Südafrika hat gewählt. Der Urnengang war erstmals eine „Wahl des Gewissens“. Das meint
eine der wichtigsten kirchlichen Autoritäten des Landes, Kardinal Wilfried Fox Napier,
unmittelbar nach der Parlamentswahl in seinem Land, die voraussichtlich die Regierungspartei
ANC an der Macht bestätigt. Im Gespräch mit uns sagte der Vorsitzende der Südafrikanischen
Bischofskonferenz:
„Diese Wahl ist deshalb bemerkenswert, weil zum ersten
Mal die Leute dazu aufgefordert wurden, innezuhalten und nachzudenken, bevor sie wählen.
Sie sollten auf die Qualität der Politiker achten, auf die Partei und darauf, wofür
sie steht. Von welcher Partei sagt dir dein Gewissen, dass du sie wählen kannst? Außerdem
wurde den Südafrikanern klargemacht: Andere brauchen nicht mit dir übereinzustimmen
über den Weg, auf dem das Land in die Zukunft gehen soll. Aber respektiere die Meinung
deines Gegners. Denn das ist das Wesen der Demokratie: Das Respektieren abweichender
Meinungen und die Redefreiheit auch für sie.“ Nach ersten Auszählungen liegt
die Regierungspartei ANC mit ihren Spitzenkandidaten Jacob Zuma erwartungsgemäß vorne
und erreicht knapp eine Zweidrittelmehrheit. Seine Popularität erreichte er im Kampf
gegen die Apartheid, sagte uns Stefan Hippler, Seelsorger der deutschsprachigen Gemeinde
in Kapstadt. Seitdem gelte Zuma als Mann des Volkes: „Jacob Zuma ist der erste
Präsidentenkandidat, der während der Zeit des Struggles in Afrika geblieben ist und
von hier aus auch gekämpft hat, für Demokratie. Er ist jemand, der die dritte Klasse
abgeschlossen hat und dann raus aus der Schule ging. Das heißt sehr viele Leute können
sich mit ihm identifizieren, nämlich all die, die nicht raus kamen während der Apartheidszeit.
Und das ist natürlich ein wahnsinniger Umbruch hier in Südafrika und bei den Millionen
von Menschen, die immer noch an den Folgen von Apartheid leiden ist er natürlich so
ne Glanz- und Lichtfigur.“ Doch Zuma polarisiert, in einem Land das die Wirtschaftskrise
immer stärker spürt und so dringende Probleme wie HIV, Arbeitslosigkeit und Kriminalität
lösen muss. Gegen AIDS müsse man öfter duschen, lautete einst der laxe Kommentar des
Präsidenten. Gegner kritisieren Zuma nicht nur wegen seiner losen Zunge. Angeklagt
war er auch wegen Korruption und Vergewaltigung. Die katholische Kirche sei unter
seiner Regierung an den Rand gedrängt worden, sagt Pfarrer Hippler:
„Es
gibt sehr viele Punkte, wo die katholische Kirche der Regierung sehr kritisch gegenübersteht,
ob das nun Fremdenfeindlichkeit ist oder ob es um moralische Fragen im Bezug auf HIV-AIDS
geht. Insgesamt gesehen hat sich die Lage zwischen katholischer Kirche und der Regierung
verschlechtert. Die katholische Kirche hatte eigentlich eine sehr gute Ausgangsposition.
Der ANC hat in der Zeit der Apartheid sozusagen die Kirche benutzt, um sich zu treffen.
Marienandachten wurden zu ANC-Meetings während der Apartheidszeit. Wir versuchen natürlich
mit allen möglichen Veranstaltungen und Vernetzungen, dagegen anzugehen und dafür
zu sorgen, dass die katholische Stimme gehört wird. Aber es ist sehr schwer. Es ist
auch sehr schwer, weil wir Katholiken eine von vielen religiösen Meinungen sind.“ Pfarrer
Hippler arbeitet selbst an zahlreichen Hilfsprojekten für AIDS-Kranke mit. Besonders
für sie wünsche er sich einen Kurswechsel des Präsidenten.
„Es wäre wünschenswert,
dass Jacob Zuma erkennt, dass duschen nicht hilft, sondern dass wir wirklich Medikamente
brauchen, Aufklärung brauchen, dass wir Kooperation zwischen NGOs und dem Staat brauchen
und dass wir endlich anfangen noch mehr zu tun, um die Menschen am Leben zu erhalten
und ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen, die HIV-positiv sind.“ (rv
23.04.2009 gs/ad)