Selten erregt ein
Film schon vor seinem Kinostart so viel Aufmerksamkeit wie derzeit „Illuminati“ –
der neue Hollywood-Streifen nach der Romanvorlage von Dan Brown, der in Deutschland
am 14. Mai anlaufen wird.Die Hauptfigur im Film, besetzt durch den US-Schauspieler
Tom Hanks, ist der Harvard-Professor Robert Langdon. Er ermittelt gemeinsam mit der
jungen, attraktiven Vittoria im Auftrag des Vatikans in Rom: während des Konklave
verschwinden vier Kardinäle, die „preferiti“ für die Nachfolge auf dem Stuhle Petri,
scheinbar spurlos. Langdon folgt in der Mordserie, die ihrer Gang nimmt, verschlüsselten
Symbolen und stößt auf den wissenschaftlich ausgerichteten Geheimbund der „Illuminati“.
Die „Erleuchteten“ haben sich zum Ziel gesetzt, die katholische Kirche in ihren Grundfesten
zu erschüttern und den Vatikanstaat zu zerstören.Für den Regisseur des Films, Ron
Howard, bricht in der Handlung der „alte Konflikt zwischen Wissenschaft und Kirche“
wieder auf. „Ein Hauptthema in „Angels and Demons“ – so der englische Titel
des Films – ist der uralte Kampf zwischen Wissenschaft und Religion. Diese Kontroverse
wird immer wieder diskutiert. Die Wissenschaft bewegt sich dabei auf einem ganz bestimmten
Gleis und Glaube und Theologie auf einem ganz anderen.“ Kirche und autonome
Wissenschaft – im Verlauf der Geschichte hat es da in der Tat immer wieder Spannungen
gegeben. Doch wie verhalten sich Roman und Kinofilm zu den geschichtlichen Fakten?
Dan Brown beansprucht für die Schauplätze seines Buches weitgehend Wirklichkeitstreue.
Gleich der Mord am ersten der vier entführten Kardinäle spielt an einem Platz, der
in Rom stadtbekannt ist: eine Kapelle in der Kirche Santa Maria del Popolo wird zum
Ort des Verbrechens. Das Hörbuch zum Roman: „Vittoria blieb vor der dritten
Kapelle stehen. Sie deutete mit der Hand auf eine Stele. Zwei Worte waren in den Granit
gehauen: Capella Chigi. Langdon hörte nicht richtig zu. Nie im Leben hätte er sich
eine Kapelle wie diese vorgestellt. Alles war mit rotem Marmor ausgekleidet. Das Kuppeldach
zeigte ein Sternenfeld und die sieben zur Erbauungszeit bekannten Planeten. Darunter
die zwölf Tierkreiszeichen. Heidnische Symbole. Doch viel unglaubwürdiger als das
waren die beiden Gebilde, die den Innenraum beherrschten. Langdon starrte sie voll
Erstaunen an. Das kann nicht sein, dachte er. Zu beiden Seiten der Kapelle ragten
die zwei drei Meter hohen Pyramiden aus Marmor auf. Was machten Pyramiden in einer
christlichen Kapelle? Der Raum enthielt mehr Hinweise auf die Illuminati, als Langdon
sich jemals hätte vorstellen können. Robert, sehen Sie nur, sagte Vittoria. Ein Skelett
grinste die beiden vom Boden aus an. Ein Mosaik, das den Tod zeigte. Doch es war nicht
das Skelett, das den beiden das Blut in den Adern gefrieren ließ. Vielmehr die Tatsache,
dass es eine runde Steinplatte zierte, die wie ein Schachtdeckel aus dem Boden genommen
war und nun neben einem schwarzen Loch lag. Das Dämonenloch, ächzte Langdon und blickte
nach unten. Der Gestank von vermoderten Gebeinen war überwältigend.“ Im Anschluss
an diese Szene stößt Langdon im Buch auf den ersten ermordeten Kardinal. Soweit die
Romanvorlage. Die Tierkreiszeichen sowie der Sternenhimmel sind allerdings reine Fiktion. Der
zuständige Geistliche in der Kirche Santa Maria del Popolo, Padre Antonio Truda, kennt
die Chigi-Kapelle sehr gut und beschreibt: „Die Chigi-Kapelle ist tatsächlich
ein Grab. Sie ist die Familiengruft der Familie Chigi. Viele Menschen besuchen die
Kapelle, um die Kunst Raffaels, zum Beispiel das wunderschöne Bodenmosaik und die
Statuen Berninis zu bewundern. Dann gibt es die beiden pyramidenförmigen Gräber. Auch
in ihnen liegen Familienangehörige der Chigis. Und dann haben wir das wunderschöne
Marienbildnis in der Kapelle, das unserer Kirche ihren Namen gab. Es ist von Sebastiano
del Piombo.“ Das Marienbildnis beschreibt Dan Brown in seinem Thriller nicht,
wie Padre Antonio schmunzelnd bemerkt. Danach gefragt, wie sich der Thriller „Illuminati“
zur Wirklichkeit verhält, antwortet der Pater: „Dazu kann ich vor allem sagen,
dass hinter den Erfindungen Dan Browns nichts als die Absicht steht, Geld zu machen.
Und die Leute, die hier nach dem suchen, was Dan Brown in seinem Buch beschreibt,
jagen einer Fiktion hinterher. Hier liegt kein ermordeter Kardinal. Da sind die Besucher
oftmals enttäuscht.“ Immer wieder trifft der Pater in „seiner“ Kirche auf
Touristen, die mit dem Dan Brown-Schmöker in der Hand die Spuren Robert Langdons suchen.
Marius Müller ist einer von den „Illuminati“-Pilgern und gibt auf die Frage nach den
Abweichungen des Romans von der Wirklichkeit die Antwort: „Ich denke, dass
das so nicht in Ordnung ist. Dan Brown hätte von vorne herein klarmachen müssen, dass
das alles Fiktion ist, und nicht darauf pochen dürfen, dass bestimmte Sachen wahr
sind. Er sollte sich halt entscheiden: Fiktion oder Wahrheit. Und dann den einen Weg
einschlagen.“ Tatsächlich befinden sich in der von Raffael konstruierten Chigi-Kapelle
allerdings die Kunstwerke Gian Lorenzo Berninis. Dieser wird von Dan Brown als der
Bildhauer der Illuminaten inszeniert.Für Filmemacher Howard zählt die Idee hinter
der Kunst, die im Buch beschriebenen wird. „Die Illuminaten selbst haben mich
beim Lesen des Buches am meisten fasziniert. Ihre Gemeinschaft ist im 16. Jahrhundert
entstanden und sie waren bedeutende Wissenschaftler und Künstler. Zu ihnen zählten
Künstler wie Galileo Galilei oder Bernini, deren fortschrittliche Ideen den Vatikan
in Angst und Schrecken versetzten.“ FILMSZENE:„Ich will einen Stadtplan
mit allen Kirchen Roms…“ Nach dem Leichenfund in Santa Maria del Popolo hetzt
die Hauptfigur Robert Langdon in Roman und Film auf ihrer Verbrecherjagd durch viele
weitere Kirchen Roms. Es folgen Szenen im Vatikan, auf der Piazza Navona, in der Engelsburg.
Und überall die gleiche Feststellung: Fiktion und Wirklichkeit klaffen auseinander.
Auf der Ponte degli Angeli finden sich statt der beschriebenen zwölf nur zehn Engel,
der Brunnen auf der Piazza Navona ist bei weitem nicht tief genug, um jemanden darin
zu ertränken, um nur zwei Beispiele für die dichterische Freiheit von „Illuminati“
zu benennen.Und dennoch muss man Dan Brown zugestehen, dass er in seinem Buch einen
irren Spannungsbogen aufbaut, von dem auch die filmische Umsetzung lebt. Tom Hanks
sagt: „Hier geht es Schlag auf Schlag. Der Film galoppiert in hoher Geschwindigkeit.
Das gefällt mir. Denn so wird es ein besonderer Film. Ganz anders als sein Vorgänger.
Die Leute erleben etwas ganz Neues – hoffe ich doch.“ Dieses Tempo des Films
geht allerdings auf Kosten der Glaubwürdigkeit des Stoffes.Für den Regisseur Ron Howard
macht dieses Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit aber gerade den Reiz der Geschichte
der „Illuminati“ aus.
„Wissenschaft und Religion werden sich vielleicht
nie auf Augenhöhe begegnen. Und doch kämpfen wir alle darum, unser Universum besser
zu verstehen. Dieser Druck, den Dan Brown da erzeugt, gibt dem Stoff einen thematischen
Reichtum, und der ist durchaus Provozierend gemeint.“
Als Provokation wird
der Film wohl auch nach seinem Start in Deutschland von zahlreichen Kinogängern aufgefasst
werden – seien sie nun in der Kirche daheim, oder nicht.Der Vatikan wurde von Regisseur
Howard dafür kritisiert, die Dreharbeiten vor Kirchenfassaden in Rom unterbunden zu
haben. Dieser Vorwurf sei pure Aufmerksamkeitshascherei, so die Antwort des Vatikansprechers
Federico Lombardi.In jedem Fall wünscht Radio Vatikan den Besuchern des Films einen
spannungsgeladenen Kinoabend und – wer weiß – einen gelungenen Rombesuch in der Zukunft?
Ob nun auf den Spuren Dan Browns oder der Geschichte der Ewigen Stadt.