2009-05-10 17:04:09

P. Hofmann: „Keinen siebenarmigen Leuchter unterm Bett“


RealAudioMP3 Pater Norbert Hofmann ist im vatikanischen Einheitsrat für das Gespräch mit dem Judentum zuständig. Stefan Kempis fragte ihn nach seinen Erwartungen an den Papstbesuch.

„Ich denke, dieser Besuch von Papst Benedikt wird auf jeden Fall einen Stimulus darstellen für den jüdisch-katholischen Dialog; er wird gleichsam das Siegel sein für unseren Dialog mit dem Oberrabbinat Israels hier in Jerusalem. Der Papst wird ja die beiden Oberrabbiner treffen, und er wird an die Klagemauer gehen: ein Bild, das Juden ganz besonders wichtig ist und Symbolwert hat. Er wird dort auch einen Gebetszettel in die Ritzen der Klagemauer stecken, und das ist eine große Geste voller Symbolik, die die Juden gut verstehen, weil sie das selber auch so tun. Dann wird er in Yad Vashem der Holocaust-Opfer gedenken – ganz wichtig für unseren jüdisch-katholischen Dialog, dieses Gedenken an den Holocaust und seine Opfer. Man muss nämlich bedenken, dass der Holocaust ein Pfeiler der jüdischen Identität ist, genauso wie der Staat Israel, wie die Thora und die anderen religiösen Bestimmungen.“

Der Rektor der Hebräischen Universität hatte Papst Benedikt zu einer Vorlesung an seiner Universität eingeladen; das wäre doch eigentlich ein schönes Pendant gewesen zu seinem Auftritt vor muslimischen Intellektuellen in der König-Hassan-Moschee von Amman. Ist es nicht schade, dass das nicht zustande gekommen ist?
 
„Es ist natürlich auch so, dass Papst Benedikt für die Muslime Zeichen setzen will; wie so etwas ausgestaltet und konkretisiert wird, das hängt auch an den Planern des Papstprogramms. Ich denke: Die Zeichen sind da und sind wichtig; wie man das nun ausgestaltet hat, darüber kann man sich streiten.“

Vor ein paar Wochen und Monaten waren wir noch mitten in der Affäre Williamson, und das vatikanisch-jüdische Verhältnis schien zerrüttet wie noch nie – und jetzt kommt Benedikt!

„Diese Reise war schon vor der Williamson-Affäre geplant. Der Papst ist nicht in die Türkei geflogen, um nach der Regensburger Rede alles wiedergutzumachen; der Papst fliegt nicht nach Israel, um alles wiedergutzumachen für die Williamson-Affäre. Das war schon länger im Programm. Die Williamson-Affäre hat sich eigentlich geklärt; wir konnten mit unseren jüdischen Gesprächspartnern sehr schnell ins Einvernehmen kommen; also, es ist nicht so, als ob der Papst jetzt noch irgendetwas wiedergutmachen müsste oder offen gebliebene Rechnungen begleichen müsste. Er war immer hier willkommen, und unsere jüdischen Gesprächspartner freuen sich! Es ist ein ganz wichtiges und deutliches Zeichen für die Vertiefung des jüdisch-katholischen Gesprächs.“

Einige Christen sagen: Nur zehn Minuten im Papst-Programm für Christen aus Gaza und der West-Bank, aber ein eigener Abstecher Benedikts ins Oberrabbinat. Ist das nicht ungleichgewichtig?

„Der interreligiöse Dialog spielt auch eine Rolle hier beim Papstbesuch – genauso wie die Bestärkung und Ermutigung der christlichen Gemeinden hier. Wie man das nun gewichtet, das ist auch wieder eine Frage der Programmplaner. Ich denke: Beide Zeichen sind wichtig – also die christlichen Gemeinden hier vor Ort zu stärken, aber auch den interreligiösen Dialog mit Juden und mit Moslems zu stimulieren und zu bestärken.“

Benedikt XVI. geht voraussichtlich mit seinem Brustkreuz an die Klagemauer – aber eine Delegation der österreichischen Bischofskonferenz mit Kardinal Schönborn wurde vor kurzem wegen ihrer bischöflichen Brustkreuze nicht zur Klagemauer vorgelassen. Ist das nicht Augenwischerei: Der Papst darf das, das sieht auch nach außen gut aus, aber im Alltag geht das nicht?

„Als der Papst in Köln in die Synagoge ging, hat man mich auch gefragt, ob der Papst sein Brustkreuz ablegen soll, weil das eben eine Anfrage war. Es ist ganz normal, dass Juden auf unsere religiösen Symbole reagieren. Was man macht, hängt von der Absprache ab – ob man das mit den entsprechenden jüdischen Autoritäten geklärt hat. Ich denke: Respekt gegenüber religiösen Symbolen ist angebracht – von uns gegenüber Juden, aber auch von Juden gegenüber uns!“

Welchen konkreten Impuls erwarten Sie sich denn für das vatikanisch-jüdische Gespräch?

„Benedikt XVI. wollte immer das vertiefen, was Johannes Paul II. schon gemacht hat – das aber auf seine eigene Art und Weise, aufgrund seiner eigenen Persönlichkeit. Der Besuch hier wird ganz klar das Engagement Johannes Pauls II. besiegeln und bestärken; Papst Benedikt wird da auch eigene Akzente setzen, doch es reicht schon, dass er hier ist und sagt: Es ist gut, dass wir im Gespräch miteinander sind, lasst uns das fortsetzen. Es ist doch wichtig, auch die Kontinuität zu betonen!“

Ein deutscher Papst in Yad Vashem – noch dazu vor dem Hintergrund der Kontroverse um eine Abbildung von Papst Pius XII. andernorts in Yad Vashem… hat das nicht etwas Beklemmendes?

„Der Papst wird der Holocaust-Opfer gedenken, aber nicht in dieses Museum gehen, wo eine Darstellung Pius XII.` zu finden ist. Ich glaube, dass sich in der Angelegenheit Pius XII. die Dinge noch klären werden – die Archive zum Pontifikat sind noch nicht offen, und da wird man sicher noch abwarten, was definitive Schritte betrifft. Wichtig ist, dass der Papst der Holocaust-Opfer gedenkt, und das macht man hier eben üblicherweise in Yad Vashem.“

Vor etwa zehn Jahren bat Ministerpräsident Netanjahu den Papst im Vatikan, doch einmal genau nachzuschauen, ob sich nicht irgendwo im Vatikan noch der Siebenarmige Leuchter aus dem Tempel von Jerusalem finden ließe. Ist man auf ähnliche Anfragen jetzt vorbereitet?

„Das ist eine alte Bemerkung aus dem Talmud, dass der Siebenarmige Leuchter in Rom aufgewahrt werden soll, und es hat schon Rabbiner gegeben, die bei uns danach angefragt haben… aber ich habe dann immer jeweils versichert, dass der Papst unter seinem Bett diesen Leuchter nicht versteckt hat. Und wir haben ja auch alles zugänglich gemacht, was mit Judentum zu tun hat – die hebräischen Manuskripte der Vatikanischen Bibliothek und jüdische Inschriften. Also, diese Frage kommt öfters mal, eher von orthodoxen oder ultra-orthodoxen Juden, aber das ist auch klar, wie wir da antworten.“

Immer wieder kommt von jüdischer und israelischer Seite die Anfrage: Warum öffnet der Vatikan seine Archive zum Pontifikat von Pius XII. und zur Nazizeit nicht? Hier wird der Papst diesen Fragen womöglich noch stärker ausgesetzt als von Besuchern in Rom. Hat man sich da jetzt eine Antwort zurechtgelegt?

„Warum die Archive zum Pontifikat von Pius XII. erst in sechs oder sieben Jahren geöffnet werden, hat rein technische Gründe. Eine Delegation von amerikanischen Juden war mal vor einem Jahr bei uns; denen hat der Leiter der Vatikanischen Geheimarchive erklärt, dass es einfach eine technische Angelegenheit ist; dass zuwenig Personal da ist und dass das Zeit braucht. Die müssen extra ausgebildet sein; er hat auch angeboten, dass man fremde Kräfte sponsert, aber die müssen natürlich mit den vatikanischen Gepflogenheiten vertraut sein. Insofern ist das also keine Hinhaltetaktik: Da will man nicht die Wahrheit vertuschen, sondern es ist eine rein technische Frage. Es braucht seine Zeit, bis das alles aufbereitet ist.“

Wenn Sie einen Zettel mit einem Gebetswunsch für das christlich-jüdische Verhältnis in eine herodianische Ritze der Klagemauer schieben würden – was würden Sie draufschreiben?

„Dass wir auf den guten Gleisen, auf die wir gefunden haben, weitermachen können. Dass wir weiter für Frieden und Gerechtigkeit zum Wohl aller Menschen zusammenarbeiten können. Und dass in diesem Land hier endlich Friede einkehren kann… auch aufgrund unserer Dialogtätigkeit.“

(rv 10.05.2009 sk)








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