Wahlfreiheit zwischen Ethik und Religion als Schulfach - in Berlin ist dieses Anliegen
am Sonntag gescheitert. Weiterhin gehen in der deutschen Hauptstadt – und nur da -
Schüler ab Klasse 7 in den verpflichtenden Ethik-Unterricht; Religionsunterricht können
sie bloß zusätzlich am Nachmittag belegen. P. Klaus Mertes SJ ist Rektor des Canisius-Kollegs,
einer traditionsreichen katholischen Schule in Berlin. Am eindeutigen Ausgang des
Volksentscheids zeigt sich für ihn,
„dass es wirklich religionsfeindliche
Kreise in Berlin gibt, die einen dezidiert bekenntnishaften, atheistisch orientierten
Unterricht haben wollen und Religion grundlegend der Intoleranz, der Unvernunft und
der Aggressivität bezichtigen. Und das ist ein Feindbild, mit dem man hier in Berlin
wird umgehen müssen.“
Mertes will auch nicht das oft vorgebrachte Argument
der Ethik-Befürworter gelten lassen, Religionsunterricht würde die Fundamentalisten
stärken. Das Gegenteil sei der Fall: Gerade das Pflichtfach Ethik könne den Fundamentalisten
in allen Religionen indirekt Auftrieb geben. Er verweist auf die in Berlin tätige
„Islamische Föderation“, die als Träger des freiwilligen Religionsunterrichts am Nachmittag
auch staatlich gefördert unterrichten darf.
„Und da hat das Verwaltungsgericht
ja – man höre und staune – gesagt, dass in einem solchen Unterricht dann auch punktuell
von der Verfassung abweichende Werte unterrichtet werden dürfen. Und da klatschen
sich natürlich alle Fundamentalisten in die Hände und sagen – gut, am Nachmittag können
wir machen, was wir wollen, wir dürfen auch verfassungsfeindliche Inhalte unterrichten.
Damit werden die Fundamentalisten, die sich ja dem öffentlichen Diskurs verweigern,
durch die gegenwärtige Struktur gestärkt. Für mich ist das, was Berlin da macht, ein
Programm zur Stärkung der Fundamentalisten.“
Mertes glaubt, dass die Beibehaltung
des Ethik-Unterrichts an den staatlichen Schulen Berlins den konfessionellen Schulen
in Berlin nun noch mehr Zulauf als bisher bescheren wird. Die katholische Kirche müsse
überlegen, ob sie ihr Schulangebot in Berlin verstärkt. Auch hofft er auf neue Formen
der Kooperation mit dem Senat, auch wenn es bisher nicht danach aussehe. In Sachen
Religionsunterricht hatte die Katholische Kirche in Berlin ein großes Zugeständnis
gemacht:
„In den anderen Bundesländern gilt ja der Grundsatz: Katholischer
Religionsunterricht, das bedeutet a) katholischer Lehrer, b) katholische Lehre und
c) katholische Schüler. Und dieser letzte Punkt ist zugunsten einer Öffnung des konfessionellen
Unterrichts für Suchende, für Religionslose und Andersgläubige geöffnet worden. Das
heißt, unter dem Dach des konfessionellen Religionsunterrichts kann eine multireligiöse
Schülerklientel unterrichtet werden.“
Das wäre ein großartiger Beitrag
für die Integration in der Stadt. In der Konsequenz bedeutet das,
„dass
die katholischen Schulen sich stärker als früher in Berlin fragen müssen, ob sie sich
nicht einer multireligiösen bzw. religionsloser, nach religiöser Information und religiöser
Anregung suchenden Klientel öffnet.“ (rv 27.04.2009 gs)