D: Katholische Jugendverbände warnen vor Rechtsextremismus
Das Bundesinnenministerium
hat die rechtsextreme Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“, kurz HDJ, verboten.
Die HDJ hatte Kinder und Jugendliche in unpolitisch getarnten „Ferienlager“ seit Jahren
im Sinne der NS-Ideologie gedrillt. Andrea Hoffmeier, Bundesvorsitzende des Dachverbandes
katholischer Jugendverbände in Deutschland, dem BDKJ, sagte dazu gegenüber Radio Vatikan: „Die
erste Reaktion des BKDJ war die, dass wir diesen Schritt, der sicher ein erster Schritt
ist, aber ein guter und notwendiger Schritt war, sehr begrüßt haben.“ Hintergründe
in diesem Beitrag von Birgit Pottler:
Innenminister Wolfgang Schäuble sprach
in Berlin von „widerlichen Umtrieben der HDJ“. Kinder und Jugendliche müssten vor
„diesen Rattenfängern“ geschützt werden. Die HDJ hatte Kinder und Jugendliche in unpolitisch
getarnten „Ferienlagern“ seit Jahren im Sinne der NS-Ideologie gedrillt, der Verband
ist bundesweit organisiert und verbreitete – auch laut Verbotsbegründung aus dem Innenministerium
„rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut“. „In speziellen Schulungen
werden bereits Kinder im Grundschulalter gezielt in ‚Rassenkunde‘ unterrichtet“, erklärte
das Innenministerium. Ausländer und Juden würden als Bedrohung für das „deutsche Volk“
dargestellt. Das Verbot schließt auch eine Gründung von Ersatzorganisationen aus.
Doch wie kann verhindert werden, dass neo-nationalsozialistische Jugendgruppen überhaupt
diesen Zulauf haben? Andrea Hoffmeier vom BDKJ: „Zum einen braucht es einen
Aufbau von Infrastruktur in der Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere in Ostdeutschland.
Dort hat man nach der Wende überwiegend in Projektförderung investiert. Doch die Projekte
sterben nach einer gewissen Zeit wieder. Rechtsextremistische Organisationen können
damit in Lücken gehen…. …Das andere ist aus unserer Sicht auch eine verstärkte
politische Bildung, die nicht nur wie im Schulunterricht Theorie geleitet sein darf.
Es muss vielmehr die Frage gestellt werden, wie die Mitbestimmungsmöglichkeit und
damit das Erfahren von Demokratie wirklich gestärkt werden. Es geht darum, Kinder
stark zu machen und sie in ihrem Selbstwertgefühl zu bestärken. Der rege
Zulauf von Jugendlichen und Erwachsenen zu diesen Gruppen hat aus unserer Sicht aber
auch damit zu tun, dass sie sich ihrer Zukunftsperspektiven beraubt fühlen. Sie haben
keinen sicheren Arbeitsplatz, ihre Existenzsicherung und ihr Selbstwertgefühl sind
vermindert... Da bieten solche extreme Gedanken- und Weltbilder Hoffnung.“ Der
1990 gegründeten HDJ gehörten bundesweit mehrere hundert Mitglieder an. Die HDJ gilt
als eine Art Nachfolgeorganisation der verbotenen Wiking-Jugend, der eine „Wesensverwandtschaft“
mit der NSDAP und der Hitler-Jugend bescheinigt worden war. Erst Mitte März hatte
Schäuble eine Studie zu Rechtsextremismus bei Jugendlichen vorgestellt. Jeder siebte
Jugendliche in Deutschland ist demzufolge „sehr“ ausländerfeindlich. 4,9 Prozent der
Jugendlichen fühlten sich einer rechtsextremen Gruppierung oder Kameradschaft zugehörig. Hoffmeier: „Auf
Zukunft hin besteht die Gefahr, dass das rechtsextreme und damit auch menschenverachtende
Gedankengut mehrheitsfähig wird. Da haben wir in Deutschland eine Geschichte: Auch
die Nationalsozialisten sind so gesehen demokratisch an die Macht gekommen, weil eine
Mehrheit sich von ihnen eine bessere Zukunft erhoffte. Da aufzuklären und frühzeitig
gegenzusteuern ist jetzt sehr notwendig.“ HDJ-Mitglieder sind auch mit der
rechtsextremen NPD verbunden. Doch während der Bundesinnenminister Gruppen wie die
Wiking-Jugend oder die HDJ aus eigener Amtsvollmacht verbieten kann, ist das Verbot
von Parteien Sache des Bundesverfassungsgerichts. Dennnoch hat das Verbot der rechtsextremen
„Heimattreuen Deutschen Jugend“ auch die Diskussion um ein NPD-Verbotsverfahren neu
belebt. Andrea Hoffmeier, beim katholischen Jugendverband befasst sich seit vielen
Jahren mit Jugendpolitik: „Sicherlich macht ein Verbot solcher Parteien und
Jugendorganisationen in der Gesellschaft deutlich, dass es sich hier nicht um Lappalien
handelt, sondern um kriminelle und volkshetzerische Vereinigungen.“ Nach einem
Strafbescheid der Bundestagsverwaltung an die NPD über mehr als zwei Millionen Euro
droht der finanziell klammen Partei jetzt der wirtschaftliche Ruin. Grund für die
Millionenzahlung sind gravierende Fehler im NPD-Rechenschaftsbericht 2007: Staatliche
Mittel waren falsch ausgewiesen worden, notwendige Erläuterungen sonstiger Einnahmen
sind teilweise gänzlich unterblieben. Die Pannen im Verbotsverfahren gegen die
NPD, die Einstellung 2003 aus Verfahrensgründen und der Skandal um V-Leute aus dem
Verfassungsschutz in der Partei hätten bislang jedoch nicht dazu beigetragen, der
Partei zu schaden. Solche Pannen seien künftig zu vermeiden, so Hoffmeier: „Da
muss sehr genau geschaut werden, was im Rahmen eines rechtsstaatlichen Ge- und Verbots
möglich ist, damit man diesen Parteien und Organisationen im Nachhinein nicht Auftrieb
gibt, wenn sich ein Verbot nicht durchsetzen lässt. Das ist dann auch nicht gerade
hilfreich.“ Die Freizeitangebote der Heimattreuen Jugend richteten sich gezielt
an Familien. Auf ihrer Internetseite bezeichnete sie sich als „die aktive, volks-
und heimattreue Jugendbewegung für alle deutschen Mädel und Jungen im Alter von 7
bis 29 Jahren“. Die Mitglieder lehnten einen Konsum- und Markenzeitgeist ab. „Bei
uns zählt nicht derjenige, der die teuersten Markensachen besitzt, sondern bei uns
zählen innere Werte: Haltung, Charakter und Auftreten.“ Der Wolf im Schafspelz? BKDJ-Bundesvorsitzende
Andrea Hoffmeier: „Wichtig ist, dass sehr gut unterschieden wird zwischen politischer
und wertgebundener Kinder- und Jugendarbeit und solcher Kinder- und Jugendarbeit,
die Kinder und Jugendliche nicht zu eigenen Persönlichkeiten und einem freiheitlich
demokratischen Denken erziehen möchte, sondern sie letztendlich für ihre Zwecke indoktrinieren
möchte.“
(rv 02.04.2009 bp ; im Beitrag verwandte Musik:
Konstantin Wecker, Vaterland, 1979)