2009-04-27 13:16:57

D: „Programm zur Stärkung der Fundamentalisten"


Wahlfreiheit zwischen Ethik und Religion als Schulfach - in Berlin ist dieses Anliegen am Sonntag gescheitert. Weiterhin gehen in der deutschen Hauptstadt – und nur da - Schüler ab Klasse 7 in den verpflichtenden Ethik-Unterricht; Religionsunterricht können sie bloß zusätzlich am Nachmittag belegen. P. Klaus Mertes SJ ist Rektor des Canisius-Kollegs, einer traditionsreichen katholischen Schule in Berlin. Am eindeutigen Ausgang des Volksentscheids zeigt sich für ihn,

„dass es wirklich religionsfeindliche Kreise in Berlin gibt, die einen dezidiert bekenntnishaften, atheistisch orientierten Unterricht haben wollen und Religion grundlegend der Intoleranz, der Unvernunft und der Aggressivität bezichtigen. Und das ist ein Feindbild, mit dem man hier in Berlin wird umgehen müssen.“

Mertes will auch nicht das oft vorgebrachte Argument der Ethik-Befürworter gelten lassen, Religionsunterricht würde die Fundamentalisten stärken. Das Gegenteil sei der Fall: Gerade das Pflichtfach Ethik könne den Fundamentalisten in allen Religionen indirekt Auftrieb geben. Er verweist auf die in Berlin tätige „Islamische Föderation“, die als Träger des freiwilligen Religionsunterrichts am Nachmittag auch staatlich gefördert unterrichten darf.

„Und da hat das Verwaltungsgericht ja – man höre und staune – gesagt, dass in einem solchen Unterricht dann auch punktuell von der Verfassung abweichende Werte unterrichtet werden dürfen. Und da klatschen sich natürlich alle Fundamentalisten in die Hände und sagen – gut, am Nachmittag können wir machen, was wir wollen, wir dürfen auch verfassungsfeindliche Inhalte unterrichten. Damit werden die Fundamentalisten, die sich ja dem öffentlichen Diskurs verweigern, durch die gegenwärtige Struktur gestärkt. Für mich ist das, was Berlin da macht, ein Programm zur Stärkung der Fundamentalisten.“

Mertes glaubt, dass die Beibehaltung des Ethik-Unterrichts an den staatlichen Schulen Berlins den konfessionellen Schulen in Berlin nun noch mehr Zulauf als bisher bescheren wird. Die katholische Kirche müsse überlegen, ob sie ihr Schulangebot in Berlin verstärkt. Auch hofft er auf neue Formen der Kooperation mit dem Senat, auch wenn es bisher nicht danach aussehe. In Sachen Religionsunterricht hatte die Katholische Kirche in Berlin ein großes Zugeständnis gemacht:

„In den anderen Bundesländern gilt ja der Grundsatz: Katholischer Religionsunterricht, das bedeutet a) katholischer Lehrer, b) katholische Lehre und c) katholische Schüler. Und dieser letzte Punkt ist zugunsten einer Öffnung des konfessionellen Unterrichts für Suchende, für Religionslose und Andersgläubige geöffnet worden. Das heißt, unter dem Dach des konfessionellen Religionsunterrichts kann eine multireligiöse Schülerklientel unterrichtet werden.“

Das wäre ein großartiger Beitrag für die Integration in der Stadt. In der Konsequenz bedeutet das,

„dass die katholischen Schulen sich stärker als früher in Berlin fragen müssen, ob sie sich nicht einer multireligiösen bzw. religionsloser, nach religiöser Information und religiöser Anregung suchenden Klientel öffnet.“
(rv 27.04.2009 gs)








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