Die Kirche ist ernüchtert
über die Erfolge der deutschen Familienpolitik. Zwar sei es ein Fortschritt, dass
die Familie überhaupt wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte gerückt
sei, sagt Karl Jüsten, der Leiter des Katholischen Büros in Berlin. Doch messbare
Erfolge wie etwa des Elterngeldes seien ausgeblieben. Jüsten äußerte sich im Kölner
Domradio nach einem Vortrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der Katholischen
Akademie über das christliche Menschenbild als Grundprinzip des gesellschaftlichen
Zusammenhalts sprach und als Beispiel die Familienpolitik nannte. Jüsten:
„Es
war seit langem eine Forderung der Kirche, dass Familienpolitik kein Mauerblümchendasein
führt. Die Frage ist, was ist der richtige Weg, um die Familien wirklich zu fördern.
Es gibt heute einen Konsens quer durch alle Parteien, dass Familien gefördert werden
müssen – das ist ein Fortschritt. Jetzt muss man die politischen Maßnahmen zur Familienförderung
darauf überprüfen, ob es tatsächlich geschieht. Zum Beispiel das Elterngeld – hat
es tatsächlich dazu geführt, dass die Menschen wieder mehr Kinder bekommen und gerne
Kinder haben oder nicht? Das sind wir sehr ernüchtert nach den neuesten Zahlen. Gleichzeitig
hat das Elterngeld auch dazu geführt, dass die Maßnahme, die vorher da war, abgeschafft
wurde, und die hat vor allem sozial schwächeren Familien geholfen. Oder wenn jetzt
ein neues Unterhaltsrecht in Kraft getreten ist, führt das möglicherweise auch darum
dass Familien sich dafür entscheiden müssen, dass beide berufstätig bleiben müssen,
weil sonst im Fall der Ehescheidung die Frau den erheblich Kürzeren zieht. Das sind
alles Maßnahmen, die muss man kritisch überprüfen, und wir als Kirche haben da unsere
Vorstellungen und bringen die auch ein.“
Gerade in Sachen Familienförderung
muss die deutsche Regierung jetzt darauf achten, die Schwächeren zu schützen, so Karl
Jüsten,
„dass man nicht den bessergestellten Familien mehr hilft als den
schwächeren. Die schwächeren brauchen möglicherweise mehr Hilfe als die Stärkeren,
das war unser Anliegen. Dann haben wir beim Unterhaltsrecht gefordert, aber uns nicht
ganz durchgesetzt. Was wohl in unserem Sinn war, dass das Kinderwohl vorangestellt
ist, was vorher nicht so unbedingt der Fall war, also es ist immer ein gemischtes
Verhältnis. Man hat etwas erreicht, aber nie das erreicht, was man ganz erreichen
wollte. Aber so ist das nun mal in der Politik.“