2009-03-18 10:29:49

Kirche in Kamerun: Die deutschen Anfänge


RealAudioMP3 Papst Benedikt XVI. begegnet an diesem Mittwoch der Kirche in Kamerun. Am Vormittag trifft er sich mit den Bischöfen des Landes, am Nachmittag betet er die Vesper mit Priestern, Ordensleuten und Katecheten. Jede der 24 Diözesen durfte für die Papstvisite 30 Personen delegieren. Die Gastgeber präsentieren sich heute als lebendige Kirche, mit knapp 1.800 Priestern und 18.000 Katecheten für 4,7 Millionen Katholiken. Birgit Pottler blickt zurück auf die Anfänge der Kirche in Kamerun.

Hamburg Hafen, 1. Oktober 1890. Acht Männer verlassen Deutschland in Richtung Kamerun. Ihre Idee: Das Evangelium muss allen Völkern verkündet werden. Es sind Pallottiner, die sich auf die Reise in die deutsche Kolonie im zentralen Westafrika machen. Vor ihnen liegt keine einfache Mission.

„Die erste Reise war insofern noch etwas problematischer, weil ein gewaltiger Sturm das Schiff auf der Nordsee überraschte und alle Ladung auf Deck ins Meer geworfen werden musste, damit das Schiff nicht unterging.“

Pater Norbert Hannappel berichtet, selbst Pallottiner.

„Zu dieser Ladung gehörte auch ein zerlegbares Haus, das sich die Missionare mitgenommen hatten um vor Ort gleich ein ordentliches Haus zu haben. Das ging also auch in die See. Von daher waren sie zunächst einmal auf ihre Zelte, ihre Kisten, ihre Buschhütten, die sie dann mit Hilfe der Einheimischen bauten, angewiesen. Das waren für diese Europäer, diese Weißen, natürlich sehr schwierige Lebensbedingungen.“

Hannappel ist Vizepostulator im Seligsprechungverfahren, das seit 2005 für den Mann an der Spitze der ersten Deutschen in Kamerun läuft: Heinrich Vieter. Er war treibende Kraft in den ersten 25 Jahren der Kirchengeschichte des Landes, die Katholiken verehren ihn heute als „Apostel Kameruns“.

Dabei schien seine Mission von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Die Kolonialmacht war den Katholiken nicht wohl gesonnen und machte schon vor der Abreise Schwierigkeiten, „weil man sich in der Endphase des Kulturkampfes befand und Bismarck jeden katholischen Einfluss sowohl in Deutschland wie auch in den Kolonien eindämmen wollte.“

Schon seit 1886 waren protestantische Missionare im Land. Die verteidigten ihr Revier rund um die Hauptstadt und versuchten, die „Neulinge“ in schlechtes Licht zu rücken. Hannappel bestätigt:
„Die Baptisten hatten natürlich die Konkurrenz der römischen Kirche zu fürchten. Und sie haben daraufhin durch das Gerücht, Katholiken dürften nicht heiraten, wobei sie genüsslich auf die katholischen Missionare, die ja unverheiratet waren, verwiesen natürlich den Schwarzen, den Einheimischen, Angst gemacht. Denn eine Leben ohne Heirat, ohne Ehe, ohne Familie ist im afrikanischen Bereich undenkbar und für uns natürlich auch unsinnig.“

Die Mission der ersten Pallottiner in Kamerun beginnt nicht mit Predigten und großem Zulauf, sondern mit weiteren Problemen: die Sprache, das Klima, die Ernährung, mangelnde und falsche medizinische Versorgung. Dennoch, Anfang Dezember 1890, rund sechs Wochen nach der Ankunft, gründete Vieter in Küstennähe die erste Missionsstation Marienberg. Vieter-Forscher Hannappel:
„1890 als in Marienberg, in dieser ersten Missionsgründung, alle krank herumlagen und nicht mehr konnten hat Bischof Vieter, nachdem er selber wieder etwas zu Kräften gekommen war, alle zusammengetrommelt und gesagt: So jetzt beginnen wir und wir weihen ab heute Kamerun Maria, der Königin der Apostel.“

Woher kam diese Kraft? Warum harrte Vieter aus, obwohl andere Missionare und später auch Missionarinnen starben oder zumindest entkräftet nach Hause zurück kehrten? Sein Vizepostulator und mit ihm viele Biografen stellen fest:
„Er war Westfale…. Und das heißt er hatte einen sehr starken Willen und eine sehr große Konsequenz in der Durchführung seiner missionarischen Ziele. Konsequenz heißt, dass er mit seiner eigenen Gesundheit rücksichtslos umging.“ Sein Wahlspruch als späterer Bischof war „Ego servus tuus“ – „Ich bin dein Diener“. Im Grunde trieb ihn also tiefes Vertrauen in Gott.

1853 in Cappenberg im Münsterland geboren, will er früh Priester werden, muss diesem Wunsch wegen familiärer Not aber entsagen. Er lernt Schreiner, geht auf die „Walz“, schließt sich dem Kolping-Gesellenverein an, besucht Abendschulen und sucht nach einer Ordensgemeinschaft. Die Jesuiten, dann auch die Salvatorianer lehnen Vieter ab. Schließlich lernt er die Pallottiner kennen, studiert an der Gregoriana, schließt mit Auszeichnung ab und wird 1887 mit 34 zum Priester geweiht. Die Pallottiner übertragen ihm keine leichten Aufgaben: Rektor eines Studienhauses in Italien, Oberer der Gemeinschaft in Südbrasilien und die Kamerun-Mission.

Zwar mag er rücksichtslos gegen sich selbst gewesen sein, für seine Missionare war er Seelsorger im zweifachen Sinn. Hannappel:
„Jedes Jahr einmal kam er zu Exerzitien zu den Stationen, und hat ihnen für ihr geistliches Leben neue Nahrung gegeben. Er hat die Arbeitsbedingungen immer kontrolliert um zu verhindern, dass Übereifer und falsche Askese die Kräfte der Missionare abbauten. Insofern war er sehr konsequent, sehr stark von seinem Willen, aber auch einfühlsam für die Situation der Priester, der Brüder und der Schwestern.“

Heinrich Vieter blieb also und baute weiter Missionsstationen und Kirchen. Zunächst in der noch unerschlossenen Küstenregion, 1900 erreichte er Yaoundé, 1905 wurde er Bischof. Die Mission bezog sich immer auf die ganze Region, nicht nur das Zentrum. Es gab 30 bis 40 Nebenstationen mit so genannten Dorfschulen und oft auch Werkstätten, in denen Einheimische ein Handwerk erlernten. Schon früh praktizierte Vieter Hilfe zur Selbsthilfe:
„Bischof Vieter hat versucht, durch die Schulen die Lebensgrundlage der Einheimischen auf eine solide Basis zu stellen. Er sagte wir können nicht einfach nur den Glauben predigen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass sie in ihrem Leben zurechtkommen. Das bedeutet es war eine frühe Form einer Entwicklungsarbeit, die dort geleistet wurde.“

Die unbekannten, unverheirateten Deutschen konnten sich also durchsetzen und hatten Erfolg:
„Die Missionare haben durch ihren persönlichen Einsatz für die Kinder, für die Jugendlichen, in den Schulen, für die Kranken, in den Ortschaften, in den Hütten es sehr schnell geschafft das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Besonders auch dadurch, dass sie sich sofort bemüht haben die einheimische Stammessprache zu lernen. Das war damals unter den Weißen nicht üblich und ein Plus der Missionare.“

Vieter und seine Pallottiner waren auf die politische Unterstützung der Kolonialregierung angewiesen, reichten doch schon die finanziellen Hilfsmittel aus Deutschland aus Vieters sicht nicht aus. Der hartnäckige Westfale war – wo nötig – auch Diplomat. Missionare von Regierungs Gnaden wurden die Patres dennoch nicht.
„Bischof Vieter hat viele Missbräuche und Missstände der Kolonialherrschaft immer wieder angemahnt und versucht die Würde des Einheimischen hervorzuheben und zu verteidigen; auch die Würde der Frau, oft auch gegen die Stammeskulturen, die die Frau, zum Teil bis heute noch, als Besitz des Mannes, als Ware im extremen Fall sehen.“

Vieter betrieb früh die nach dem Zweiten Vatikanum propagierte Inkulturation der Kirche. Die Dorfschulen wurden von Einheimischen geleitet, sie waren Lehrer, Katecheten und Jugendarbeiter. Die Pallottiner delegierten nicht nur, sondern übertrugen auch Verantwortung. In Yaoundé entstand eine Katechetenschule und kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs auch noch ein Priesterseminar. Der erste Bischof war überzeugt,
„dass der Glaube auf Dauer nur aus dem Volk selbst heraus weitergegeben werden kann und nicht durch fremde Weise.“

Kameruns Kirche vor dem Ersten Weltkrieg war keine Kolonialkirche, auch wenn örtliche Historiker sie heute darauf reduzieren. Wie sonst hätte die Kirche nach der Vertreibung der deutschen Missionare überleben sollen? Mit dem Einzug der Kolonialherren aus Frankreich und England mussten die Deutschen gehen – ausnahmslos. Die letzten Pallottiner verließen laut Hannappel 1916 das Land.
„Die Vertreibung war für die deutschen Missionare ein Schock und eine sehr schwierige Situation. Sie sagten: Wir sind doch nicht im Krieg. Wir Missionare nicht.“
Noch schwieriger war die Situation aber wohl für die Einheimischen selbst, sie hatten diese deutschen Missionare geschätzt, wenn nicht geliebt. Jetzt zählten die Katecheten noch mehr als zuvor: Sie waren die Brücke zu den Missionaren der neuen Kolonialherren, der Feinde. Die Katecheten sorgten für Kontinuität und das Weiterleben von christlichem Glaube und Kirche. Pater Norbert Hannappel:
„Die Einheimischen mussten lernen, dass es nicht nur eine Kirche von Deutschen sondern eine universale Kirche gibt. Kirche ist nicht abhängig von Nationalität, sondern ist Kirche aller Völker.“ Der Besuch des Papstes jetzt ist dafür positives Beispiel…

Heinrich Vieter musste den Abzug aus Kamerun nicht mehr erleben. Er starb – nachdem die aufblühende Station in der Hafenstadt Douala bereits zerstört war – rund einen Monat vor der Vertreibung der Deutschen, am 7. November 1914. Zuvor firmte er in Yaoundé an vier Sonntagen hintereinander insgesamt 1.200 Männer und Frauen, Jungen und Mädchen.

(rv 18.03.2009 bp)








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