P. Hofmann: „Keinen siebenarmigen Leuchter unterm Bett“
Pater Norbert Hofmann
ist im vatikanischen Einheitsrat für das Gespräch mit dem Judentum zuständig. Stefan
Kempis fragte ihn nach seinen Erwartungen an den Papstbesuch.
„Ich denke,
dieser Besuch von Papst Benedikt wird auf jeden Fall einen Stimulus darstellen für
den jüdisch-katholischen Dialog; er wird gleichsam das Siegel sein für unseren Dialog
mit dem Oberrabbinat Israels hier in Jerusalem. Der Papst wird ja die beiden Oberrabbiner
treffen, und er wird an die Klagemauer gehen: ein Bild, das Juden ganz besonders wichtig
ist und Symbolwert hat. Er wird dort auch einen Gebetszettel in die Ritzen der Klagemauer
stecken, und das ist eine große Geste voller Symbolik, die die Juden gut verstehen,
weil sie das selber auch so tun. Dann wird er in Yad Vashem der Holocaust-Opfer gedenken
– ganz wichtig für unseren jüdisch-katholischen Dialog, dieses Gedenken an den Holocaust
und seine Opfer. Man muss nämlich bedenken, dass der Holocaust ein Pfeiler der jüdischen
Identität ist, genauso wie der Staat Israel, wie die Thora und die anderen religiösen
Bestimmungen.“
Der Rektor der Hebräischen Universität hatte Papst Benedikt
zu einer Vorlesung an seiner Universität eingeladen; das wäre doch eigentlich ein
schönes Pendant gewesen zu seinem Auftritt vor muslimischen Intellektuellen in der
König-Hassan-Moschee von Amman. Ist es nicht schade, dass das nicht zustande gekommen
ist? „Es ist natürlich auch so, dass Papst Benedikt für die Muslime
Zeichen setzen will; wie so etwas ausgestaltet und konkretisiert wird, das hängt auch
an den Planern des Papstprogramms. Ich denke: Die Zeichen sind da und sind wichtig;
wie man das nun ausgestaltet hat, darüber kann man sich streiten.“
Vor
ein paar Wochen und Monaten waren wir noch mitten in der Affäre Williamson, und das
vatikanisch-jüdische Verhältnis schien zerrüttet wie noch nie – und jetzt kommt Benedikt!
„Diese
Reise war schon vor der Williamson-Affäre geplant. Der Papst ist nicht in die Türkei
geflogen, um nach der Regensburger Rede alles wiedergutzumachen; der Papst fliegt
nicht nach Israel, um alles wiedergutzumachen für die Williamson-Affäre. Das war schon
länger im Programm. Die Williamson-Affäre hat sich eigentlich geklärt; wir konnten
mit unseren jüdischen Gesprächspartnern sehr schnell ins Einvernehmen kommen; also,
es ist nicht so, als ob der Papst jetzt noch irgendetwas wiedergutmachen müsste oder
offen gebliebene Rechnungen begleichen müsste. Er war immer hier willkommen, und unsere
jüdischen Gesprächspartner freuen sich! Es ist ein ganz wichtiges und deutliches Zeichen
für die Vertiefung des jüdisch-katholischen Gesprächs.“
Einige Christen
sagen: Nur zehn Minuten im Papst-Programm für Christen aus Gaza und der West-Bank,
aber ein eigener Abstecher Benedikts ins Oberrabbinat. Ist das nicht ungleichgewichtig?
„Der
interreligiöse Dialog spielt auch eine Rolle hier beim Papstbesuch – genauso wie die
Bestärkung und Ermutigung der christlichen Gemeinden hier. Wie man das nun gewichtet,
das ist auch wieder eine Frage der Programmplaner. Ich denke: Beide Zeichen sind wichtig
– also die christlichen Gemeinden hier vor Ort zu stärken, aber auch den interreligiösen
Dialog mit Juden und mit Moslems zu stimulieren und zu bestärken.“
Benedikt
XVI. geht voraussichtlich mit seinem Brustkreuz an die Klagemauer – aber eine Delegation
der österreichischen Bischofskonferenz mit Kardinal Schönborn wurde vor kurzem wegen
ihrer bischöflichen Brustkreuze nicht zur Klagemauer vorgelassen. Ist das nicht Augenwischerei:
Der Papst darf das, das sieht auch nach außen gut aus, aber im Alltag geht das nicht?
„Als
der Papst in Köln in die Synagoge ging, hat man mich auch gefragt, ob der Papst sein
Brustkreuz ablegen soll, weil das eben eine Anfrage war. Es ist ganz normal, dass
Juden auf unsere religiösen Symbole reagieren. Was man macht, hängt von der Absprache
ab – ob man das mit den entsprechenden jüdischen Autoritäten geklärt hat. Ich denke:
Respekt gegenüber religiösen Symbolen ist angebracht – von uns gegenüber Juden, aber
auch von Juden gegenüber uns!“
Welchen konkreten Impuls erwarten Sie sich
denn für das vatikanisch-jüdische Gespräch?
„Benedikt XVI. wollte immer
das vertiefen, was Johannes Paul II. schon gemacht hat – das aber auf seine eigene
Art und Weise, aufgrund seiner eigenen Persönlichkeit. Der Besuch hier wird ganz klar
das Engagement Johannes Pauls II. besiegeln und bestärken; Papst Benedikt wird da
auch eigene Akzente setzen, doch es reicht schon, dass er hier ist und sagt: Es ist
gut, dass wir im Gespräch miteinander sind, lasst uns das fortsetzen. Es ist doch
wichtig, auch die Kontinuität zu betonen!“
Ein deutscher Papst in Yad Vashem
– noch dazu vor dem Hintergrund der Kontroverse um eine Abbildung von Papst Pius XII.
andernorts in Yad Vashem… hat das nicht etwas Beklemmendes?
„Der Papst wird
der Holocaust-Opfer gedenken, aber nicht in dieses Museum gehen, wo eine Darstellung
Pius XII.` zu finden ist. Ich glaube, dass sich in der Angelegenheit Pius XII. die
Dinge noch klären werden – die Archive zum Pontifikat sind noch nicht offen, und da
wird man sicher noch abwarten, was definitive Schritte betrifft. Wichtig ist, dass
der Papst der Holocaust-Opfer gedenkt, und das macht man hier eben üblicherweise in
Yad Vashem.“
Vor etwa zehn Jahren bat Ministerpräsident Netanjahu den Papst
im Vatikan, doch einmal genau nachzuschauen, ob sich nicht irgendwo im Vatikan noch
der Siebenarmige Leuchter aus dem Tempel von Jerusalem finden ließe. Ist man auf ähnliche
Anfragen jetzt vorbereitet?
„Das ist eine alte Bemerkung aus dem Talmud,
dass der Siebenarmige Leuchter in Rom aufgewahrt werden soll, und es hat schon Rabbiner
gegeben, die bei uns danach angefragt haben… aber ich habe dann immer jeweils versichert,
dass der Papst unter seinem Bett diesen Leuchter nicht versteckt hat. Und wir haben
ja auch alles zugänglich gemacht, was mit Judentum zu tun hat – die hebräischen Manuskripte
der Vatikanischen Bibliothek und jüdische Inschriften. Also, diese Frage kommt öfters
mal, eher von orthodoxen oder ultra-orthodoxen Juden, aber das ist auch klar, wie
wir da antworten.“
Immer wieder kommt von jüdischer und israelischer Seite
die Anfrage: Warum öffnet der Vatikan seine Archive zum Pontifikat von Pius XII. und
zur Nazizeit nicht? Hier wird der Papst diesen Fragen womöglich noch stärker ausgesetzt
als von Besuchern in Rom. Hat man sich da jetzt eine Antwort zurechtgelegt?
„Warum
die Archive zum Pontifikat von Pius XII. erst in sechs oder sieben Jahren geöffnet
werden, hat rein technische Gründe. Eine Delegation von amerikanischen Juden war mal
vor einem Jahr bei uns; denen hat der Leiter der Vatikanischen Geheimarchive erklärt,
dass es einfach eine technische Angelegenheit ist; dass zuwenig Personal da ist und
dass das Zeit braucht. Die müssen extra ausgebildet sein; er hat auch angeboten, dass
man fremde Kräfte sponsert, aber die müssen natürlich mit den vatikanischen Gepflogenheiten
vertraut sein. Insofern ist das also keine Hinhaltetaktik: Da will man nicht die Wahrheit
vertuschen, sondern es ist eine rein technische Frage. Es braucht seine Zeit, bis
das alles aufbereitet ist.“
Wenn Sie einen Zettel mit einem Gebetswunsch
für das christlich-jüdische Verhältnis in eine herodianische Ritze der Klagemauer
schieben würden – was würden Sie draufschreiben?
„Dass wir auf den guten
Gleisen, auf die wir gefunden haben, weitermachen können. Dass wir weiter für Frieden
und Gerechtigkeit zum Wohl aller Menschen zusammenarbeiten können. Und dass in diesem
Land hier endlich Friede einkehren kann… auch aufgrund unserer Dialogtätigkeit.“