Papst Benedikt XVI.
begegnet an diesem Mittwoch der Kirche in Kamerun. Am Vormittag trifft er sich mit
den Bischöfen des Landes, am Nachmittag betet er die Vesper mit Priestern, Ordensleuten
und Katecheten. Jede der 24 Diözesen durfte für die Papstvisite 30 Personen delegieren.
Die Gastgeber präsentieren sich heute als lebendige Kirche, mit knapp 1.800 Priestern
und 18.000 Katecheten für 4,7 Millionen Katholiken. Birgit Pottler blickt zurück auf
die Anfänge der Kirche in Kamerun.
Hamburg Hafen, 1. Oktober 1890. Acht Männer
verlassen Deutschland in Richtung Kamerun. Ihre Idee: Das Evangelium muss allen Völkern
verkündet werden. Es sind Pallottiner, die sich auf die Reise in die deutsche Kolonie
im zentralen Westafrika machen. Vor ihnen liegt keine einfache Mission.
„Die
erste Reise war insofern noch etwas problematischer, weil ein gewaltiger Sturm das
Schiff auf der Nordsee überraschte und alle Ladung auf Deck ins Meer geworfen werden
musste, damit das Schiff nicht unterging.“
Pater Norbert Hannappel berichtet,
selbst Pallottiner.
„Zu dieser Ladung gehörte auch ein zerlegbares Haus, das
sich die Missionare mitgenommen hatten um vor Ort gleich ein ordentliches Haus zu
haben. Das ging also auch in die See. Von daher waren sie zunächst einmal auf ihre
Zelte, ihre Kisten, ihre Buschhütten, die sie dann mit Hilfe der Einheimischen bauten,
angewiesen. Das waren für diese Europäer, diese Weißen, natürlich sehr schwierige
Lebensbedingungen.“
Hannappel ist Vizepostulator im Seligsprechungverfahren,
das seit 2005 für den Mann an der Spitze der ersten Deutschen in Kamerun läuft: Heinrich
Vieter. Er war treibende Kraft in den ersten 25 Jahren der Kirchengeschichte des Landes,
die Katholiken verehren ihn heute als „Apostel Kameruns“.
Dabei schien seine
Mission von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Die Kolonialmacht war den Katholiken
nicht wohl gesonnen und machte schon vor der Abreise Schwierigkeiten, „weil man sich
in der Endphase des Kulturkampfes befand und Bismarck jeden katholischen Einfluss
sowohl in Deutschland wie auch in den Kolonien eindämmen wollte.“
Schon seit
1886 waren protestantische Missionare im Land. Die verteidigten ihr Revier rund um
die Hauptstadt und versuchten, die „Neulinge“ in schlechtes Licht zu rücken. Hannappel
bestätigt: „Die Baptisten hatten natürlich die Konkurrenz der römischen Kirche
zu fürchten. Und sie haben daraufhin durch das Gerücht, Katholiken dürften nicht heiraten,
wobei sie genüsslich auf die katholischen Missionare, die ja unverheiratet waren,
verwiesen natürlich den Schwarzen, den Einheimischen, Angst gemacht. Denn eine Leben
ohne Heirat, ohne Ehe, ohne Familie ist im afrikanischen Bereich undenkbar und für
uns natürlich auch unsinnig.“
Die Mission der ersten Pallottiner in Kamerun
beginnt nicht mit Predigten und großem Zulauf, sondern mit weiteren Problemen: die
Sprache, das Klima, die Ernährung, mangelnde und falsche medizinische Versorgung.
Dennoch, Anfang Dezember 1890, rund sechs Wochen nach der Ankunft, gründete Vieter
in Küstennähe die erste Missionsstation Marienberg. Vieter-Forscher Hannappel: „1890
als in Marienberg, in dieser ersten Missionsgründung, alle krank herumlagen und nicht
mehr konnten hat Bischof Vieter, nachdem er selber wieder etwas zu Kräften gekommen
war, alle zusammengetrommelt und gesagt: So jetzt beginnen wir und wir weihen ab heute
Kamerun Maria, der Königin der Apostel.“
Woher kam diese Kraft? Warum harrte
Vieter aus, obwohl andere Missionare und später auch Missionarinnen starben oder zumindest
entkräftet nach Hause zurück kehrten? Sein Vizepostulator und mit ihm viele Biografen
stellen fest: „Er war Westfale…. Und das heißt er hatte einen sehr starken Willen
und eine sehr große Konsequenz in der Durchführung seiner missionarischen Ziele. Konsequenz
heißt, dass er mit seiner eigenen Gesundheit rücksichtslos umging.“ Sein Wahlspruch
als späterer Bischof war „Ego servus tuus“ – „Ich bin dein Diener“. Im Grunde trieb
ihn also tiefes Vertrauen in Gott.
1853 in Cappenberg im Münsterland geboren,
will er früh Priester werden, muss diesem Wunsch wegen familiärer Not aber entsagen.
Er lernt Schreiner, geht auf die „Walz“, schließt sich dem Kolping-Gesellenverein
an, besucht Abendschulen und sucht nach einer Ordensgemeinschaft. Die Jesuiten, dann
auch die Salvatorianer lehnen Vieter ab. Schließlich lernt er die Pallottiner kennen,
studiert an der Gregoriana, schließt mit Auszeichnung ab und wird 1887 mit 34 zum
Priester geweiht. Die Pallottiner übertragen ihm keine leichten Aufgaben: Rektor eines
Studienhauses in Italien, Oberer der Gemeinschaft in Südbrasilien und die Kamerun-Mission.
Zwar
mag er rücksichtslos gegen sich selbst gewesen sein, für seine Missionare war er Seelsorger
im zweifachen Sinn. Hannappel: „Jedes Jahr einmal kam er zu Exerzitien zu den Stationen,
und hat ihnen für ihr geistliches Leben neue Nahrung gegeben. Er hat die Arbeitsbedingungen
immer kontrolliert um zu verhindern, dass Übereifer und falsche Askese die Kräfte
der Missionare abbauten. Insofern war er sehr konsequent, sehr stark von seinem Willen,
aber auch einfühlsam für die Situation der Priester, der Brüder und der Schwestern.“
Heinrich
Vieter blieb also und baute weiter Missionsstationen und Kirchen. Zunächst in der
noch unerschlossenen Küstenregion, 1900 erreichte er Yaoundé, 1905 wurde er Bischof.
Die Mission bezog sich immer auf die ganze Region, nicht nur das Zentrum. Es gab 30
bis 40 Nebenstationen mit so genannten Dorfschulen und oft auch Werkstätten, in denen
Einheimische ein Handwerk erlernten. Schon früh praktizierte Vieter Hilfe zur Selbsthilfe: „Bischof
Vieter hat versucht, durch die Schulen die Lebensgrundlage der Einheimischen auf eine
solide Basis zu stellen. Er sagte wir können nicht einfach nur den Glauben predigen.
Wir müssen auch dafür sorgen, dass sie in ihrem Leben zurechtkommen. Das bedeutet
es war eine frühe Form einer Entwicklungsarbeit, die dort geleistet wurde.“
Die
unbekannten, unverheirateten Deutschen konnten sich also durchsetzen und hatten Erfolg: „Die
Missionare haben durch ihren persönlichen Einsatz für die Kinder, für die Jugendlichen,
in den Schulen, für die Kranken, in den Ortschaften, in den Hütten es sehr schnell
geschafft das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Besonders auch dadurch, dass sie
sich sofort bemüht haben die einheimische Stammessprache zu lernen. Das war damals
unter den Weißen nicht üblich und ein Plus der Missionare.“
Vieter und seine
Pallottiner waren auf die politische Unterstützung der Kolonialregierung angewiesen,
reichten doch schon die finanziellen Hilfsmittel aus Deutschland aus Vieters sicht
nicht aus. Der hartnäckige Westfale war – wo nötig – auch Diplomat. Missionare von
Regierungs Gnaden wurden die Patres dennoch nicht. „Bischof Vieter hat viele Missbräuche
und Missstände der Kolonialherrschaft immer wieder angemahnt und versucht die Würde
des Einheimischen hervorzuheben und zu verteidigen; auch die Würde der Frau, oft auch
gegen die Stammeskulturen, die die Frau, zum Teil bis heute noch, als Besitz des Mannes,
als Ware im extremen Fall sehen.“
Vieter betrieb früh die nach dem Zweiten
Vatikanum propagierte Inkulturation der Kirche. Die Dorfschulen wurden von Einheimischen
geleitet, sie waren Lehrer, Katecheten und Jugendarbeiter. Die Pallottiner delegierten
nicht nur, sondern übertrugen auch Verantwortung. In Yaoundé entstand eine Katechetenschule
und kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs auch noch ein Priesterseminar. Der erste
Bischof war überzeugt, „dass der Glaube auf Dauer nur aus dem Volk selbst heraus
weitergegeben werden kann und nicht durch fremde Weise.“
Kameruns Kirche vor
dem Ersten Weltkrieg war keine Kolonialkirche, auch wenn örtliche Historiker sie heute
darauf reduzieren. Wie sonst hätte die Kirche nach der Vertreibung der deutschen Missionare
überleben sollen? Mit dem Einzug der Kolonialherren aus Frankreich und England mussten
die Deutschen gehen – ausnahmslos. Die letzten Pallottiner verließen laut Hannappel
1916 das Land. „Die Vertreibung war für die deutschen Missionare ein Schock und
eine sehr schwierige Situation. Sie sagten: Wir sind doch nicht im Krieg. Wir Missionare
nicht.“ Noch schwieriger war die Situation aber wohl für die Einheimischen selbst,
sie hatten diese deutschen Missionare geschätzt, wenn nicht geliebt. Jetzt zählten
die Katecheten noch mehr als zuvor: Sie waren die Brücke zu den Missionaren der neuen
Kolonialherren, der Feinde. Die Katecheten sorgten für Kontinuität und das Weiterleben
von christlichem Glaube und Kirche. Pater Norbert Hannappel: „Die Einheimischen
mussten lernen, dass es nicht nur eine Kirche von Deutschen sondern eine universale
Kirche gibt. Kirche ist nicht abhängig von Nationalität, sondern ist Kirche aller
Völker.“ Der Besuch des Papstes jetzt ist dafür positives Beispiel…
Heinrich
Vieter musste den Abzug aus Kamerun nicht mehr erleben. Er starb – nachdem die aufblühende
Station in der Hafenstadt Douala bereits zerstört war – rund einen Monat vor der Vertreibung
der Deutschen, am 7. November 1914. Zuvor firmte er in Yaoundé an vier Sonntagen hintereinander
insgesamt 1.200 Männer und Frauen, Jungen und Mädchen.