2009-05-01 16:55:18

D: Sozialethiker Hengsbach „Arbeit am Menschen aufwerten“


In weltweit über dreißig Ländern feiern Männer und Frauen auch an diesem 1. Mai den Tag der Arbeit. Die katholische Kirche begeht den ersten Mai als Gedenktag des Heiligen Josef, Schutzpatron der Arbeiter. „Der Tag der Arbeit spricht durchaus kirchliche Themen an.“ Das meint der emeritierte Essener Weihbischof Franz Grave. Mit dem Kölner Domradio sprach er über die Rolle der Kirche am Tag der Arbeit:

„Wir sind manchmal als Christen zu zögerlich in dieser Frage, als wäre eine Erste-Mai-Veranstaltung im Bereich der Kirche eine Gegenveranstaltung zu den Maiveranstaltungen des DGB. Das sehe ich ganz anders. Der DGB und die Gewerkschaften insgesamt haben den ersten Mai als einen Arbeitertag geprägt, wo sie entsprechende aktuelle Themen in der Öffentlichkeit zur Sprache bringen und das ist gut so. Aber wir haben doch in der Kirche den ersten Mai als den Gedenktag eines Heiligen, Josefs des Arbeiters. An diesem Tag wird in der Kirche aus dem Gedankengut der katholischen Sozialbewegung, aber viel mehr noch aus den heiligen Schriften des Alten und Neuen Testamentes, Gedanken zur Arbeit artikuliert.“

Grave war jahrzehntelang in dem von Arbeitskrisen geschüttelten Bistum Essen für Gesellschaft und Weltkirche zuständig. Gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise könne die katholische Soziallehre wichtige Impulse geben

„…, weil die Arbeitslosigkeit ja zum Beispiel in den kommenden Wochen und Monaten weiter als eine dramatische Entwicklung auf uns zukommen wird. Die Frage ist, wie können wir bei der negativen Entwicklung der Arbeitslosen-Statistik um Arbeit bemüht bleiben. Und was können wir tun, um Arbeitsplätze zu erhalten und was können wir tun, um Ausbildungsplätze zu schaffen.“

 
Um Lösungsansätze für diese Fragen ging es auch auf der traditionellen Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Nürnberg. „Arbeit für alle, bei fairem Lohn“ – lautete dieses Jahr das Motto der Gewerkschaften. Einer der Hauptredner auf der DGB-Großveranstaltung war der Sozialethiker und Jesuit Friedhelm Hengsbach. „Die Arbeit an den Menschen muss stärker gewichtet werden“, sagte Hengsbach bereits im Vorfeld der DGB-Veranstaltung gegenüber Radio Vatikan:

„Es geht einmal darum, dass die Arbeitslosigkeit die größte wirtschaftspolitische Herausforderung ist. Das heißt, jeder der arbeiten will und arbeiten kann, soll auch an der Erwerbsarbeit Anteil haben oder beteiligt werden können.“

Die Finanzkrise sei auch eine ökologische Krise - und eine Krise des gesellschaftlichen Zusammenhalts, sagt Hengsbach. „Abwrackprämien“ und Lohnkürzungen seien keine Lösung. Die Bundesregierung konzentriere sich zu sehr auf die Stabilisierung der Finanzmärkte, statt die Realwirtschaft zu beleben. Hengsbach schlägt vor, mehr öffentliche Investitionen in Gang zu setzen, die sich auf weniger krisenanfällige Bereiche wie Bildung, Kultur und Gesundheit richten sowie auf den ökologischen Umbau:

„Also eine andere Mobilitätspolitik, Verkehrspolitik, Energiegewinnung, eine andere Politik der Ernährungsweisen – darum geht es. Dass also dieser ökologische Umbau im Vordergrund steht. Und zweitens, dass die ‚Arbeit an den Menschen‛ stärker gewichtet wird als die herkömmliche Industriearbeit und die Arbeit für den Export. ‚ Arbeit an den Menschen‛ - das heißt also, im Bildungsbereich, im Gesundheitsbereich, in der Kultur und auch in der Kommunikation... Dass also Arbeitsplätze geschaffen werden für Menschen mit einem angemessenen Einkommen, das ihre Arbeit auch aufwertet, so dass im zweiten Gang auch eine entsprechende Belebung auf dem Binnenmarkt stattfinden kann."

Die ‚Arbeit an den Menschen‛ aufwerten – das hieße auch, über die Erwerbsarbeit hinaus andere Arbeitsformen mehr anzuerkennen, wie die Familienarbeit, Pflegearbeit und soziales Engagement. Wichtig für einen Neustart sei dabei…

„…dass diese Arbeiten auf beide Geschlechter verteilt werden und praktisch auch die Arbeitszeit entsprechend dann so reduziert wird in der Erwerbsarbeit, dass dann die 2/3-Erwerbsarbeit das Normale sein wird, für alle. Daraufhin denke ich müssten gesellschaftliche Reformen nach dieser Finanz- und realwirtschaftlichen Krise hingehen.“

Auch die Kirchen, meint Hengsbach, sollten in der aktuellen Wirtschaftskrise noch stärker ihre Aufgaben als Arbeitgeber in Caritas und Diakonie wahrnehmen. Zukunftsfähige Lösungsstrategien erhoffe er sich von der aus Rom angekündigten Sozialenzyklika.

„Ich erwarte, dass sie aus der Perspektive der Dritten Welt, der Mehrheit der Weltbevölkerung, den Industrieländern einen Spiegel vorhält, denn wenn diese nicht anfangen, den herrschenden Kapitalismus entsprechend zu korrigieren, dann ist diese kapitalistische Wirtschaftsordnung nicht nur am Rande korrekturfähig, sondern dann ist sie mit ganz erheblichen Belastungen versehen und moralisch nicht gerechtfertigt!“

 
(rv 01.05.2009 ad)
 







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