2009-03-28 12:22:14

Wocheninterview: Kardinal Vlk, „EU braucht Identität“


RealAudioMP3 Der Sturz der tschechischen Regierung verursacht einiges Unbehagen in der Europäischen Union. Denn Tschechiens Premier Mirek Topolanek ist der derzeitige Ratsvorsitzende der EU. Angesichts dessen droht die Krisenstimmung nun auch nach Brüssel überzuspringen. Deshalb sei es gerade jetzt unbedingt notwendig, dass die EU ihre Identität stärke. Das betont der Prager Erzbischof, Kardinal Miloslav Vlk, im Wocheninterview mit Radio Vatikan. Mario Galgano hat den Prager Kardinal gefragt, was die Europäische Union heute konkret benötige:
 
„Ohne wichtige Prinzipien und Normen für die zwischenmenschlichen Beziehungen hat die EU keine Zukunft. Man sollte eine Verfassung oder Normen finden. Das ist aber im Augenblick sehr schwierig, obwohl es meiner Ansicht nach der wichtigste Ausgangspunkt für die weitere Arbeit ist.“
 
Herr Kardinal, ein Misstrauensvotum hat die tschechische Regierung mitten in ihrer EU-Ratspräsidentschaft gestürzt. Welche Rolle soll Ihrer Meinung nach die Tschechische Republik in Europa überhaupt haben?

 
„Ich bin überzeugt davon, dass die EU-Ratspräsidentschaft bis jetzt gut gearbeitet hat. Und das, obwohl es von Anfang an so viele Probleme gab. Man denke an die Gaskrise, die weltweite Wirtschaftskrise, usw. Die Tschechische Republik hat ja eine wichtige historische Erfahrung mit einem Regime gehabt, das sehr viel von Einheit sprach, aber keine Rechte und Grundwerte der zwischenmenschlichen Beziehungen bot. Diese Erfahrung mit dem sowjetischen Regime können wir als Tschechen in Europa einbringen.“
 
Die Tschechische Republik ist historisch und geographisch ein Brückenland zwischen West- und Osteuropa. Wie sehen Sie diese Funktion, auch aus Sicht der Tschechischen Republik und der benachbarten Staaten?

 
„Historisch gesehen sind wir wirklich ein Brückenland zwischen West- und Osteuropa. Schon am Anfang unserer Geschichte gab es eine große Begegnung der Geistlichkeit der Ostkirche mit dem lateinischen Christentum. Zwei verschiedene Kulturen also. Es ist wahr, dass Prag ein Treffpunkt kultureller Einflüsse im Herzen Europas ist. Aber eine starke geistliche Mitgift, die wir in Europa einbringen könnten – auch wegen der gesellschaftlichen und politischen Situation nach der kommunistischen Vergangenheit – gibt es heute eigentlich nicht.“
 
Welche Rolle spielt die katholische Kirche in Europa heute? Und welche Rolle sollte sie in Europa in der Zukunft haben?

 
„Es ist wahr, dass der Glaube in Europa heute geschwächt ist. Man denke dabei an die fehlenden Werte innerhalb vieler zwischenmenschlichen Beziehungen. Das behindert den Weg zur Einheit. Ich bin überzeugt davon, dass Einheit und Leben in der Einheit nur auf der Basis geistlicher Werte möglich sind. Diese Tatsache kann man den Menschen nur mit Hilfe des Zeugnisses des richtigen Lebens beibringen. Die Kirche als Ganzes ist in dieser Hinsicht nicht genug vorbereitet. Aber es gibt hier viele geistliche oder kirchliche Bewegungen, die ihre Erfahrung in Europa einbringen können.“

 
Eminenz, ist die politische Krise in der tschechischen Republik auch Anzeichen für eine Krise in Europa - auch wenn diese vielleicht politisch nicht unmittelbar sichtbar ist?

 
„Die Werte, die das europäische Logo darstellt – nämlich zwölf Mariensterne – zeigen uns wirklich geistliche Grundwerte an. Wir müssen also gemeinsam zu den christlichen Wurzeln Europas zurückkehren. Das ist meine Meinung. Nur so kann man den schönen Plan der Väter der Europäischen Union realisieren.“
 
(rv 27.03.2009 mg)







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