen den dicken Steinquadern aus der Zeit des Herodes ruht sich eine graue Taube aus. Benedikt kommt in einer schwarzen Limousine vorgefahren; er steigt aus, begrüßt den Direktor und den Rabbiner dieses heiligen Orts, er lächelt etwas verhalten, geht mit schnellen Schritten. Vor der Klagemauer sind zwei Stehpulte aufgebaut; der Rabbiner der Klagemauer, Shmuel Rabinovich, trägt mit lauter Stimme auf Hebräisch einen Psalm vor. Dann ist Benedikt dran; er setzt sich die Lesebrille auf und fängt an, auf lateinisch zu lesen, seine Stimme ist leise, anfangs kaum zu verstehen. Der Papst hat sich für einen Psalm entschieden, dessen Kernsatz heißt: „Erbittet für Jerusalem Frieden“. Als er geendet hat, hört man das Klicken der Lesebrille, als er sie aufs Pult zurücklegt.
Benedikt XVI. geht zur Klagemauer – es ist fast wie eine Heraufbeschwörung dieses magischen Moments, als vor neun Jahren der kranke Johannes Paul diesen Weg ging. Der Papst schiebt einen großen, zusammengefalteten Gebetszettel zwischen die Quader; das gelingt nicht gleich. Dann verharrt er ein paar Minuten, mit gefalteten Händen, bewegungslos. Kein Kniefall, keine demonstrative Geste. Über seinem Kopf flattern zwei Schwalben; die Stille wird nur mal von den Rufen einiger Fotografen oder Sicherheitsbeamten unterbrochen. Der Papst dreht sich um, geht zurück, die Hände immer noch gefaltet, und begrüßt einige jüdische Rabbiner. Schneier ist da, ein Freund des Papstes, er spricht Benedikt auf deutsch an; ein paar Gesprächsfetzen lassen sich verstehen, etwa: „dass wir weiterarbeiten“, und dann: „Ich bin mit Ihnen“. Die Atmosphäre, bisher etwas konzentriert-gedrückt, lockert sich auf, Schneier macht sogar einen Witz. „Ich bin der Oberrabbiner von Frankreich“, sagt einer der Anwesenden zu Benedikt; ein anderer überreicht eine kleine Skulptur und ein dickes Buch über die Klagemauer, Titel: „Die Steine unseres Erbes berühren“. Zwanzig Minuten ungefähr, dann ist die Visite Benedikts an der Klagemauer vorüber. Ein historischer Moment, gewiss – auch wenn jede spektakuläre Geste unterblieben ist. Nur 24 Stunden später wird Benedikt wieder vor einer Mauer stehen – beim Besuch in Bethlehem nämlich. Und das wird dann wirklich ein neues Bild sein, das es mit Johannes Paul noch nicht gegeben hat – denn die Mauer von Bethlehem, eine Klagemauer ganz anderer Art, steht erst seit ein paar Jahren.

(rv 12.05.2009 sk)







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