Radio-Exerzitien: Einführung in den Gründonnerstag
Der Jesuitenpater Wendelin Köster begleitet im deutschsprachigen Programm von Radio
Vatikan durch die Fastenzeit 2009. Der 69-Jährige stammt aus dem Emsland, war zunächst
Jugendseelsorger, dann Leiter des Priesterseminars in Frankfurt/St. Georgen und anschließend
mehr als zehn Jahre lang deutschsprachiger Berater des Generaloberen der Jesuiten
in Rom. Vor kurzem wurde er zum Spiritual des Priesterseminars in Limburg berufen.
Zweimal pro Woche hören und lesen Sie hier seine Radioexerzitien. (rv)
Für
Gründonnerstag (09.04.)
Liebe Hörerinnen und Hörer!
Der Gründonnerstag
steht im Zeichen der Fußwaschung. Den Bericht darüber verdanken wir dem Evangelisten
Johannes (Jo, 13,1-15). Ich lade ich Sie wieder ein, die heutige Betrachtung in den
Radio-Exerzitien nicht nur zu hören, sondern das Evangelium noch einmal zu lesen und
sich dabei geistig in das Geschehen hineinzuversetzen. Wir befinden uns mit Jesus
und den Zwölfen in einem Saal. Dort ist alles vorbereitet für ein Mahl. Die Einladung
ging von Jesus aus. Er war der Gastgeber. Es war eine Einladung zu einem Mahl, nicht
zu einer Fußwaschung. Der Gastgeber hatte aber dafür zu sorgen, dass den Gästen die
Füße gewaschen wurden - eine willkommene Erfrischung in einem Land, wo es heiß und
staubig ist und man keine festen Schuhe trägt.
Die Gäste habe Platz genommen.
Sie liegen, auf die linke Seite gestützt, auf erhöhten Polstern rings um einen gedeckten
Tisch. Mit der rechten Hand erreichen sie die Speisen. Jetzt müssten eigentlich die
Diener kommen, um die Waschung der Füße vorzunehmen. Da sehen sie Jesus, wie er sein
Obergewand ablegt. Was soll das bedeuten? Dann umgürtet er sich mit einem Leinentuch,
gießt Wasser in eine Schüssel und geht auf den ersten seiner Jünger zu. Unglaublich:
er wäscht ihm die Füße. Dann trocknet er sie mit dem Leinentuch ab. Der Gastgeber,
ihr Meister und Herr verrichtet die Arbeit von Dienern. Im Saal herrscht die Stille
der Verblüffung. Niemand bringt ein Wort über die Lippen.
Jesus kommt zu Simon
Petrus. Er greift das Wort und sagt: Du, Herr, willst mir die Füße waschen?
Und Jesus, der bis jetzt auch noch kein Wort gesprochen hat, sagt: Was ich tue,
verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Und Petrus,
als ob er nicht richtig zugehört hätte, sagt: Niemals sollst du mir die Füße waschen!
Das klingt sehr entschieden, fast abweisend. Jesus hält inne. Dann richtet er sich
in seiner vollen Größe vor Petrus auf, blickt ihn an und sagt mit Bestimmtheit: Wenn
ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Da wird Petrus, der Fels,
weich und sagt: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das
Haupt. Nein, keinesfalls will er die Gemeinschaft mit dem geliebten Herrn verlieren.
Jesu kleidet, so stelle ich es mir vor, seine Antwort in ein wohlwollendes
Lächeln. Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu
waschen. Mit ruhigem Blick die anderen anschauend, setzt er hinzu: Auch ihr
seid rein. Dann wird seine Miene traurig und seine Stimme leiser: Aber nicht
alle. Damit meinte er Judas. Aber die anderen Jünger wissen es noch nicht. Immerhin
hat sich Judas die Fußwaschung wohl gefallen lassen. Wie wird ihm dabei ums Herz gewesen
sein, ihm, dem der Teufel ins Herz gegeben hatte, Jesus zu verraten und auszuliefern?
Aber es geht jetzt nicht um Judas, sondern um die Elf mit Simon Petrus an
der Spitze. Nach der Waschung der Füße legt Jesus sein Gewand wieder an, nimmt Platz
und ergreift erneut das Wort. Was er sagt, klingt wie ein Vermächtnis: Begreift
ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich
mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen
habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben,
damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. Auch diese Worte Jesu
sind so richtungweisend wie die andere Aufforderung: Tut dies zu meinem Gedächtnis!
Bei
der Fußwaschung geht es um die Grundlagen des Reiches Gottes. Durch sie stellt Jesus
dar, wie Gott seine Herrschaft ausübt. Der Messias Gottes wird keine Diener im Sinne
von Sklaven oder Angestellten haben. Die Jünger sind keine Angestellten des Messias.
Er wird sein Volk auch nicht wie Untertanen behandeln. Er wird der gute Hirt sein,
der sich zu denen niederbeugt, die ihm anvertraut sind. So müssen auch die Helfer,
die er sich holt. Sonst haben sie keinen Anteil an ihm. So wie Jesus sich zum Diener
seiner Jünger gemacht hat, so müssen auch sie sich gegenseitig dienen. Wenn sie sich
wie die Herren zu benehmen und sich bedienen lassen, dann behindern sie das Wachstum
des Reiches Gottes, dann sündigen sie, dann sind sie im Grunde nicht besser als Judas,
der den Inspirationen des Widersachers gefolgt ist. Wie wahr das Beispiel der Fußwaschung
ist, hat sich auch in der Geschichte des christlichen Glaubens voll und ganz bestätigt.
Wo sich Gläubige gegeneinander als Herren aufspielen, geht es der Gemeinschaft schlecht,
wo sie sich zueinander als Dienende verhalten, geht es der Gemeinschaft gut.
Die
Gedanken über das Mahl mit Fußwaschung sollen wieder einmünden ins Beten. Ich suche
das Gespräch, das Kolloquium mit dem gastgebenden Herrn. Was mich bewegt, ist
die außerordentliche Gelassenheit des Herrn in einem Moment, wo eigentlich „der Teufel
los“ ist. Der Evangelist fasst diesen Moment in die Worte: Jesus wusste, dass seine
Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen,
die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung. Wie
passt das zusammen?„Herr,“ würde ich zu fragen wagen, „hat dich dein Wissen
um den Verrat und den Verräter nicht tief erschüttert? Warum erscheinst du so gelassen?“
Es entsteht eine Pause, und mir kommt es mir so vor, als sitze Jesus nun mir zu Füßen.
„Was ich meine Stunde nenne, ist eine Gleichzeitigkeit. Wenn ich mich zu deinen
und der Menschen Füßen hinhocke, riskiere ich, dass ihr nach mir tretet. Und es erschüttert
mich, dass das wirklich geschieht. Aber ich hocke mich bei euren Füssen nieder, weil
ich euch liebe. Dass ich euch so lieben kann, verdanke ich meinem Vater im Himmel.
Er hat mich gesandt, und seine Kraft ist in mir. Was er will, geschieht. Was er beginnt,
wird auch vollendet. Er will retten, und er rettet.
Wenn ich aus dieser Welt
hinübergehe zu meinem Vater, von dem ich herkomme, dann kehre ich nicht mit leeren
Händen zurück. Ich habe seinen Auftrag ausgeführt. Der Evangelist Johannes hat diese
Gleichzeitigkeit von Niederlage und Sieg verstanden. Wo ich am Ende bin, am Kreuz,
da bin ich zugleich am Ziel. Ich rufe: Es ist vollbracht, und das heißt: das
Werk ist getan. Mit demselben Wort drückt der Evangelist aus, dass ich die Meinen
liebte bis zur Vollendung: Meine Liebe erreicht ihr Ziel: die ich liebe, sind
gerettet; mein Vaterhaus ist auch ihr Vaterhaus.“
Ich
brauche etwas Zeit, um diese Erläuterung auf mich wirken zu lassen. Aber da kommt
schon die Frage, die ich gern dem Apostel Paulus gestellt hätte: „Wie hast
du es mit der Fußwaschung?“ Paulus würde vielleicht folgendes sagen: „Als ich nach
meiner Bekehrung von der Fußwaschung hörte, war ich sehr betroffen. Du weißt ja, ich
war einer von denen, die nach Jesus getreten haben. Als er endlich tot war, habe ich
auf meine Weise gesagt „Es ist vollbracht“. Aber er holte er mich von meinem hohen
Siegesross herunter und warf mich zu Boden. Er ließ mich nicht dort liegen, sondern
richtete mich wieder auf. Aber wie er das machte, das hatte Ähnlichkeit mit seiner
Fußwaschung. Nie werde ich die Stimme vergessen – es war vor Damaskus - die zu mir
sprach: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Es wird dir schwer fallen, gegen den
Stachel auszuschlagen. Als ich wissen wollte, wer da mit mir sprach, sagte die
Stimme: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf, stell dich auf deine Füße! Denn
ich bin dir erschienen, um dich zum Diener und Zeugen dessen zu erwählen, was du gesehen
hast und was ich dir noch zeigen werde (vgl. Apg 26,14b-16).“ Paulus schweigt
ergriffen. Ich bin Gott dankbar, dass er ihn berufen hat. Er hat den Dienst der Fußwaschung
verstanden. Allen ist er alles geworden, um auf jeden Fall einige zu gewinnen (vgl.
1 Kor 9,22b) Vor allem aber ist er nicht ein Herr über unseren Glauben, sondern ein
Helfer zu unserer Freude (vgl. 2 Kor 1,24). (P. Wendelin Köster SJ)