2009-05-11 14:51:13

Yad Vashem: Welche Holocaust-Überlebende trifft der Papst?


Bei seinem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem trifft Papst Benedikt XVI. an diesem Montag auch Überlebende des Holocaust. Die Verantwortlichen der Israelischen Behörde haben vier Frauen und drei Männer ausgewählt und dabei Wert gelegt auf ihre unterschiedlich verlaufene Geschichten. Birgit Pottler hat einen Blick auf die Lebensläufe geworfen.

Drei der sieben Holocaust-Überlebenden, die mit dem deutschen Papst zusammentreffen, stammen aus Polen:
Ed Mosberg wurde 1926 in Krakau geboren und mit der gesamten Familie 1941 im dortigen Ghetto interniert. Zwei Jahre später kam Ed ins Konzentrationslager Plaszow, war hier direkt dem Kommandanten unterstellt und musste zahlreichen Hinrichtungen beiwohnen, unter den Opfern Mitglieder seiner eigenen Familie. Ed wurde später nach Mauthausen deportiert und arbeitete im Steinbruch. Am 5. Mai 1945 befreiten die Amerikaner Mauthausen; Ed, 19 Jahre, war der einzige Überlebende seiner Familie. Mit seiner Frau, ebenfalls Polin, die fast alle Angehörigen in der Nazizeit verloren hatte, lebt er heute in den USA und bemüht sich um den Aufbau jüdischer Gemeinden. Lange habe er geschwiegen, aber heute empfinde er es als „seine Pflicht, zu erzählen“.

Israele Hargil, Jahrgang 1938, stammt aus einer Musikerfamilie. Ihre Ortschaft Brody wurde 1941 von den Deutschen besetzt, ihre Mutter von Gestapo-Leuten ermordet. Für die 6.000 Juden aus Brody entstand 1943 das Ghetto, die knapp 15-jährige Israele floh und versteckte sich bei Freunden der Familie, mit denen sie später nach Krakau zog. Nach 1945 wurde sie Mitglied in der Zionistischen Jugendbewegung, fand ihren Vater wieder und ging mit ihm 1948 nach Israel. Yad Vashem würdigte Israeles Gastfamilie als „Gerechte unter den Völkern“.

Dan Landsberg wurde 1939 in Warschau geboren. Nur ein Jahr später kam seine Familie ins Ghetto, nach zwei Jahren gelang es, das Kleinkind im Waisenhaus eines Klosters zu verstecken. Dan zog später unter falscher Identität mit einer Gastfamile weiter nach Ostpolen. 1944 rettete ihn ein russischer Soldat; ein Deutscher hatte die Pistole auf ihn gerichtet. Dan blieb in Polen, heiratete und zog erst 1965 nach Israel. Eine der Ordensfrauen aus dem Waisenhaus erzählte ihm später von einer Durchsuchung des Klosters durch die Deutschen nach jüdischen Kindern. Dan zu verstecken, sei keine Zeit gewesen, so dass sie den dreijährigen unter ihrem Habit verbarg: „Sie sagte den Deutschen, dass das Kloster gar keine Kinder verstecke. Und in absoluter Stille ging sie durch die Küche, mich unter ihrem Kleid zwischen die Beine geklemmt, damit ich nicht auf die Erde fiel.“ 2007 würdigte Yad Vashem diese Ordensfrau, Gertruda Marciniak, posthum als „Gerechte unter den Völkern“.

Ivan Vranetic (geboren 1927 in Vrbas, Jugoslawien) ist seit 1970 selbst „Gerechter unter den Völkern“ und außerdem Ehrenbürger Israels. Mit 17, 1943, hatte er in Jugoslawien Juden auf der Flucht vor den Deutschen geholfen und eine junge Frau mit Kind und Mutter versteckt; als die Deutschen die Region um Topusko erreichten, warnte er die Juden und half bei der Suche nach neuen Verstecken. Mit der jungen Frau, die später nach Israel immigrierte, blieb er auch nach dem Krieg in Kontakt; 20 Jahre später heiratete er sie.

Die ehemalige Soldatin und in Israel heute bekannte Schrifstellerin Ruth Bondy, Jahrgang 1923, stammt aus Prag. Nach der Besetzung durch Hitler-Deutschland 1939 wurde sie zur Feldarbeit gezwungen, kam ins Ghetto, wurde 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, kam von dort aber in ein Arbeitslager bei Hamburg und schließlich nach Bergen-Belsen. Bei der Befreiung 1945 wog die 22-Jährige 35 Kilogramm. Ihre Eltern hatten die Shoah nicht überlebt. Sie kehrte für kurze Zeit nach Prag zurück, ging dann aber als künftiges Mitglied der israelischen Streitkräfte nach Israel. In einem ihrer Bücher schreibt sie über die Ankunft im neuen Staat Israel, der so anders war, als das „Land of Israel“, von dem sie in der Diaspora geträumt hatte: „Nachdem er unsere entzückten Schreie gehört hatte, hielt der Fahrer an und erlaubte uns, Fallobst aufzusammeln: Goldfarbene Orangen lagen auf dem Feld und niemand hatte sich darum gekümmert, sie einzusammeln! Jeder von uns zukünftigen Soldaten füllte sich die Taschen mit Orangen. Im Bus schälten wir sie, inhalierten ihren Duft und aßen sie ganz langsam: Sie schmeckten nach dem ersehnten Land of Israel, das ich den Jahren der Dunkelheit vor Augen hatte“ (Shvarim Shlemin, „Whole Fractures“, S. 89).

Avraham Ashkenazi wurde 1939 im griechischen Thessaloniki geboren. Seine Familie erhielt nach dem deutschen Einmarsch von befreundeten Christen falsche Papiere. Als Christen „getarnt“ gelang es ihnen so, in die von Italien besetzte Zone Griechenlands zu fliehen. Wie schon in Thessaloniki unterhielt die Familie eine Gerberei; Avraham erinnert sich, dass seine Eltern mit ihm jeden Sonntag zur Messe gingen. Über die Türkei, Syrien und den Libanon kam die Familie 1944 nach Israel. Avraham lebt heute in Jaffa.

Gita Kalderon, Jahrgang 1926, stammt aus dem heutigen Bitola in Mazedonien. Nach der Annexion durch Bulgarien floh die 17-Jährige Gita im März 1943 mit Freunden bis in die italienische Zone Griechenlands; ihre Familie wurde bis auf ihren Bruder verhaftet und ins Todeslager Treblinka gebracht. Nach der Übernahme der Deutschen wurde auch Gita verhaftet, sie kam zunächst nach Auschwitz, dann nach Bergen-Belsen und über Weinsberg und die Tschechoslowakei nach Mauthausen. „Ich fühlte, dass es zu Ende ging“, erinnert sie sich. Sie sei völlig entkräftet gewesen und habe „Gras vom Straßenrand gegessen“. Nach der Befreiung ging Gita zurück nach Jugoslawien und heiratete den Anführer der Fluchtgruppe von 1943. 1948 gingen sie gemeinsam mit der ersten Tochter nach Israel. Heute arbeitet Gita, 83 Jahre alt, ehrenamtlich in einem Kinderkrankenhaus.

(rv 11.05.2009 bp)








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