Thailand: Mit Wasserpistole durchs Regierungsviertel
Nach tagelangen Demonstrationen
mit Dutzenden von Verletzten hat sich die Lage in der thailändischen Hauptstadt Bangkok
offenbar entspannt. Die oppositionellen Demonstranten, die so genannten „Roten“, haben
an diesem Dienstag aufgegeben – zumindest vorläufig. Clemens Fabry, Seelsorger für
die deutschsprachigen Katholiken in Thailand, spricht in unserem Interview von einem
völligen Umschwung der Lage in der Stadt: Am Montag kaum jemand auf der Straße wegen
des Notstands, an diesem Dienstag hingegen ein Gewimmel wie üblich. Wir fragten Pfarrer
Fabry nach seinen Eindrücken in Bangkok.
„Zunächst einmal muss man sagen,
dass es genauso gewesen ist wie beim letzten Putsch. Ich wohne im äußersten Stadtzentrum
von Bangkog, aber wenn man nicht das Fernsehen hätte oder die Tagesschau-Seite im
Internet, würde man gar nichts mitbekommen, weil sich die Proteste auf bestimmte Gegenden
im Regierungsviertel beschränkt haben. Gestern war – wie man das ja auch in den deutschen
Medien mitverfolgen konnte – der schlimmste Tag: Der Ausnahmezustand wurde verhängt,
und die Gewaltbereitschaft nahm zu. Die „Roten“, die jetzt demonstriert haben, sind
Anhänger des ehemaligen Premierministers Thaksin, und sie bemängeln, dass die jetzige
Regierung Abhisit undemokratisch ins Amt gekommen ist, und fordern einen Rücktritt
des Premierministers.“
Sie fordern auch eine Rückkehr des früheren Ministerpräsidenten
aus dem Exil – welche Hoffnungen setzen sie denn auf ihn?
„Es ist so, dass
sich nach meinem Eindruck eher Thaksin selbst ins Spiel bringt. Er hat gestern verkündet,
als der Höhepunkt der Gewalttätigkeit erreicht war: Jetzt ist die goldene Zeit, Revolution
zu machen. Es scheint mir also eher so, dass er darauf spekuliert, zurückkommen zu
können – natürlich würden ihn seine Anhänger, wenn sie die Macht übernehmen würden,
wahrscheinlich wieder in sein Amt einsetzen.“
Wie würden Sie die aktuelle
Regierung beschreiben? Wo liegen ihre Probleme? Beschweren sich die Menschen auch
über zuwenig Demokratie?
„Es ist ja erstaunlich, dass seit dem Amtsantritt
von Premierminister Abhisit die ganze Sache ruhig war! Er hat sich auch keine großen
Ausrutscher geleistet, die man hätte kritisieren können. Egal, was er getan hätte
– es war wohl so, dass sich die rote Opposition auf jeden Fall wieder formiert hätte,
um wieder an die Macht zu kommen.“
Wie ist denn jetzt die Lage? Hat sie
sich beruhigt?
„Es ist hochinteressant... Gestern begann hier das thailändische
Neujahrsfest; eigentlich sind dann drei Tage lang alle Straßen leer und alle Geschäfte
geschlossen, und man vergnügt sich mit Wasserspielen, d.h., es wird im ganzen Stadtbezirk
oder auch im ganzen Land mit Wasser gespritzt. Und das war gestern natürlich nicht
zu sehen! Heute kam um zwölf Uhr in den Nachrichten, dass die Roten zunächst – wie
sie sagen – aufgeben, und wir sind dann mit dem Taxi durch das Regierungsviertel in
die Straße gefahren, die das Zentrum des Wasserspielens darstellt. Da konnten noch
einige Aufräumarbeiten beobachtet werden, aber im Grunde waren das Militär und die
Roten abgezogen. Um zwei Uhr war es auf dieser Straße noch recht leer, aber gerade
eben, um fünf, war es so voll wie in den vergangenen Jahren auch. Die Menschen haben
also dankbar zur Kenntnis genommen, dass der Notstand jetzt nicht mehr ausgerufen
ist, dass die Proteste beendet sind. Und es sind im Moment so aus, als ob Bangkok
und Thailand noch zwei schöne Neujahrstage bevorstehen!“
Kommen wir jetzt
mal zur Lage der Christen in Thailand: Wie stellt sie sich im allgemeinen dar, und
wie würde sich das auf die Christen auswirken, wenn die Roten ihre Interessen und
ihre Ziele durchgesetzt hätten?
„Ich glaube, dass es keine Auswirkungen
gegeben hätte, denn die ganze Zeit vorher, als Thaksin und die Roten regiert haben,
konnten wir hier feststellen, dass Thailand ein sehr tolerantes Land ist, was die
Religionen angeht. Es gibt hier fünf Prozent Christen; davon sind zwei Prozent Katholiken,
und es besteht keinerlei Einschränkung in der Religionsausübung; das ist also in dieser
Hinsicht ein sehr freies Land. Ich denke, daran würde auch ein Regierungswechsel überhaupt
nichts ändern.“
Glauben Sie, dass die Proteste der Roten noch einmal aufflammen
werden?
„Die Rücktrittserklärung der Roten lautete heute: Wir gehen vorläufig.
Wir geben jetzt auf, weil wir um das Leben unserer Anhänger fürchten... Die Situation
war ja so, dass noch ca. 3.000, 4.000 Menschen eingekesselt waren vom Militär und
dass das Militär aktiv werden wollte – daraufhin haben die Roten den Beschluss gefasst,
aufzugeben. Aber ich halte es für nicht sehr wahrscheinlich, dass Thailand jetzt ruhigen
Zeiten entgegen geht, sondern ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Prozess weitergehen
wird!“