Zum Auftakt des G-20-Gipfeltreffens
in London haben die Kirchen eine radikale Veränderung des Weltfinanzsystems angemahnt.
In einem Brief an die Teilnehmer des Treffens hat Papst Benedikt XVI. zur gemeinsamen
Suche nach Auswegen aus der globalen Wirtschaftskrise aufgefordert. Auch der Ökumenische
Rat der Kirchen gab bekannt, dass die Finanzkrise nicht nur zu kurzfristigen Rettungsaktionen
für Banken genutzt werden dürfe.
Der Gipfel ist aber bereits mit einer schrecklichen
Nachricht gestartet: Bei den Protesten von Globalisierungskritikern ist ein etwa 30
Jahre alter Mann an Herzinfarkt gestorben. Trotzdem: Die Öffentlichkeit erwartet viel
von dem Spitzentreffen. Das glaubt auch der Generalsekretär von „Justitia et Pax“
der Schweizer Bischofskonferenz, Wolfgang Bürgstein. Er ist katholischer Theologe
und Ökonom.
„Die allgemeinen Erwartungen sind sehr groß. Das sieht man zum
einen an der medialen Öffentlichkeit und andererseits auch anhand der Proteste und
des Widerstands. Die Ziele dieses G-20-Treffens sind ja drei: Zum einen will man die
Wirtschaft wieder ankurbeln. Zweitens geht es um die Regulierung der Finanzmärkte.
Und zum Dritten Punkt: Man sucht neue allgemeine sowie koordinierte Formen von Interventionspolitik.
Angesicht der Streitereien im Vorfeld der Zusammenkunft gehe ich nicht davon aus,
dass es gelingen wird, die Wirtschaft anzukurbeln und die beiden andere Ziele zu erreichen.“ Zwar
seien nur Vertreter der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am Gipfeltreffen
anwesend. Doch auch die katholische Kirche hätte in London einiges zu sagen. Bürgstein:
„Denn
die katholische Kirche als Weltkirche kann besonders viel dazu beitragen. Ich würde
nämlich die ethischen Prinzipien, die wir in der katholischen Soziallehre kennen,
nicht zu gering einschätzen.“ Aus der Krise lassen sich durchaus aus wichtige
Lehren ziehen, sagt der Generalsekretär von „Justitia et Pax“ Schweiz.
„Es
war ja zunächst die Immobilienkrise, die sich dann zur Finanzkrise ausgeweitet hat.
Jetzt haben wir die globale Wirtschaftskrise. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung
hat sich gezeigt, dass es vor allem jene Wirtschaftsbereiche gut haben, die sich mit
Umweltschutz und neuen Technologien befassen. Diese Bereiche sind krisenresistent.“ Christen
tragen deshalb eine große Verantwortung, fügt Wolfgang Bürgstein an.
„Denn
das ist auch eine Aufgabe der Kirchen. Sie haben sich die Schöpfungsverantwortung
und das Wohl und die Würde der Menschen zu zentralen Inhalten ihres Daseins gemacht.
Auf der anderen Seite hat die Marktwirtschaft in den letzten Monaten gezeigt, dass
sie dazu nicht in der Lage ist. Deshalb braucht es klare Strukturen und Spielregeln.“ Anders
als bei anderen Gipfeln dieser Art steht die Abschlusserklärung, die am Donnerstag
nach dem Ende des Treffens veröffentlicht wird, nach Angaben von Gipfelteilnehmern
noch nicht. Unmut über vorliegende Entwürfe, die ihren Vorstellungen erheblich widersprachen,
hatten Deutschland und Frankreich dazu bewegt, kurz vor dem Gipfel noch einmal konkrete
Beschlüsse einzufordern.