D: „Christliche Glaubensaussagen nicht relativieren“
Die Deutsche Bischofskonferenz warnt mit Blick auf die Frage der Judenmission vor
einer Aufweichung christlicher Positionen. Im Dialog der Religionen dürften wesentliche
Glaubensaussagen nicht relativiert oder ungenau wiedergegeben werden, heißt es in
einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig
Müller. Darin setzt sich der Ökumene-Beauftragte der Bischofskonferenz kritisch mit
einer Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auseinander, das sich
vor zwei Wochen deutlich gegen jede Form der Judenmission ausgesprochen hatte. Im
Dialog der Religionen müsse der Begriff der Mission richtig dargestellt werden, schreibt
Müller. Jesus habe unzweifelhaft Juden und Heiden in die Kirche berufen. Allerdings
gehe es nicht darum, Gläubige anderer Religionen durch Überredung abzuwerben oder
gar mit Drohung zu nötigen. Das Statement des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
könne „in keiner Weise“ als „authentische Darstellung des katholischen Glaubens und
Bekenntnisses angesehen werden“. Dem Text liege offenbar eine „Entgegensetzung“ der
Lehre des Konzils und einiger Maßnahmen von Papst Benedikt zugrunde – das sei „sowohl
formal wie auch inhaltlich völlig verfehlt“. Müller wörtlich: „Weder hat die Neuformulierung
der Fürbitte für die Juden im außerordentlichen Ritus der Karfreitagsliturgie etwas
mit „Judenmission“ in der absolut negativen Bedeutung zu tun, die ihm das Papier des
Arbeitskreis unterlegt, noch gibt es eine „Kirche des Zweiten Vatikanischen Konzils“,
die den Bund Gottes mit dem jüdischen Volk als einen Heilsweg zu Gott darstellt -
auch ohne Anerkennung Jesu Christi und ohne das Sakrament der Taufe.“
(rv/kna
15.04.2009 sk)
Wir dokumentieren hier die Stellungnahme von Bischof
Müller im vollen Wortlaut. Quelle ist die Deutsche Bischofskonferenz. Den vollen Wortlaut
der Erklärung des Zentralkomittees der deutschen Katholiken, auf die Müller sich bezieht,
finden Sie unter www.zdk.de/erklaerungen/ .
Das
Christus-Bekenntnis der Kirche im christlich-jüdischen Dialog Eine Stellungnahme Leben
und Sendung (Mission) der Kirche lassen sich nur verstehen auf der Grundlage ihres
Bekenntnisses zu Jesus dem Christus: „Wer mit dem Munde bekennt ´Jesus ist der Herr`
und mit dem Herzen glaubt‚ Gott hat ihn von den Toten auferweckt’, wird Gerechtigkeit
und Heil erlangen. Darin gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen. Alle
haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum werden alle beschenkt, die ihn anrufen“
(Röm 10,10-12). Das Christusbekenntnis der Kirche hat seinen Ursprung in der lebendigen
Begegnung der Jünger mit der Person Jesu. In ihm hat die Urkirche das Wort, das Gott
ist, erkannt, das Fleisch angenommen hat um unseres Heiles willen. Durch seine Predigt,
seine Lehre und seine Heilstaten und letztendlich durch seinen Tod am Kreuz, seine
Auferstehung von den Toten und die Ausgießung des Heiligen Geistes hat Gott der Vater
und der Sohn und der Heilige Geist unüberbietbar durch eine neue Offenbarung und endgültig
(eschatologisch) sich selbst allen Menschen mitgeteilt als Wahrheit und Leben. „Daher
ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgültige Bund unüberholbar.“
(1) In diesem Sinne fasst das II. Vatikanische Konzil in der „Dogmatischen Konstitution
über die göttliche Offenbarung“ Dei Verbum das ganze Christusbekenntnis der Kirche
in seinem biblischen Ursprung und seiner glaubensmäßigen Entfaltung in der großen
Tradition mit höchster lehramtlicher Autorität zusammen.
Jesus ist der Christus
Die
Kirche glaubt also an die Person Jesu Christi. Sie baut nicht auf einer historischen
Rekonstruktion eines Jesus–Bildes auf, das aus den biblischen Quellen etwa nach den
Vorentscheidungen eines liberal-kulturchristlichen Weltbildes abstrahiert wird. Daher
kann nicht das Alte Testament als Zeugnis einer realen Bundesstiftung Gottes gelesen
werden im Gegensatz zum Neuen Testament, das nur mit literarischen Stilmitteln einen
jüdischen Thora-Lehrer als Sohn Gottes oder als universalen Heilsmittler interpretieren
würde, ohne dass Jesus wirklich und wahrhaft das fleischgewordene Wort Gottes ist.
(2)
Die Heilige Schrift: Wort Gottes in menschlicher Sprache
Für das
Verhältnis der jüdischen und der christlichen Glaubensgemeinde zueinander ergibt sich
ein gemeinsamer glaubenshermeneutischer Bezugsrahmen, der im eminenten Sinn theologisch
ist und sich qualitativ von Vergleichen aus historischer und literarwissenschaftlicher
Sicht abhebt. Gläubige Juden und Christen gehen davon aus, dass Gott sich in der Geschichte
offenbaren kann und sich in der Tat geoffenbart hat als Schöpfer aller Menschen und
als Retter und Erlöser seines erwählten Volkes. Die Heiligen Schriften Israels und
der Kirche bezeugen in menschlicher Sprache das Wort Gottes und enthalten es. Die
Bibel der Juden und die Bibel der Christen (im Alten und Neuen Testament) sind also
nicht rein menschliche Interpretationen, die im Sinne liberaler Projektionstheorien
„Gott“ als fiktionales Subjekt einer heilsgeschichtlichen Offenbarung in Wort und
Tat sich voraussetzen (und so „Gott“ einführen, „als ob“ er „Person“ wäre). Was
jüdisches und christliches Bekenntnis unterscheidet, ist nicht die Behauptung eines
realen Handelns Gottes im Bund für Israel und einer bloß menschlichen Interpretation
der Gestalt Jesu in den neutestamentlichen Schriften, sondern die Frage, ob Jesus
tatsächlich der verheißene Messias ist, ob die Inkarnation, der Sühnetod am Kreuz
und die Auferweckung von den Toten von demselben Gott des Bundes, dem Gott und Vater
Jesu Christi, tatsächlich gewirkt worden sind.
Die Selbstoffenbarung des dreieinigen
Gottes
In dem genannten Text (Anm.2) des Gesprächskreises „Juden und Christen“
beim ZdK wird dagegen die Grenzlinie zwischen Juden und Christen lediglich in der
„Vorstellung“ von der Trinität und der Inkarnation festgemacht. Für Katholiken
und alle Christen, die das Nicaeno-Konstantinopolitanum anerkennen, ist das Mysterium
der Trinität nicht eine an Gott von außen herangetragene Metapher der Nähe und Liebe
Gottes, sondern die Offenbarung des innersten Seins Gottes, das er selbst in der
realgeschichtlichen Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Ausgießung des Heiligen
Geistes uns Menschen kundgibt und in das wir einbezogen werden. Heil ist das Erfülltwerden
mit der Liebe Gottes – jetzt und für immer bis in Ewigkeit. Vom universalen Heilswillen
Gottes kann dann nicht mehr unabhängig von seiner geschichtlich-eschatologischen Vergegenwärtigung
in Jesus Christus, dem einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, gesprochen
werden.
Gottes Bund – Angebot des Heils
Vom Primat der Gnade und des
Glaubens her ist ein Standpunkt, der „das ethische Handeln aller Menschen“ als „einen
Weg zu Gott eröffnet, jenseits der Glaubensunterschiede“ (3) , schlechterdings nicht
nachvollziehbar. An der zentralen christlichen Glaubensüberzeugung vom wirklichen
Gnadenhandeln Gottes in Christi Tod zur Erlösung aller Menschen führt kein Weg vorbei: „Alle
haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren. Ohne es verdient zu haben, werden
sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus [...] Ist denn
Gott nur ein Gott der Juden, nicht auch der Heiden? Ja, auch der Heiden, da doch gilt:
Gott ist der ‚Eine’. Er wird aufgrund des Glaubens sowohl die Beschnittenen wie die
Unbeschnittenen gerecht machen“ (Röm 3, 23-30).
Die Erlangung des endzeitlichen
Heils soll nach dem Matthäusevangelium, so suggeriert die Erklärung des Gesprächskreises,
nicht an die Person Jesu gebunden sein, sondern sei „allein“ von den Taten der Nächstenliebe
abhängig. So könne Jesus für die Juden als Ausleger der Thora gelten und für die Heiden
habe er die Funktion, sie zur Anerkennung des Gottes Israels zu bewegen.(4) Dass für
alle Evangelien das Messiasgeheimnis und -bekenntnis zentral ist, findet keine Erwähnung.
Maria, die Jesus durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen hat, soll ihrem Sohn
den Namen Jesus geben, (Mk 8,29 parr.; Joh 11,27) „denn er wird sein Volk von seinen
Sünden erlösen“ (Mt 1,21). Prophetisch wird Jesus bezeichnet als der „Hirt meines
Volkes Israel“ (Mt 2,6). Das Erlöserwirken Jesu Christi auf die Heiden außerhalb
des Gottesvolkes Israel zu beschränken, hieße, das gesamte biblische Zeugnis auf den
Kopf zu stellen.
Der Souveränität und Einzigkeit Gottes entspricht hingegen,
dass ER von sich aus auf dem Weg der Erwählung, der Berufung, der Gnade des Bundes,
der Erlösung und der Rechtfertigung und - gemäß dem christlichen Bekenntnis - der
Menschwerdung zu uns kommt. Menschen können dann den Weg Gottes zu ihrem Heil mitgehen,
wenn sie ihm den „Gehorsam des Glaubens“ (5) entgegenbringen, der sich in der Liebe
zu Gott und zum Nächsten mit der Erfüllung des Willens Gottes in seinen Geboten zeigt.
Gottes
Gnade und menschliches Handeln
Von einer Reduktion des Judentums und des Christentums,
die sich einem Bundesschluss Gottes verdankt wissen, auf eine Ethik als eigenständigen
Weg der Menschen zu Gott und fast einem Anspruch auf Heil, zu unterscheiden ist die
Anerkennung des grundlegenden Menschenrechtes auf Religionsfreiheit (6). In diesem
Sinn lehrt das II. Vatikanische Konzil, dass jeder Mensch Recht und Pflicht hat, in
Fragen der religiösen Überzeugung und des sittlichen Handelns seinem Gewissen zu folgen
und in diesem Sinn dem Prinzip der Wahrheit und des Guten zu entsprechen (7). So können
auch diejenigen Menschen gerettet werden und endgültig zur Gemeinschaft mit Gott gelangen,
die ohne eigene Schuld nicht an Jesus Christus, ja unter Umständen nicht einmal an
die Existenz des personalen Gottes als Schöpfer und Vollender glauben, aber eben nicht
ohne die Gnade Christi, die in ihnen verborgen wirkt . Da aus christlicher Sicht von
Gott niemals ohne Jesus den Christus, das fleischgewordene Wort, und ohne den endzeitlich
„über alles Fleisch“ (Apg 2,17) ausgegossenen Heiligen Geist gesprochen werden kann,
geschieht von Gott her immer die Rettung durch Jesus Christus und durch das innere
Wirken des Heiligen Geistes (9). „Auch hat ja Christus, wie die Kirche immer gelehrt
hat und lehrt, in Freiheit, um der Sünden aller Menschen willen, sein Leiden und seinen
Tod aus unendlicher Liebe auf sich genommen, damit alle das Heil erlangen. So ist
es die Aufgabe der Predigt der Kirche, das Kreuz Christi als Zeichen der universalen
Liebe Gottes und als Quelle aller Gnaden zu verkünden“ (10). Das explizite Christus-Bekenntnis
und seine Konkretion in der Kirchengliedschaft, das Leben aus den Sakramenten und
in der Nachfolge Christi sind darum als Mittel des Heils notwendig für alle, die Jesus
als den Christus erkennen.
Gegenseitiger Respekt ohne Relativierung des eigenen
Glaubens
Walter Kardinal Kasper betonte, dass man nicht von zwei Heilswegen,
einen für die Juden und einen für die Christen, sprechen kann, wenn man „mit der Bibel
von der universalen Heilsbedeutung Jesu Christi überzeugt ist.“ Vielmehr ist im Zueinander
der Schriften des mosaischen Bundes und des Neuen Testaments die gemeinsame Heilsgeschichte
offenbar, bei der „das jüdische Volk das von Gott bleibend erwählte Volk“ ist, dessen
Bund durch Jesus Christus bestätigt und überboten und universalisiert wird. (11) Die
Unterschiede der Religionen haben ihren Ursprung nicht in voneinander unabhängigen
Offenbarungen, Bundesschlüssen und Rettungsaktionen Gottes, der sich jeweils verschiedene
Zielgruppen vornimmt und die Menschheit spalten statt einen würde. Dies widerspräche
der Einzigkeit Gottes: „Gott unser Retter will, dass alle Menschen gerettet werden
und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen, denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler
zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben
hat für alle...“ (1 Tim 2,4-5). Daraus ergeben sich auch Wesen und Sendung der Kirche
als Sakrament des Heils der Welt in Christus, in dem die Kirche „Zeichen und Werkzeug
für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit(!) der ganzen Menschheit“
(LG 1) ist. Die Bekenntnisunterschiede ergeben sich aus der unterschiedlichen Reaktion
der Menschen entsprechend ihrem Wahrheitsgewissen im Hinblick auf die Selbstoffenbarung
Gottes.
Menschen unterschiedlichen Glaubens können darum voller Respekt voreinander
mit Menschen anderer Religionen zusammenleben und freundschaftlich am Aufbau einer
Gesellschaft nach religiös oder naturrechtlich begründeten ethischen Grundprinzipien
zusammenwirken.
Sie können aber auch die Unterschiede aushalten, ohne sich
wechselseitig falsche und schlechte Absichten zu unterstellen. Eine Relativierung
des je eigenen verbindlichen Glaubensbekenntnisses hingegen macht einen Dialog überflüssig.
Er ist jedoch sinnvoll und wechselseitig förderlich, da gerade zwischen Juden und
Christen die Tatsache einer geschichtlichen Selbstoffenbarung Gottes unstrittig ist,
wenn auch unterschiedliche Überzeugungen hinsichtlich ihrer Reichweite, d.h. ihrer
Kulmination in Person und Sendung Jesu Christi bestehen.
Deshalb wäre es eine
Verkürzung der katholischen Glaubenslehre von der Verwirklichung des universalen Heilswillens
in Jesus Christus und dessen einziger Heilsmittlerschaft und der daraus folgenden
Heilsnotwendigkeit der Kirche und der Taufe, sowie auch der Heilsmöglichkeit für Menschen,
die ohne eigene Schuld nicht an Christus glauben, wenn daneben ohne diesen Bedingungszusammenhang
ein Heilsweg „auch ohne Anerkennung Jesu Christi und ohne das Sakrament der Taufe“
(12) als von Gott selbst konstatiert würde.
Der Begriff „Mission“ und das Judentum
In
einem Dialog zwischen Juden und Christen muss der Begriff der Mission richtig dargestellt
werden. Christliche Mission hat ihren Ursprung in der Sendung Jesu vom Vater. Er gibt
seinen Jüngern Anteil daran in Bezug auf das Gottesvolk Israel (vgl. Mt 10,5) wie
dann auch als der auferstandene Herr im Hinblick auf alle Völker (vgl. Mt 28,19).
So entsteht das Gottesvolk gestiftet im Bundesblut Jesu, der seine Kirche aus Juden
und Heiden beruft (Eph 2,11-21), aufgrund des Christus-Glaubens, und mittels der Taufe,
der Eingliederung in seinen Leib, der die Kirche ist (LG 14). Die Juden, die
nicht zum Glauben an Christus kommen, sind darum nicht vom Heil ausgeschlossen, wenn
sie aus der Gnade des Bundesschlusses und den Weisungen Gottes leben. Das Heil, von
dem hier die Rede ist, meint allerdings im christlichen Sinn das Heil, das Gott Juden
und Heiden durch Christus geschenkt hat. Aus dem Unterschied in der Bewertung von
Person und Sendung Jesu folgen die Unterschiede in den soteriologischen Auffassungen.
Bei der christlichen Mission geht es also nicht darum, mit subtiler Überredungskunst
Gläubige anderer Religionen abzuwerben, oder mit Drohung von diesseitigen Nachteilen
und jenseitigen Strafen jemanden zum christlichen Glauben zu nötigen. Glaube und Freiheit
bedingen einander. Erzwungener Glaube oder eine aufgenötigte Taufe sind ein Widerspruch
in sich selbst und stehen der geoffenbarten Lehre entgegen (DH 10).
Mission
und Gewaltlosigkeit
Christliche Mission und Zeugnis im Wort der Verkündigung
und im eigenen Lebensvollzug gehören zusammen. Lieber Gewalt erleiden als Gewalt ausüben,
ist der Grundsatz, den Jesus seinen Jüngern bei der Aussendung mitgibt. Darum können
Christen auf Gott vertrauen, der auf den Wegen, die nur er kennt, seinen universalen
Heilsplan ausführen wird. Denn sie sind Zeugen Christi, aber sie müssen nicht selbst
das Heil der Menschen bewerkstelligen. Der Eifer für das „Haus des Herrn“ und gelassenes
Vertrauen auf das siegreiche Wirken Gottes gehören zusammen. Christliche Mission bedeutet,
dass die bevollmächtigten Boten die geschichtliche Verwirklichung des universalen
Heilswillens Gottes in Jesus Christus bezeugen und verkünden und ihre sakramentale
Präsenz in Martyria, Leiturgia und Diakonia der Kirche des Vaters und des Sohnes und
des Heiligen Geistes feiern. Der Grund dieser missionarischen Kirche ergibt sich aus
dem universalen Heilswillen Gottes, der sich in der Heilsmittlerschaft Christi verwirklicht:
„So ist es nötig, dass sich alle zu ihm, der durch die Verkündigung der Kirche erkannt
wird, bekehren sowie ihm und seinem Leib, der Kirche, durch die Taufe eingegliedert
werden. Christus selbst hat nämlich mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des
Glaubens und der Taufe betont und damit zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in
die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Tür eintreten, bekräftigt. Darum könnten
jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott
durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder
in ihr nicht ausharren wollten. Wenngleich Gott Menschen, die das Evangelium ohne
eigene Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen kann, ohne
den es unmöglich ist, ihm zu gefallen, so liegt doch auf der Kirche die Notwendigkeit
und zugleich das heilige Recht der Evangeliumsverkündigung. Deshalb behält heute und
immer die missionarische Tätigkeit ihre ungeschmälerte Bedeutung und Notwendigkeit.“
(AG 7) So stellt das Zweite Vatikanische Konzil die Heilnotwendigkeit des Glaubens
an Christus und der Kirche dar.
Volk Gottes aus Juden und Heiden – Das Zeugnis
der Schrift
Es ist und bleibt eine qualitative Bestimmung der Kirche des Neuen
Bundes, dass sie (synchron und diachron) Kirche aus Juden und Heiden ist, wenn auch
das quantitative Verhältnis von Juden- und Heidenchristen zunächst einen anderen Eindruck
erwecken mag. Ebenso wie nach Kreuz und Auferstehung Jesu Christi nicht zwei Bünde
beziehungslos nebeneinander stehen, gibt es auch nicht unverbunden „das Bundesvolk
Israel“ neben „dem Volk Gottes aus den Völkern“ (13) . Vielmehr ist die bleibende
Rolle des Bundesvolkes Israel im Heilsplan Gottes dynamisch zu beziehen auf das „Volk
Gottes aus Juden und Heiden - geeint in Christus“, den die Kirche als den universalen
Schöpfungs- und Heilsmittler bekennt. Im Kontext des universalen Heilswillens sind
alle Menschen, die das Evangelium Christi noch nicht empfangen haben, auf das Gottesvolk
des Neues Bundes hingeordnet: „In erster Linie jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen
gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist (vgl. Röm 9,4f),
dieses seiner Erwählung nach um der Väter willen so teure Volk: die Gaben und Berufung
Gottes nämlich sind ohne Reue.“ (LG 16).
Juden und Christen im brüderlichen
Dialog
Somit lässt sich auch die offenbarungstheologische und heilsgeschichtliche
Beziehung zwischen dem jüdischen und christlichem Glauben aufweisen, ohne dass die
Kirche Christi den Glauben an ihren Herrn und ihre universale Sendung zur Verkündigung
des Evangeliums für alle Menschen einschränken oder gar in der Substanz relativieren
müsste. Mit dem Glauben an Christus unvereinbar ist jede Form von Polemik oder Abwertung
der „Juden“ (aber auch der „Heiden“), die aufgrund ihres Wahrheitsgewissens nicht
an Jesus als den Christus glauben. Ein „judenfeindlicher“ Christ – das wäre eine contradictio
in adjecto. Und die schlimme Tatsache, dass es von Christen Exzesse gegen ihre jüdischen
Brüder und Schwestern gegeben hat, beweist nur, dass sie im schreienden Widerspruch
zu ihrem Christennamen gehandelt haben. Judenfeindschaft in (nominell) christlichen
Kreisen ist nicht Folge des Christus-Bekenntnisses, sondern Beweis für den Verrat
an ihm. Feindseligkeit oder gar Verfolgung sind dem Gebot Christi diametral entgegengesetzt.
So erklärt das Konzil: „Im Bewusstsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam
hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft,
nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums
alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu
irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben“ (NA 4). Umgekehrt
sind aber bei dem heutigen so positiv und freundschaftlich entwickelten Dialog zwischen
Juden und Christen, Polemiken und an historischen Tatbeständen immer wieder genährte
Ressentiments oder christliche Selbstbezichtigungen völlig fehl am Platz, wenn das
mit allen historischen und theologischen Negativitäten besetzte Schlagwort der „Judenmission“
die Sendung der Kirche zum Zeugnis für Jesus, den Christus, als „Licht zur Erleuchtung
der Heiden und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,32) in Misskredit bringt.
Wie können denn „judenfeindlich“ interpretierte neutestamentliche Stellen zur Judenmission
herhalten? (14). Eine biblisch begründete Judenfeindschaft wäre ein Widerspruch in
sich. Da „die pilgernde Kirche ihrem Wesen nach missionarisch, d.h. als Gesandte
unterwegs ist, da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung
des Heiligen Geistes hat gemäß dem Heilsplan Gottes“ (15) (AG 2), hat Mission in keiner
Weise etwas mit einer juden- oder heidenfeindlichen Gesinnung zu tun, die wie in einem
politischen Imperialismus die Gegner vor die Wahl von Vernichtung und Unterwerfung
stellt. Das Gegenteil ist wahr: „Der Heilsplan Gottes entspringt der quellhaften
Liebe Gottes, des Vaters“ (AG 2). Gottes Herrschaft ist Liebe und sein Königtum bedeutet
die Erhebung des Menschen in der Gnade Christi, der aus Liebe sein Leben für alle
dahingegeben hat, und damit die Überwindung aller Feindschaften. Das Christsein begründet
nicht ein Überheblichkeitsgefühl oder gar eine Verachtung Andersgläubiger, sondern
eine Angleichung an die Haltung der Demut und Dienstbereitschaft Jesu, so dass die
„Söhne der Kirche dessen eingedenk sein sollen, dass ihre ausgezeichnete Stellung
nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben
ist“ (LG 16).
Die Suche nach der Tiefenversöhnung
Der Text des Gesprächskreises
„Juden und Christen“ beim ZdK trägt den allzu plakativen Titel „Nein zur Judenmission
– Ja zum Dialog zwischen Juden und Christen“. Die Alternative, die hier suggeriert
wird, vereinfacht die theologisch komplexe Einheit vom Alten und Neuen Bund sowie
auch die Verschiedenheit der jüdischen und der christlichen Glaubensgemeinschaft im
Hinblick auf das Bekenntnis zu Jesus dem Christus über das mögliche Maß hinaus. Ohne
Zweifel ist es zu begrüßen, wenn in einem theologischen Arbeitskreis das positive
Verhältnis von Christen und Juden mit Bezug auf die Quellen der Offenbarung und des
Bekenntnisses vertieft, Wunden geheilt und eine tiefere Versöhnung gesucht werden.
Aufgrund ihrer im Gott der Schöpfung und des Bundes wurzelnden geistlichen Verwandtschaft
(vgl. NA 4) stehen Christen und Juden vor den gemeinsamen Herausforderung, einer säkularisierten
Welt gegenüber die befreiende Macht Gottes zu bezeugen und die darin begründete Würde
des Menschen zu propagieren. Der Mensch ist im Bilde Gottes geschaffen und zur Freiheit
und Herrlichkeit der Kinder Gottes berufen. (vgl. Röm 8,21). Der Dialog in einem
Arbeitskreis kann jedoch nicht um den Preis geschehen, dass wesentliche christliche
Glaubensaussagen zu den Mysterien der Trinität und der Inkarnation, zu Erlösung und
Rechtfertigung des Sünders, zu Gnade und Erbsünde, zur universalen und einzigen Mittlerschaft
Christi, zur Heilsnotwendigkeit der Kirche, des Christusbekenntnisses und der Verbindung
mit Christus in den Sakramenten, zum Verhältnis von universalem Heilswillen und seiner
ekklesialen und sakramentalen Vergegenwärtigung entweder relativiert oder ungenau
wiedergegeben werden. Vom Standpunkt der katholischen Theologie ist ein schlüssiges
Gesamtkonzept im vorliegenden Text nur schwer auszumachen.
Lehramtliche Bewertung
der Erklärung des Gesprächskreises „Juden und Christen“
Dem Text kommt keine
lehramtliche Autorität zu. Er kann in keiner Weise als ein offizielles Dokument der
katholischen Kirche oder als authentische Darstellung des katholischen Glaubens und
Bekenntnisses angesehen werden. Die den Text leitende ganz offenkundige Entgegensetzung
der Lehre des II. Vatikanischen Konzils und Johannes Paul II. einerseits zur Lehre
und zu den ihm zukommenden Maßnahmen (in der Formulierung liturgischer Texte) Papst
Benedikts XVI. andererseits ist sowohl formal wie auch inhaltlich völlig verfehlt
(16). Weder hat die Neuformulierung der Fürbitte für die Juden im außerordentlichen
Ritus der Karfreitagsliturgie etwas mit „Judenmission“ in der absolut negativen Bedeutung
zu tun, die ihm das Papier des Arbeitskreis unterlegt („Judenmission ... als Ausdruck
der Geringschätzung des Judentums ... und deshalb den Boden für den Antisemitismus
des Nationalsozialismus bereitete.“) (17), noch gibt es eine „Kirche des Zweiten Vatikanischen
Konzils“, die den Bund Gottes mit dem jüdischen Volk als einen Heilsweg zu Gott darstellt
- auch ohne Anerkennung Jesu Christi und ohne das Sakrament der Taufe“ (18). In dieser
verkürzten und missverständlichen Form hat sich das II. Vatikanische Konzil gerade
nicht ausgedrückt.
Nostra aetate ist für den Neuanfang des Verhältnisses von
Juden und Christen von größter Bedeutung. Aber weder diese Erklärung noch andere Konzilstexte
noch das Neue Testament dürfen selektiv auf ein bestimmtes Vorverständnis hin ausgelegt
werden, in dem die universale Heilsmittlerschaft Jesu Christi und die daraus folgende
Heilsnotwendigkeit des Christus-Bekenntnisses, der Kirche und ihrer Sakramente relativiert
wird. Entscheidend bleibt die kirchliche Lehre in ihrem Gesamtzusammenhang. In der
Auslegung der Offenbarung, wie sie auf je eigene und aufeinanderbezogene Weise in
Schrift und Tradition vermittelt wird, muss die katholische Theologie immer berücksichtigen,
dass die verbindliche Erklärung der Offenbarung „nur dem lebendigen Lehramt der Kirche
anvertraut ist, dessen Vollmacht im Namen Christi ausgeübt wird.“ (DV 10). Deshalb
bleibt das ungeschmälerte Christusbekenntnis der Kirche konstitutiv für den katholischen
Glauben und zentrales Thema im Gespräch mit der jüdischen Glaubensgemeinschaft.
Juden
und Christen sollen ein Segen sein für die Welt
Das II. Vatikanische Konzil
hat in Nostra aetate auch die Grundlagen für einen Dialog formuliert, der das bisher
Erreichte und die Verantwortung für die Zukunft einbezieht: „Mit den Propheten und
mit demselben Apostel erwartet die Kirche den Tag, der nur Gott bekannt ist, an dem
alle Völker mit einer Stimme den Herrn anrufen und ihm `Schulter an Schulter`dienen
(Soph 3,9). Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist,
will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem
die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches
ist.“ (NA 4)
Für die gute Entwicklung des jüdisch-christlichen Dialogs können
auch immer noch die Worte Johannes Paul II. gelten, die er an die Juden in seiner
Heimat Polen 1993 gerichtet hat: „Als Christen und Juden folgen wir dem Beispiel Abrahams.
Wir sind berufen, ein Segen für die Welt zu sein. Das ist der Auftrag, der auf uns
wartet. Es ist unbedingt notwendig für uns, Christen und Juden zugleich, zuerst ein
Segen zu sein füreinander!“
Daran knüpft Papst Benedikt XVI. in der Kölner
Synagoge bei seinem Besuch (2005) anlässlich des Weltjugendtags an: „Auch bei dieser
Gelegenheit möchte ich versichern, dass ich beabsichtige, den Weg der Verbesserung
der Beziehungen und der Freundschaft mit dem jüdischen Volk, auf dem Papst Johannes
Paul II. entscheidende Schritte getan hat, mit voller Kraft weiterzuführen.“
______________________
(1)
II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung
„Dei Verbum“ (CV), 4. (2) ZdK, Erklärung „Nein zur Judenmission – Ja zum Dialog
zwischen Juden und Heiden“ vom 9.3.2009, (Erklärung) S. 19. (3) Ebd., S. 5. (4)
Ebd., S. 18f. (5) II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die göttliche
Offenbarung „Dei Verbum“ (CV), 5. (6) II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über
die Religionsfreiheit „Dignitas humanae“ (DH) 2. (7) Ebd., 3. (8) II. VATIKANISCHES
KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Genitum“ (LG), 18. (9)
II. VATIKANISCHES KONZIL, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute
„Gaudium et spes“ (GS), 22. (10) II. VATIKANISCHES KONZIL, Erklärung über das Verhältnis
der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“ (NA), 4. (11) Walter
KASPER, Wo das Herz des Glaubens schlägt. Die Erfahrungen meines Lebens, Freiburg
2008, 294f. (12) ZdK, Erklärung, S. 5. (13) ZdK, Erklärung, S. 17. (14) ZdK,
Erklärung, S. 16. (15) II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret über die Missionstätigkeit
der Kirche „Ad gentes“ (AG) 2. (16) ZdK, Erklärung, S. 1; 10. (17) Ebd., S.
13. (18) Ebd., S.1.