Der Vatikan-Verantwortliche für das Gespräch mit dem Islam steht dem Begriff der „Gegenseitigkeit“
(Reziprozität) reserviert gegenüber. Man kann den dem Völkerrecht entstammenden Begriff
nicht so ohne weiteres auf den christlich-islamischen Dialog anwenden; das gab Kardinal
Jean-Louis Tauran am Donnerstag bei einem Vortrag in Rom zu erkennen. „Das kirchliche
Lehramt bietet keine systematische Behandlung des Gegenseitigkeits-Prinzips“, so der
Kardinal wörtlich. „Die Kirche müßte erst den authentischen Sinn dieses Begriffs im
interreligiösen Bereich präzisieren und klar vorgeben, in welchen Kontexten er angewandt
werden kann“. In westlichen Ländern fordern Politiker immer wieder „Gegenseitigkeit“,
wenn es etwa um den Bau von Moscheen geht. In gleichem Ausmaß solle in mehrheitlich
islamischen Ländern auch der Bau von Kirchen möglich werden, so ihr Argument.