2009-04-27 17:36:50

Italien/Deutschland: „Böse Geschichte in gute Erfahrung verwandeln“


RealAudioMP3 Benedikt XVI. reist am Dienstag zu einem Treffen mit Erdbebenopfern in die Abruzzen. Seine erste Station ist der Symbolort des betroffenen Gebiets: Onna, ein Vorort der Regionshauptstadt L’Aquila. Das Dorf wurde zu 90 Prozent zerstört, 45 von circa 280 Einwohnern wurden getötet. Der deutsche Papst trifft dort auf eine besondere Geschichte: Im Juni 1944 hatte die Wehrmacht im Zuge des Rückzugs in Onna 17 unschuldige Zivilisten erschossen. Deutschland will daher seine Wiederaufbauhilfe für die Erdbebenregion auf Onna konzentrieren.

„Wenn Sie mit den Menschen vor Ort gesprochen haben, dann können Sie vielleicht etwas erreichen, was man nur ganz selten erreichen kann: Man kann böse Geschichte in eine gute Erfahrung verwandeln.“ Das sagte der deutsche Botschafter in Italien, Michael Steiner, gegenüber Radio Vatikan.
 
„Dieses Ereignis ist in Onna und in den ganzen Abruzzen im kollektiven Gedächtnis haften geblieben. Das bedeuet, dass Onna zum zweiten Mal von einem tragischen Schlag getroffen worden ist. Wir finden, das gibt uns Deutschen eine spezifische Verantwortung, gerade hier zu helfen und unsere Hilfe auf diesen Ort zu konzentrieren.“

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte Hilfe aus dem Ausland zunächst abgelehnt, doch die Menschen in den Abruzzen und im ganzen Land nehmen die Solidarität und diese konkrete Initiative dankbar auf, berichtet Steiner nach ersten Besuchen in der Region. „Ich muss sagen, die Reaktion auf die deutsche Bereitschaft, sich auf diesen Ort zu konzentrieren, war fast Herz zerreißend. Die Menschen haben ein solches Vertrauen uns gegenüber, auch eine – vielleicht zu große – Erwartung, dass man hier einfach helfen muss.“

Die verheerenden Erdstöße vom 6. April forderten in den Abruzzen insgesamt 296 Menschenleben. Rund 1.500 Menschen wurden verletzt und mehr als 55.000 Personen obdachlos. Gerade von Onna gingen Bilder in die Welt, die an einen Bombenanschlag erinnerten. Steiner versichert:

„Ich habe im ehemaligen Jugoslawien vieles gesehen, in Kroatien, in Bosnien, im Kosovo... Aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Da ist alles zusammengebrochen.“

In dem Ort kennt jeder jeden, jede Familie trauert um tote Angehörige.

„Sie können sich vorstellen, was das in den Köpfen und Herzen der Menschen anrichtet. Sie leben jetzt in Zeltstädten am Rande des Ortes und sind natürlich immer noch unter Schock. Aber ich muss sagen, diesen Menschen gilt mein tiefer Respekt, denn sie nehmen diesen Schicksalsschlag – und es ist der zweite für manche, die das 1944 miterlebt haben; da gibt es noch einige Überlebende – mit einer großen Würde.“

Zwar könne Deutschland nicht den Ort wieder aufbauen, was überdies Jahre dauern wird, wolle aber mittelfristig einen Beitrag leisten. Die Nothilfe wird weiter vom italienischen Zivilschutz übernommen.

„Bundesaußenminister Steinmeier hat mit seinem italienischen Kollegen gesprochen, dabei gesagt, wir werden uns auf die Kirche konzentrieren, aber es ist auch Hilfe beim Wiederaufbau der Privathäuser notwendig. Die Caritas Deutschland hat uns schon mitgeteilt, dass sie über die Schwesterorganisationen in Italien mitwirken will. Wenn es uns gelingt, dass wir auch Private gewinnen, Institutionen gewinnen, die uns mithelfen, dann können wir hier eine ganze Menge erreichen.“

 
Die Deutsche Botschaft in Italien hat Spendenkonten eingerichtet, doch Steiner appelliert besonders an die deutsche Wirtschaft, die in Italien präsent ist. Deutschland wolle Italien nichts aufdoktruieren, jede Maßnahme soll zwischen der Bevölkerung, den Behörden und der deutschen Botschaft abgestimmt werden.

„Der Bürgermeister von L’Aquila...., der verliert sein Haus, sein Bürgermeisteramt in dieser Stadt mit rund 70.000 Einwohnern und hat nichts mehr. Alles was ihm geblieben ist, ist sein Dienstwagen und ein Anzug. Auch der sagte mir, er sei ganz begeistert über unser Projekt, denn es komme in einer solchen Lage nicht nur auf die materielle Hilfe an. Es komme auch auf die spirituelle Hilfe und darüber hinaus auf die psychologische Hilfe an. Er sagte mir, was die Menschen in diesen Gebieten jetzt brauchen, – und natürlich gilt das insbesondere für Onna – ist ein Zeichen der Hoffnung.“

Den Besuch des Papstes werden die Betroffenen in der Erdbebenregion als Zeichen echter Solidarität werten, meint Steiner.

Geplant sind neben Onna Stationen beim eingestürzten Studentenwohnheim in L’Aquila, dem Schauplatz einer der größten Tragödien, und bei der zerstörten romanischen Basilika Santa Maria di Collemaggio. Vor der Toren der Regionshauptstadt wird Benedikt auf dem Vorplatz einer Kaserne den Bürgermeistern und Pfarrern der vom Erdbeben betroffenen Orte begegnen und eine Ansprache an die Bürger und Hilfskräfte halten.

(rv 27.04.2009 bp)








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