Ein „Schweigemarsch
für verfolgte Christen“ zieht am Freitag Nachmittag ab 16.15 Uhr durch Wien. Angeführt
wird er diesmal von einem irakischen Erzbischof: Es ist der katholische Chaldäer Louis
Sako aus Kirkuk. Der Kirchenmann macht bei seinem Wien-Besuch auf etwas aufmerksam,
was er eine „Tragödie“ nennt: die Lage der Christen im Irak. In den letzten fünf Jahren
seien an Euphrat und Tigris 750 Christen getötet worden, und 200.000 haben das Land
verlassen. Der Erzbischof bittet um Unterstützung für die Christen, damit diese im
Irak bleiben – bzw. zurückkehren können.
Mittlerweile habe sich die Lage in
der Hauptstadt Bagdad und auch im südirakischen Basra zwar ein wenig verbessert, gibt
Sako an. Mossul sei aber nach wie vor der gefährlichste Platz für Christen im Irak.
Sako, der 2003 zum Erzbischof der nordirakischen Erdölstadt Kirkuk ernannt wurde,
stammt selbst aus Mossul. Als Hauptgrund für die unveränderte Lage in Mossul sieht
er die Präsenz der Wahabiten – das ist eine radikale theologische Strömung im sunnitischen
Islam, die in Saudiarabien den Rang einer Staatsideologie hat. „Die Fundamentalisten
wollen einen islamischen Staat errichten. Und Sunniten wie Schiiten denken, dass die
Christen Ausländer sind“, beklagt Erzbischof Sako.
Problematisch sei auch,
dass viele Iraker die US-Truppen - von denen die Bevölkerung meint, sie seien zur
Bekämpfung des Islams in das Land gekommen - mit den Christen gleichsetzen. Trotzdem
herrsche unter den Christen Sorge ob des angekündigten Abzugs der US-Truppen: Schon
jetzt sei nämlich die fehlende Sicherheit im Land das größte Problem. Armee und Polizei
wären noch nicht stark genug. Sako wörtlich: „Unter Saddams Regime hatten wir die
Sicherheit, aber keine Freiheit. Heute haben wir die Freiheit, aber das Problem ist
die Sicherheit.“
Erzbischof Sako bittet um Solidarität mit den Christen im
Irak und auch mit den Flüchtlingen. Die Emigration der Christen, von denen nun viele
in Syrien, Jordanien, dem Libanon und der Türkei leben, sei eine „große Herausforderung
für die Kirche“. Zahlreiche Familien hätten sich auch in nordirakische Kleinstädte
geflüchtet, wo es kaum Arbeit gebe. Sako wünscht sich mehr politischen Druck auf den
Irak: Es sei „eine Schande“, dass die Menschenrechte der Christen im Irak nicht geachtet
würden; auch die Christen seien schließlich Bürger des Irak. Außerdem lebten sie dort
schon seit 2.000 Jahren. Mit ihrer Vertreibung würde auch ein Teil der Kultur und
Geschichte des Irak verloren gehen.
Der Wiener Schweigemarsch endet am Freitag
um 17 Uhr im Stephansdom; dort wird mit einem Gottesdienst an verfolgte Christen in
aller Welt, vor allem aber im Irak gedacht.