Vatikan: Obama, die Protestanten und die Klerikalisierung
Im Apostolischen Palast
des Vatikans hält der Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa in diesen Tagen immer wieder
Fastenpredigten für die Römische Kurie. An diesem Freitag redete er im Beisein des
Papstes über den Heiligen Geist und die Bedeutung des Gewissens. Dabei widersprach
er vehement esoterischen Theorien, die von einer neuen „Ära des Geistes“ sprechen,
in die wir jetzt eingetreten wären. Theorien, die sich u.a. auf den mittelalterlichen
Denker Joachim von Fiore berufen.
„Die Tatsache, dass der neue Präsident der
USA im Wahlkampf dreimal Joachim von Fiore erwähnt hat, hat das Interesse an der Lehre
dieses mittelalterlichen Mönches wieder geweckt. Aber nur wenige von denen, die sich
– vor allem im Internet – über ihn auslassen, wissen oder beachten, was dieser Autor
genau gesagt hat. Jede Idee der kirchlichen oder weltlichen Erneuerung wird kurzerhand
unter seinen Namen gepackt – sogar die Idee eines neuen Frühlings für die Kirche,
von der Johannes XXIII. sprach.“
Eines sei sicher, so Pater Cantalamessa: Die
Theorie einer Weltzeit des Heiligen Geistes, die da u.a. durch das „World Wide Web“
geistert, sei „falsch und häretisch“, weil sie das Dogma von der göttlichen Dreifaltigkeit
verzerre. Der Papst-Prediger – der in früheren Fastenansprachen auch schon mal über
Mel Gibson oder Harry Potter nachdachte – betonte, wie wichtig das vom Heiligen Geist
erleuchtete Gewissen ist, wie wichtig aber auch das Korrektiv durch das kirchliche
Lehramt.
„Es ist gleichermaßen fatal, so zu tun, als könnte man ohne das eine
oder ohne das andere auskommen. Wenn man das innere Zeugnis – also das Gewissen –
vernachlässigt, verfällt man leicht in Legalismus und ins Autoritäre; wenn man das
äußerliche, apostolische Zeugnis hingegen vernachlässigt, verfällt man in Subjektivismus
und Fanatismus...“
„Wenn man alles auf das persönliche, private Hören des Geistes
reduziert, dann öffnet man den Weg für Spaltungen, weil dann jeder glaubt, recht zu
haben. Das Multiplizieren der Konfessionen und Sekten zeigt uns, dass nicht in allen
derselbe Geist der Wahrheit sein kann, sonst läge er oft im Widerspruch mit sich selbst.
Das ist, wie man weiß, die Gefahr, der die protestantische Welt am meisten ausgesetzt
ist – schließlich hat sie das „innere Zeugnis“ des Heiligen Geistes zum einzigen Wahrheitskriterium
gemacht, gegen jedes äußere, kirchliche Zeugnis, solange es nicht die Bibel ist...
Häufig führt diese Tendenz dazu, dass schließlich das Wort Geist den Großbuchstaben
verliert und einfach mit dem menschlichen Geist in eins gesetzt wird – das ist das,
was im Rationalismus passiert ist.“
Auf der anderen Seite dürfe man den Heiligen
Geist aber auch nicht einfach mit dem Lehramt der Kirche in eins setzen, so Pater
Cantalamessa: „Das würde das vielfältige Wirken des Heiligen Geistes verarmen lassen.“
Die Folge wäre, dass in der Kirche „die Laien an den Rand gedrängt und die Kirche
übermäßig klerikalisiert würde“.