Vatikan: Revision der Geschichtsschreibung über Konzil gefordert
Die Geschichtsschreibung
über das Zweite Vatikanische Konzil soll ideologisch gefärbte Interpretationen vermeiden.
Dazu ermahnte der Sekretär des Päpstlichen Rats der Seelsorge für die Migranten und
Menschen unterwegs, Erzbischof Agostino Marchetto, bei einem Vortrag am Florentiner
Kulturinstitut „Accademia dei Ponti“, das vom Opus Dei geleitet wird.
Viele
historische Interpretationen des Zweiten Vatikanischen Konzils seien zu einseitig,
sagt Marchetto. So habe eine ideologisch motivierte Geschichtsschreibung das Ereignis
des Zweiten Vatikanums bisher überwiegend als Bruch mit der Kirchentradition dargestellt.
Dabei sei der Eindruck entstanden, aus dem Konzil von 1962 sei eine völlig neue Kirche
entstanden. Das entspräche erstens nicht den historischen Fakten und habe zweitens
schismatischen Gruppen wie den Lefebvre-Anhängern Aufwind gegeben. Zwar habe das Konzil
wichtige Reformen beschlossen, die zu einer „Verheutigung“ („aggiornamento“) der Kirche
und zu einer zeitgemäßen Vermittlung ihrer Lehre geführt hätten. Damit hätten die
Konzilsväter der Tradition keine Absage erteilen wollen. Ihnen sei es vielmehr um
eine „gegenseitige Umarmung von Tradition und Erneuerung“ gegangen. Das Konzil, unterstreicht
Marchetto, sei ein „Ereignis der Einheit und des Konsens“. Das ginge deutlich aus
den Konzilsakten hervor. Diese müssten als Quellenmaterial von den Forschern stärker
beachtet werden, fordert der Erzbischof. Er betonte: „Die 62 Bände bilden die Basis
für eine gesicherte und korrekte Rezeption und hermeneutische Auslegung“ des Konzils.
Historische Genauigkeit sei hier umso wichtiger. Denn sie beeinflusse auch die theologische
Auslegung. Vor allem katholische Forscher seien zu einer kritischen Revision der Konzilsgeschichte
aufgerufen.