Papstpredigt am Ölberg: „Im Heiligen Land ist Platz für alle“
Christen im Heiligen Land sollten sich für eine pluralistische, multiethnische und
multireligiöse Gesellschaft engagieren. Dazu hat Papst Benedikt an diesem Dienstagnachmittag
bei einem Gottesdienst in Jerusalem aufgerufen. Mit rund 3000 Gläubigen zelebrierte
das Kirchenoberhaupt im Josafat-Tal am Fuße des Jerusalemer Ölbergs die Heilige Messe
in hebräischer, arabischer und lateinischer Sprache. Seine Predigt trug der Papst
auf Englisch vor. Darin wandte er sich vor allem an die Christen im Heiligen Land.
Sie stünden in der direkten Nachfolge der ersten Jünger:
„Wenn ich heute
vor euch stehe, möchte ich den Schwierigkeiten, dem Schmerz und dem Leid Anerkennung
zollen, die so viele von euch infolge der Konflikte ertragen mussten, die diese Region
heimgesucht haben, sowie den bitteren Erfahrungen der Vertreibung, die so viele eurer
Familien gemacht haben und – Gott verhüte es – vielleicht noch machen müssen. Ich
hoffe, meine Anwesenheit hier ist ein Zeichen, dass man euch nicht vergessen hat,
dass eure beharrliche Anwesenheit und euer Zeugnis wirklich wertvoll sind vor Gott
und dass sie für die Zukunft dieser Region wesentlich sind. Aufgrund eurer tiefen
Verwurzelung in diesem Land, eurer altehrwürdigen und starken christlichen Kultur
und eures unerschütterlichen Vertrauens in Gottes Verheißungen seid ihr, die Christen
des Heiligen Landes, dazu berufen, nicht nur ein Lichtstrahl des Glaubens für die
universale Kirche zu sein, sondern auch Sauerteig der Eintracht, der Weisheit und
des Gleichgewichts im Leben einer Gesellschaft, die traditionell stets pluralistisch,
multiethnisch und multireligiös war und dies auch weiterhin ist.“ Jerusalem
sei ein Mikrokosmos unserer globalisierten Welt, so der Papst weiter. Aus biblischer
Sicht habe die Stadt eine universelle Berufung. Sie sollte daher ein Ort sein, der
Universalität, Achtung der anderen, Dialog und gegenseitiges Verständnis lehrt. „Sie
muß ein Ort sein, an dem Voreingenommenheit und Unwissen sowie die Furcht, die sie
nährt, durch Ehrlichkeit, Integrität und Streben nach Frieden überwunden werden. Innerhalb
dieser Mauern darf es keinen Platz geben für Gewalt, Engstirnigkeit, Unterdrückung
und Rache. Alle, die an einen gnädigen Gott glauben – seien sie Juden, Christen oder
Muslime – müssen als erste diese Kultur der Versöhnung und des Friedens fördern, wie
mühevoll und langsam der Prozess auch immer sein mag und wie schwer die Last der Erinnerung
auch immer wiegt.“ Ein besonderes Augenmerk legte der Papst auf
diejenigen Christen, die unter der gegenwärtigen Lage zu leiden hätten. Die Jugend
des Landes nahm das Kirchenoberhaupt dabei besonders in den Blick: „An dieser
Stelle möchte ich direkt eine tragische Realität ansprechen, die alle, die diese Stadt
und dieses Land lieben, mit großer Besorgnis erfüllen muß: die Abwanderung so vieler
Angehöriger der christlichen Gemeinde in den letzten Jahren. Während verständliche
Gründe viele und besonders junge Menschen dazu veranlassen auszuwandern, so bringt
diese Entscheidung für die Stadt eine große kulturelle und geistliche Verarmung mit
sich. Heute möchte ich das wiederholen, was ich bereits bei anderen Gelegenheiten
gesagt habe: Im Heiligen Land ist Raum für alle! Ich bitte die staatlichen Autoritäten
eindringlich, die Anwesenheit der Christen an diesem Ort zu achten und zu unterstützen,
und ich möchte euch auch die Solidarität, die Liebe und die Unterstützung der ganzen
Kirche zusichern.“ Bleiben, Ausharren, Zeugnis ablegen, das waren
die Hauptanliegen der Papstpredigt am Fuße des Ölbergs. Zeugnis ablegen für den christlichen
Glauben, der „die Herzen aufschließt und uns zur Ganzhingabe an den Herrn in Glaube,
Hoffnung und Liebe bewegt“, so die Worte Benedikts XVI.